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REGION Die MITTWOCHS-KOLUMNE

WIELOCH schreibt an (14) … die Mitarbeiter und Azubis bei Sommerlad

ZUR PERSON:In „Wieloch schreibt an“ richtet sich Jochen Wieloch (40) immer mittwochs in einem persönlichen Brief nicht nur an regionale Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Sport oder Kultur, sondern auch an Menschen des Alltags, die in den Tagen zuvor besonders aufgefallen sind und für positive oder negative Schlagzeilen gesorgt haben. Bei der Kolumne handelt es sich um eine Mischung aus Kommentar und Portraitierung, in der Jochen Wieloch mal sachlich, mal emotional lobt, kritisiert und bei Bedarf auch ordentlich Dampf ablässt. Der Petersberger kennt sich in den Medien Print, TV und Internet bestens aus und ist unter anderem als Spezialist für Unterhaltungs-elektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete der Germanist unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München.

30.11.16 - Liebe Sommerlad-Mitarbeiter und -Azubis,

um Sie ist es – wie erwartet und befürchtet – still geworden. Nach Ihnen kräht kein Hahn mehr. Sie müssen sich fühlen wie auf der Titanic. Ihr Eisberg wartet am 31. März 2017. Einziger Lichtblick: Sie kennen Ihr Schicksal bereits. In den vergangenen Wochen haben Sie sich ausgiebig nach Fluchtwegen und Rettungsbooten umgeschaut. Doch Rettungsboote und Arbeitsplätze haben eines gemeinsam: oft gibt es zu wenige von ihnen.

Seitdem Anfang September die Entscheidung gefallen ist, dass Ihr Möbelhaus am geplanten Standort nicht bauen darf und die Segel streichen muss, spielen Sie in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr. 130 von Ihnen verlieren ihren Job. In Ihren Azubi-Lebensläufen steht künftig „September 2016 – März 2017: Ausbildung Möbelhaus Sommerlad“. Noch vier Monate, dann erleben Sie Ihr Waterloo. Für viele von Ihnen geht das Jahr wahrscheinlich voller Tristesse zu Ende – Sie sind enttäuscht, verbittert und perspektivlos.

Bestimmt haben Sie die letzten Wochen wie Gestrandete auf einer einsamen Insel erlebt. Immer den Horizont im Blick, ob sich nicht doch noch ein Schiff für Ihre Rettung nähert. Aber es hat sich kein Acker gefunden, auf dem Ihr Arbeitgeber bauen darf und bauen möchte. Ihre ersehnten Rettungskräfte aus Politik und Wirtschaft sind auf Tauchstation gegangen – allesamt keine Mitglieder der DLRG, sondern maximal Inhaber des Seepferdchens. Die Tinte unter den zahlreichen prominenten Beileidsbekundungen ist längst getrocknet, manche Ihrer Tränen möglicherweise noch nicht. Massenentlassungen kennt man aus Stendal, Görlitz und Torgau-Oschatz – Städte und Landkreise mit der niedrigsten Kaufkraft in Deutschland. Sie packen nicht etwa Ihre Koffer, weil es im Landkreis Fulda und darüber hinaus an Kunden und Nachfrage mangelt. Was fehlt ist einzig und allein der Konsens, ein Stückchen Wiese zu finden, das alle Parteien als bebauungswürdig erachten. Die ganze Angelegenheit hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Auf Glühwein und gebrannte Mandeln auf dem Weihnachtsmarkt ist Ihnen in diesem Jahr bestimmt der Appetit vergangen.

Liebe Bald-Ex-Sommerlad-Mitarbeiter und -Azubis, Ihre Wunschliste zum Fest und für 2017 fällt garantiert überschaubar aus. Ein neuer Job, ein neuer Ausbildungsplatz, möglichst in der Region. Beides können Sie sich nicht kaufen, beides kann Ihnen Ihre Familie nicht schenken. Was soll ich Ihnen wünschen? Gesundheit? Die Passagiere der Titanic waren auch gesund. Ich wünsche Ihnen Glück.

Mit herzlichen Grüßen


 


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