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Alfred Dregger mit seinen Söhnen Burkard (Zweiter von links) und Meinulf, seiner Frau Dagmar sowie dem Boxer "Ingo" im Jahr 1974 in seinem Privathaus in Fulda. - Foto: picture alliance / dpa - Heinz Wieseler

FULDA Burkard Dregger im O|N-Interview

Zum 100. von Alfred Dregger: "Hatte ein inniges Verhältnis zu meinem Vater"

09.12.20 - Er ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und Vorsitzender der dortigen CDU-Fraktion: Burkard Dregger (56) ist beruflich in die Politiker-Schuhe seines Vaters Alfred Dregger geschlüpft, der am Donnerstag 100 Jahre alt geworden wäre. Im Interview mit OSTHESSEN|NEWS wirft er einen liebevollen und sehr persönlichen Blick auf diese große Unions-Persönlichkeit, die 2002 verstarb.

O|N: Was sind Ihre Kindheits- und Jugenderinnerungen an Alfred Dregger?

Burkard Dregger: Wenn er sich Zeit nahm, waren es schöne und anregende Momente. Bei langen sonntäglichen Wanderungen durch die heimische Rhön, entlang der damaligen Zonengrenze, weckte er durch spannende Erzählungen mein Interesse für Geschichte und Politik. So erklärte er mir im Angesicht der Grenzanlagen die Zusammenhänge, wie es zu dieser unnatürlichen, ja unmenschlichen Grenze kommen konnte. Und was er für richtig hielt und selbst unternahm, um diese innerdeutsche Teilung zu überwinden.

War er oft zu Hause oder meist beruflich unterwegs?

Burkard Dregger, hier bei einer Veranstaltung des MIT-Kreisverbandes im September ...Foto: O|N-Archiv / Martin Engel

Mein Vater hat viel gearbeitet, auch an den Wochenenden zu Hause. Er wollte seinem Land dienen und hat seine ganze Kraft eingesetzt. In seiner 14-jährigen Amtszeit als Oberbürgermeister entwickelte er Fulda zu einem überregionalen Zentrum, setzte als Präsident des Deutschen Städtetages eine Neuordnung der Finanzierung der Kommunen durch, führte die CDU Hessen von 26 % bis knapp unter die absolute Mehrheit und war als Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag einer der entscheidenden Wegbereiter der Deutschen Einheit. Freizeit war ein Fremdwort für ihn. Er lebte für seine Mission.

Was für Hobbies hatte Ihr Vater?

"Schönes sehen", war seine Antwort auf die Frage, was seine Lieblingsbeschäftigung sei. Er hat die Kunst geliebt, vor allem die Malerei, aber auch die Architektur. Und er interessierte sich sehr für Geschichte. Auf unseren Reisen hat er uns immer die geschichtlich und kunstgeschichtlich bedeutenden Orte nähergebracht. So hat er sich tatsächlich einmal fünf Tage Zeit genommen, um mir Rom intensiv zu zeigen. Er war ein wandelndes Lexikon.

Was für Urlaube haben Sie sonst noch zusammen unternommen?

Wir haben schöne Reisen unternommen, zum Beispiel nach Südtirol zum Wandern und Skilaufen. Einmal ist er mit mir nach Apulien gereist, auf den Spuren des Staufer-Kaisers Friedrich II., den er bewunderte, weil der es geschafft hatte, mit der von ihm bewunderten arabischen Welt zu einem Interessensausgleich zu kommen beim Zugang christlicher Pilger zu den heiligen Stätten in Jerusalem. Das alles war sehr inspirierend.

Wie war er so als Vater?

Wir hatten ein inniges Verhältnis. Er hat mir Freiraum zur eigenen Entfaltung gegeben. Aber er hat auch darauf geachtet, dass ich diesen Freiraum nutze und dass ich meinen Weg zielstrebig gehe.

An welche Erlebnisse denken Sie besonders gern zurück?

Immer auf dem Laufenden Foto: picture alliance / dpa - Heinz Wieseler

Er hat mich 1985 auf politische Reisen nach Washington und Moskau mitgenommen. Ich habe mit ihm Pentagon und Kreml erlebt, die beiden Zentren der damals bipolaren Welt. Wir haben Familienfahrten in die DDR und nach Polen unternommen. Das alles in den Jahren vor dem Fall der Berliner Mauer, als Berlin, Deutschland, Europa und die ganze Welt noch geteilt waren in eine kommunistische und in eine freie Welt, als sich aber tiefgreifende Veränderungen dieser Lage abzeichneten. Das war unglaublich spannend für einen jungen Menschen wie mich. Und als dann die Mauer in Berlin gefallen war, habe ich meinen Vater zu Veranstaltungen in die DDR begleiten können, die von Tausenden, manchmal Zehntausenden Menschen besucht wurden, die ihm bedingungslos vertrauten und nur eines wollten, nämlich die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit. Ich werde das niemals vergessen, es hat mich tief geprägt. Und ich habe für meinen Vater große Zuneigung entwickelt, auch für seinen Beitrag auf dem Weg zur Wiedervereinigung.

Inwieweit hat er Sie hinsichtlich Ihrer eigenen politischen Laufbahn geprägt?

Sein vierter Anlauf um die Mehrheit in Hessen 1982 war meine erste Wahl mit 18 Jahren, unvergesslich für mich. Seit 1967 hatte er hart auf den Wahlsieg hingearbeitet, mit unglaublicher Disziplin, Leidenschaft und Hingabe um Stimmen gekämpft und dabei Stimmengewinne historischen Ausmaßes erzielt von 26,4 % bis knapp unter der absoluten Mehrheit. Ich habe mitgefiebert. Und es hat mich mitgenommen, dass sich diese so erfolgreiche ungeheure Kraftanstrengung trotz historischem Höchststand bei den Stimmen als Niederlage angefühlt hat. Er hat das mit einer bewundernswerten Haltung getragen: "Man darf alles verlieren, nur seine Haltung nicht", so sagte er damals. Wie hätte ein solcher Vater mich nicht prägen können?

Das Interview wurde geführt von O|N-Redakteur Matthias Witzel. +++


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