Archiv
- Fotos: Klaus Scheuer
21.05.13 - LAUTERBACH
Geschichten, die man glauben muss: COSKUN bei Pfingsmusiktagen (4)
Murat Coşkun ist ein Geschichtenerzähler. Das hat er mit seinen vielen Trommeln, Zimbeln und anderen Perkussionsinstrumenten mehrfach in Lauterbach bewiesen, im letzten Jahr etwa zusammen mit dem großen Giora Feidman in der Lauterbacher Stadtkirche und vor ein paar Tagen erst in der Angersbacher Kirche zusammen mit Marie Ferré und Michel Godard. Die besten Geschichtenerzähler sind Menschen, denen man glaubt, wenn sie Geschichten erzählen, so dass die Geschichten zu Erinnerungen bei den Zuhörern werden, als wären sie wirklich geschehen. Was Murat Coşkun mit seinen Trommeln erzählt ist echt, es geschieht wirklich, und so verhält es sich auch mit seinen Geschichten aus 1.000 und einem Rhythmus. Das diesjährige Konzert für Menschen ab vier Jahre im Rahmen der Pfingstmusiktage in der Aula des Lauterbacher Gymnasiums hatte wieder einmal keine Altersgrenze nach oben, und die Geschichten von den Rhythmen beginnen gar nicht mit einem Rhythmus - oder doch?
Das Brummen des Schwirrholzes, das Murat Coşkun über seinem Kopf kreisen lässt ist doch ein Ton – oder nicht? So fangen die Geschichten gleich mit einer Grenzüberschreitung an, wo Rhythmus und Ton sich begegnen, den Bass kann man im Bauch spüren, die einzelnen Schwingungen, wie eine Folge von Trommelschlägen: Rhythmus ist Ton ist Musik. Klein und Groß lauschen gleichermaßen gebannt den Geschichten des begnadeten Erzählers, der mit seinen Händen und seinem Körper ebenso erzählt wie mit seinen Worten, von all den Trommeln, die zumeist einmal Ziegen waren aus aller Herren Länder, aber auch von der einen, die ein Fisch war, oder eine Eidechse, deren Fell man immer feucht halten muss, damit sie richtig tief und voll klingt. Auf manchen Trommeln kann man sogar richtige Melodien spielen, Coşkun erzählt es, und beweist sogleich, dass die Geschichte wahr ist. Er erzählt von Scheren, mit denen man nicht zwar nicht schneiden, aber Musik machen kann, von Krügen, Kochtöpfen und anderen Küchenutensilien und lässt sie zum Beweis selbst erzählen.
Es folgen spannende Geschichten von den Zimbelmachern Anatoliens und der Rassel, die aus Knochen besteht und - richtig - die auch mal eine Ziege war. Auch die Trommeln selbst lässt der Geschichtenerzähler zu Wort kommen, in einer eigenen Rhythmussprache, deren Grundlagen er dem gebannten Publikum übersetzt. Schließlich bittet Murat Coşkun zwei besondere Gäste auf die Bühne. Es sind seine beiden Kinder, die ihn auf der Reise nach Lauterbach begleitet haben und ein türkisches Volkslied vortragen. Auch dies spricht dafür, dass es wahr ist, was Coşkun uns zeigt: Rhythmus steht im Zentrum seines Lebens und Rhythmus steht im Zentrum der Musik, ist ihr Motor und ihr Ursprung und die Quelle unendlich vieler Geschichten, die schon komponiert worden sind, und solche die noch darauf warten. (Klaus Scheuer) +++