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09.06.13 - NACHGEDACHT (22)

Und dann kommt die Angst - Gedanken von Christina LEINWEBER

Zittern wie Espenlaub, Schweiß auf Stirn und Händen, Atemnot, Herzrasen, Ohnmachtsgefühle, Gedankenleere – das alles sind (Begleit-)Erscheinungen von Angst, wie sie jeder von uns kennt. Es gibt fast kein Wort im Deutschen, das so viele verschiedene Variationen und Begleiter kennt: Höhenangst, Verlustangst, Todesangst, Platzangst, Angst vor Tieren, Nähe oder Krankheit – die Liste ist endlos. Allen gemeinsam ist das Grundgefühl dabei: Wir fühlen uns beengt, bedrängt – eine Macht setzt sich auf uns und lähmt uns. Eine der besten biblischen Geschichten – jedenfalls sehe ich das so – ist der Seewandel Jesu. Denn hier wird Angst zum zentralen Thema und perfekt beleuchtet.

Psychologisch gesehen wird im Seewandel ein unglaubliches Bild aufgespannt – dass und ob Jesus tatsächlich dabei über den See lief, soll hier nicht Thema sein. Vielmehr gilt es, die Psychologie dahinter zu beleuchten: Jesus und seine Jünger trennen sich am frühen Abend voneinander – er geht auf einen Berg am Rande des Sees, die Jünger steigen ins Boot und werden bald von Wasser und Wind hin- und hergetrieben. Natürlich haben sie Angst, nicht anzukommen – sie haben Todesangst. Da sind zwei verschiedene Räume: der Berg und der See. Am Berg befindet sich Jesus. Psychologisch gesehen steht der Ort für absolute Ruhe, inneren Frieden, Ausgeglichenheit. Die Jünger hingegen sind auf dem Wasser: Abgründe tun sich vor ihnen auf, der Wind peitscht ihnen um die Ohren - das Wasser steht für Unruhe, Angst, Ohnmacht. Alle Formen von Angst können in diesem Bild vereint werden.

Die Jünger sehnen sich nach Hilfe. Nach Jesus. Er kommt auch zu ihnen. Das Interessante daran: Sie erkennen ihn nicht sofort, sie haben sogar Angst vor ihm. Unglaublich eigentlich, dass die Jünger gerade vor dem Angst haben, wonach sie sich so gesehnt haben - nach Hilfe, nach Unterstützung, nach dem Ende der Angst. Ein von Grundauf menschliches Gefühl, oder? Manchmal hat man eben auch Angst vor dem, was man sich wünscht. Petrus ist es dann, der wie Jesus auch Herr über die Mächte des Sees, der Angst, werden will. Er versucht auf Jesus zuzulaufen, scheitert jedoch. Denn er bekommt doch Angst und sinkt ins Wasser. Jesus zieht Petrus natürlich aus dem Wasser, er sorgt auch dafür, dass der Sturm sich legt. Warum kann er eigentlich das so einfach tun?

Das, was die Jünger so heftig quält, nämlich die Angst, kennt Jesus in dieser Geschichte nicht. Er ist angstfrei, so wird er präsentiert. Er ist Herr über das Wasser, weil er Herr über seine Ängste ist. Vollkommen im Einklang und ruhig, nimmt ihn der Sturm nicht in den Bann. Das kommt nah dran an den Menschen, den ich mir als Jesus vorstelle: Er konnte Menschen die Angst nehmen, er war eben auch ein grandioser Psychologe. Was uns aus dieser Geschichte bleibt, ist, dass wir allzu oft ein Petrus sind. Die Angst nimmt uns eben doch immer wieder ein. Solange wir dann aber jemanden finden, der uns rauszieht, sollten wir dankbar sein. Angst ist zwar mächtig, aber wir sollten entscheiden, wie viel Macht sie wirklich über uns hat. (Christina Leinweber) +++

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ZUR PERSON: Christina Leinweber, 1988 geboren in der osthessischen Bischofsstadt Fulda, neun Jahre katholisch-private Schulausbildung – so war der Weg zum Theologiestudium für sie vorbestimmt und beschlossen. Es ging dann für vier Jahre Studium in die nächste Bischofsstadt Paderborn - inzwischen hat sie ihr 1. Staatsexamen in der Tasche. Gleichzeitig ist sie freie Mitarbeiterin bei osthessen-news.de, bezeichnet sich selbst als liberal-theologisch und kommentiert (seit 22 Wochen) in der neuen Serie "NACHGEDACHT" Dinge des Alltags aus ihrer persönlichen Sicht. +++

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