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23 Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea und dem Irak nehmen zurzeit im Heringer Martin-Luther-Haus an einem Sprachkurs teil. - Fotos: Stefanie Harth

HERINGEN (W.) Sprache als Türöffner für Integration

Gewappnet für die Zukunft: Flüchtlinge ergreifen ihre Chance

19.01.16 - Mouayad ist ein Naturtalent: im Eiltempo erlernt der junge Syrer, der seit dreieinhalb Monaten in Deutschland lebt, unsere Sprache. „Vieles habe ich mir mit der Hilfe von Wörterbüchern selbst beigebracht“, erzählt der 20-Jährige, der nach einer unfassbaren, strapaziösen Odyssee in Heringen eine vorläufige Heimat gefunden hat. Mouayads erklärtes Ziel: er möchte in Marburg Mathematik studieren. Sprache verbindet, überwindet Barrieren, eröffnet Perspektiven. Dessen ist sich auch der 26-jährige Adam, ein Landsmann Mouayads, bewusst. Vor fünf Monaten „strandete“ er in Österreich. „Von dort aus ging es zunächst nach Gießen, dann nach Fulda, dann nach Bad Hersfeld und schließlich nach Ronshausen“, resümiert der ausgebildete Physiotherapeut, der in Bebra einen Sprachkurs besucht hat und davon träumt, seinen Beruf auch in Deutschland ausüben zu dürfen.

Adam (26) und Mouayad (20) sind davon überzeugt: "Sprache ist der Schlüssel zur Integration." ...

Beide fühlen sich in Waldhessen gut aufgehoben und akzeptiert. Dass die Sprache der Schlüssel zur Integration ist, versuchen sie jetzt anderen Weggefährten nahezubringen. „Es ist unglaublich, wie schnell die Kursteilnehmer unsere Sprache lernen“, bekräftigt Rita Brand, die im Heringer Martin-Luther-Haus, dem Herzstück der hiesigen evangelischen Kirchengemeinde, zurzeit 23 Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea und dem Irak im Namen der Kreishandwerkerschaft Hersfeld-Rotenburg in die Geheimnisse der deutschen Sprache einweiht. „Es ist ein Segen für sie und ein Segen für uns. Manchmal müssen wir uns zwar mit Händen und Füßen verständigen, aber es funktioniert.“ Ein Paradebeispiel für die sprichwörtliche „Win-win-Situation“ – gerade in Zeiten, in denen sich der Fachkräftemangel im Handwerk verschärft.

Pfarrer Dr. Thorsten Waap, der sich für eine nachhaltige Integration der Neuankömmlinge einsetzt, ist froh darüber, dass sich das Gemeindehaus peu à peu als Treffpunkt für Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen entwickelt. Momentan hätten rund 90 Flüchtlinge eine Bleibe in Heringen gefunden. „Wir wollen innerhalb unserer Gemeinde ein Zeichen setzen. Unser Haus hat eine niedrige Schwelle“, betont Dr. Waap. „Integration kann gelingen. Hintergrund für unser Handeln sollte immer sein, zu hinterfragen, was wir uns wünschen würden, wenn wir aus unserer Heimat fliehen müssten und in ein fremdes Land kommen würden.“ Er sei sowohl der Kreishandwerkerschaft als auch der Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda dafür dankbar, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten, damit sich das Gemeindehaus für Flüchtlinge öffnen könne.

Leisten Nachbarschaftshilfe (v.li.): Hubert Lorenz und Klaus Stöcker von der Kreishandwerkerschaft, ...

Apropos Arbeitsagentur: Sie hat die Zeichen der Zeit erkannt, indem sie außerhalb ihres eigentlichen Aufgabenportfolios allgemeine Deutschsprachkurse für schutzsuchende Menschen mit guter Bleibeperspektive finanziert. Die stetig steigenden Flüchtlingszahlen forderten ein schnelles und unbürokratisches Handeln, unterstreicht Waldemar Dombrowski, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Bad Hersfeld-Fulda. „Wir sind von null auf hundert durchgestartet – wir wollten schnell sein, um diesen Menschen eine Chance zu bieten.“ Kurz nachdem die rechtliche Grundlage vorlag, gingen die ersten Sprachkurse an den Start. Seit November letzten Jahres hat die Arbeitsagentur acht Seminare gesponsert, in denen innerhalb von acht Wochen in maximal 320 Stunden Grundkenntnisse der deutschen Sprache vermittelt werden. „Bislang haben an den Standorten Bad Hersfeld, Rotenburg, Bebra, Kirchheim und Heringen 187 Flüchtlinge Basiswissen in Deutsch erworben“, erläutert der Agenturchef. „77 befinden sich noch in laufenden Kursen.“

Die Teilnehmer, die ja freiwillig die Schulbank drücken würden, seien motiviert. „Sie wollen so schnell wie möglich Kontakt zu ihrem Umfeld und eine sinnvolle Beschäftigung aufnehmen“, meint Waldemar Dombrowski, der dem Landkreis Hersfeld-Rotenburg für dessen „klasse Koordination“ und den Bildungsträgern sowie der Kreishandwerkerschaft für das hohe Maß an Flexibilität dankt. Wenn der Grundstock gelegt sei, könne mit der Integration in den Arbeitsmarkt begonnen werden, ergänzt Frank Kamolz, Bereichsleiter der Arbeitsagentur.

„Wir sind bereit, Verantwortung zu tragen und uns in Euer Sozialgefüge einzugliedern“, versichert einer der Kursteilnehmer. „Aber: Ihr müsst uns dabei helfen.“ Mit Blick auf die Vorkommnisse am Silvesterabend in Köln: „Wir sind nicht hier, um Ärger zu machen und verurteilen Übergriffe dieser Art.“

Das Buffet ist eröffnet...

Und dann setzen die Neu-Heringer ein Zeichen. Ein Zeichen der Gastlichkeit in ihrem Gastland. Ein kulinarisches Zeichen. Gemeinsam warten sie mit einem Buffet, gespickt voller – in unseren Augen teilweise exotisch anmutenden – Köstlichkeiten auf. Und jedem im Raum ist klar: nicht nur Sprachkurse, sondern auch das gesellige Beisammensein, das lockere Plaudern bei gutem Essen tragen dazu bei, Grenzen zu überwinden, Berührungsängste abzubauen. Auch das ist Integration. (Stefanie Harth) +++


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