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Das Gebäude der ehemaligen Synagoge mitten in Heubach... - Fotos: Klaus Dehnhard / Martin Angelstein

...mit dem markanten Vordach, das ziemlich baufällig ist...

06.09.04 - Heubach

Nach jahrelangem "Kampf": ehemalige Synagoge kann saniert werden

Der Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, hat heute Morgen bei einer kleinen "Feier" dem Bürgermeister der Gemeinde Kalbach (Landkreis Fulda), Karl-Heinz Kaib, einen Bewilligungsbescheid über 200.000 Euro für die Sanierung und Neunutzung der ehemaligen Synagoge im Ortsteil Heubach überreicht. Die Fördersumme für das Jahr 2005 stellt das Kunstministerium aus Mitteln des Kulturinvestitionsprogramms zur Verfügung.

Nach der Sanierung soll die Synagoge für kulturelle Zwecke und Veranstaltungen genutzt werden, die u. a. der Erinnerung und Verständigung zwischen den Konfessionen und Religionen sowie der Förderung der Bildung dienen. "Damit erhalten wir ein hochrangiges Zeugnis der jüdischen Geschichte in Hessen und führen es einer sinnvollen neuen Nutzung zu", sagte Staatsminister Corts heute in Heubach. Das Bauwerk dokumentiere das lange friedliche Nebeneinander von Juden und Christen auf dem Lande.

Markante Lage in der Ortsmitte

Der zweigeschossige Fachwerkbau mit einem Sockel aus Steinquadern liegt markant an einer Straßengabelung in der Ortsmitte von Heubach. Es handelt sich um einen zweigeschossigen, zweizonigen Fachwerkbau mit den Abmessungen Länge x Breite = 15,67 m x 9,26 m. Das Dach ist als Satteldach

ausgebildet und mit Doppelmuldenfalzziegeln eingedeckt. Die Dachneigung beträgt ca. 45 Grad. Das Gebäude ist auf der Nord-, West- und Südseite verschindelt und steht auf einem Natursteinsockel. Auf der Westseite befinden sich zwei Eingänge unter einem hölzernen Portalvorbau.

Der erste Hinweis auf einen geplanten Synagogenbau datiert in den Oktober 1836. Der Synagogenälteste der jüdischen Gemeinde zu Heubach bat damals das Kreisamt in Schlüchtern um die Genehmigung zu einem Neubau, da sich die Gemeinde bisher nur in einem kleinen, oberhalb eines Kuhstalles gelegenen

Privatzimmer versammeln könne und sich dieser Zustand mehr und mehr als unhaltbar erweise. Trotz der Beschaffung von Bauholz im Herbst 1838 verzögerte sich der Bau des Fachwerkgebäudes wegen Differenzen innerhalb der Gemeinde weiterhin, so daß Provinzial-Rabbiner Felsenstein zu Hanau im Juli 1839 das Kreisamt bat, das Abhalten des Gottesdienstes im bisherigen Betraum zu untersagen, um damit den Neubau zu befördern. Dies führte zunächst jedoch nur dazu, daß die Gemeinde im Herbst 1840 ein anderes, besser geeignetes Privatzimmer anmietete.

Neubau von 1841 nach Plänen des Landbaumeisters Spangenberg

Da die Genehmigung hierfür jedoch auf ein Jahr befristet war, wurde der Neubau 1841 doch ernsthaft in Angriff genommen. Die wohl im Frühjahr von Landbaumeister Spangenberg zu Steinau angefertigten Pläne wurden im Juni von der Gemeinde gutgeheißen, der Bauantrag am 17. Juli 1841 beim Kreisamt eingereicht. Dennoch dauerte es fast zwei weitere Jahre, bis am 21. Mai 1843 endlich die Akkorde mit den ausführenden Handwerkern geschlossen werden konnten. Ein wesentlicher Grund für die Verzögerung lag offenbar darin, daß es grundlegende Meinungsverschiedenheiten zu Lage und Anlage des Frauenbades gab.

Nach fast genau halbjähriger Bauzeit war die Synagoge am 20. November 1843 aufgerichtet. Wann der Neubau in Benutzung genommen werden konnte, ist in den beiden Akten nicht überliefert. Das Frauenbad war im März 1844 noch nicht fertig, wurde aber schon im Juli 1844 mit Wasser versorgt.

Geplante Versetzung des Hauses in 80er Jahren gescheitert

Im Jahre 1936 wurde das Gebäude der Gemeinde Heubach übereignet, die es nach umfangreichen Umbauarbeiten als Rathaus mit drei Wohneinheiten bis 1972 nutzte. Das denkmalgeschützte Gebäude sollte Mitte der 1980-er Jahre nach Gießen transloziert werden, was in den Jahren 1987 und 1988 vom Landesamt für Denkmalpflege und vom zuständigen Ministerium für Wissenschaft und Kunst untersagt wurde. Seit 1986 steht das Gebäude leer. An vielen Stellen ist die Außenhaut undicht, Feuchtigkeit dringt ein, eine zunehmende Verwahrlosung ist zu verzeichnen. 1997 verkaufte es die Straßenbauverwaltung an einen Privatmann.

Anfang der 1990er Jahre wurde das Gebäude einer umfangreichen Notsicherungsmaßnahme unterzogen. Dabei wurden erhebliche Teile der Süd- und Westwand des EG fachkundig zimmermannsmäßig erneuert. An der Ostseite wurden ebenfalls Gefügereparaturen an den Außenwände vorgenommen (Rähme) und im

Dachwerk wurden große Teile der Dachbalken mit Laschen repariert. Die Notsicherungsmaßnahmen können durch aus als handwerklich fachgerecht bezeichnet werden, eine Dokumentation der hierbei geopferten historischen Befunde liegt jedoch nicht vor.

Hervorragende Erhaltung des Frauenbades, der "Mikwe"

Das Gebäude ist in 2 Zonen unterteilt. In der südliche Hälfte war ehemals der zweigeschossige Betraum mit einer Frauenempore untergebracht. In der nördlichen Hälfte waren im Erdgeschoß die Lehrerwohnung und die Mikwe, und im Obergeschoß die Klassenzimmer untergebracht. Der Betraum war durch einen

eigenen Eingang zugänglich. Der Schüler-/Lehrerbereich, die Mikwe und die Frauenempore durch einen zweiten Eingang. Der Bereich des Betraumes ist in Ständerbauweise, d.h. die beiden südlichen Eckständer und der etwa mittig stehende Wandständer auf der Ostseite gehen über zwei Stockwerke durch, ausgeführt. Die Schwelle für die Frauenempore ist als Schwellriegel ausgebildet. Die Längsaussteifung wird durch Riegel und Streben gewährleistet.

Nachdem die Gemeinde Heubach das Gebäude übernahm, wurde eine Decke in der Verlängerung der Frauenempore, und Zwischenwände eingezogen. Dieser, vom restlichen Gebäude völlig getrennte Teil im Erdgeschoß, diente der Gemeinde als Rathaus. Der obere Teil wurde als Wohnung, zugänglich durch den linken Eingang, genutzt. Bei diesen Umbaumaßnahmen wurden drei Fenster, die vormals über zwei Geschosse gingen, zugebaut bzw. verändert.

Die Mikwe wurde am 10. März 2004 ausgegraben, und befindet sich im nordöstlichen Raum und ist weitgehend vollständig vorhanden. Bei den Umbaumaßnahmen zu Rathaus und Wohnungen wurde die Mikwe zugeschüttet und mit einem Fußboden überdeckt.

Überraschend hohe Förderung von fast 90 Prozent der Sanierungskosten

Die Kosten für die jetzt grundlegende Instandsetzung der ehemaligen Synagoge belaufen sich auf insgesamt rund 780.000 Euro. Neben den vom Kunstministerium bewilligten 200.000 Euro gibt der Landrat des Landkreises Fulda weitere 200.000 Euro aus EU-Mitteln zur Entwicklung des ländlichen Raums dazu. Darüber hinaus beteiligen sich das Landesamt für Denkmalpflege (100.000 Euro), die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (85.000 Euro), der Förderverein Landsynagoge Heubach (65.000 Euro), die Evangelische Kirche Kurhessen-Waldeck (50.000 Euro), die Gemeinde Kalbach (65.000 Euro incl. Grunderwerb), die Stiftung Sparkasse Fulda (10.000 Euro) und der Kreisausschuss Fulda (5.000 Euro) an der Finanzierung.

Wesentlich beteiligt sind an dem Projekt das Ingenieurbüro für Holzbau und Bauwerkserhaltung Dipl.-Ing. Uli Thümmler, in der "Herrenmühle" (Hünfeld-Mackenzell) sowie das Fuldaer Architektenbüro Krieg + Warth Dipl.Ing. Nach bisheriger Planung sollen die Bauarbeiten am 30. April 2006 abgeschlossen sein.

Für die Großgemeinde Kalbach ist die investierte Summe "gut angelegtes Geld", wie Bürgermeister Kaib gegenüber "Osthessen-News" erklärte. Schließlich handele es sich dabei um ein wichtiges Stück Ortskultur und erhaltene Vergangenheit. Die Gemeinde ist auch froh, dass es ein Zukunftskonzept gibt und damit die Kommune nicht für Folgekosten aufkommen muss. Schließlich seien die vielen Spenden an den Förderverein auch Ausdruck dafür, dass die Bevölkerung in der Region dieses Projekt wolle und unterstütze.

Lobende Worte gab es auch von Thea Altaras, einer hochbetagten Gießener Architektin mit Ehrendoktorwürde ("Mein Alter verrate ich nicht"), die am heutigen Tage auch gekommen war und mit großem Interesse die Sanierung der ehemaligen Synagoge verfolgt. Besonders die mit drei Becken gut erhaltene Mikwe sei "sensationell" und es lohne sich auf jeden Fall, das Haus mit einem solch "prominentem Standort" mitten im Dorf zu erhalten.

Ein Haus für das Lernen und die Verständigung zwischen den Religionen

Unter den Gästen des heutigen Tages weilte aber nicht nur der Hessische Landeskonservator Prof. Dr. Gerd Weiß. Eine ganz wichtige Rolle beim Zustandekommen dieses Vorhabens war die hartnäckige Arbeit des Fördervereins und da vor allem die der Vorsitzenden und evangelischen Pfarrerin Johanna Rau. Sie spach die Hoffnung aus, dass künftig einmal dieses Haus "dem Lernen und der Verständigung zwischen den Religionen, inbesondere zwischen Christentum und Judentum, dienen sollte - "und auch ruhig überregional". Christen wüßten ohnehin gemeinhin wenig vom Judentum. Ihre ganz persönliche Hoffnung als Pfarrerin sei, dass es hier gelingen werde, "Verständnis füreinander zu wecken und Begegnung zu fördern".

Eine Schirmherrschaft und eine heimlich demontierte Holzschindel

Auch wenn heute in Heubach keine Juden mehr lebten, so werde die ehemalige Synagoge nach der Sanierung für viele ein Ort sein, der das Andenken an Menschen ihrer Familie hütet. Pfarrerin Rau dankte besonders Minister Corts dafür, dass er die Schirmherrschaft über die Sanierung des historischen Gebäudes übernommen habe (Corts: "Das ist einmalig") und überreichte ihm wohl auch als "kleine Erinnerung" eine Original-Schindel der Außenfassade, die sie - so sagte die Pfarrerin - "heimlich an der Rückseite abmontiert hat". Die Denkmalexperten nahmen es mit einem Augenzwinkern hin..... +++


Minister Corts bei seiner Ansprache...

Freude bei Pfarrerin Rau (Bildmitte)...


Kalbachs Bürgermeister Kaib erhält den Bewilligungsbescheid über 200.000 Euro aus Ministerhand...

...es ist nicht der einzige Förderzuschuss an diesem Tag ...


Zahlreiche Gäste waren gekommen....


...um sich dann auch genau das Haus innen anzuschauen...


Die Baufachleute mit Minister Corts (Bildmitte)...

Die "heimlich demontierte" Schindel in des Ministers Händen...




Die Innensanierung muss sehr behutsam vorgenommen werden - jede Spur und Rest wird genau dokumentiert...


Der wichtigste Bereich, der ausgegraben wurde: die "Mikwe", das Frauenbad...



...und die freigelegten Balken erzählen den Experten viel über die Baugeschichte...




Die Gießener Architektin Thea Altaras (links vorne) im Gespräch mit einem der Experten...

...das Teppenhaus - auf dem Landeskonservator Prof. Weiß läuft - ist noch fast im Originalzustand...


...und alle Beteiligten sind sich der Bedeutung ....

...dieses Hauses in Heubach bewußt...

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