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11.10.00 - Jürgen Michael Bacher

Vom Bürgermeister zum Meistersänger

SCHOTTEN. Sechs Jahre lang dirigierte er auf der politischen Bühne eines Vogelsberg-Städtchens, jetzt will er bedeutendere Bretter betreten. Vom Bürgermeister zum Meistersänger - der 52-jährige Diplom-Verwaltungswirt Jürgen Michael Bacher träumt inzwischen von einer Tenor-Karriere. Der Ex-Rathauschef von Schotten singt heute unter seinem Künstlernamen - dem melodischer klingenden Latino-Alias: Aus Jürgen wurde Giorgio, aus Michael Michele - und der Bach(er) zum Fluss - del Rivo. Das ehemalige Stadtoberhaupt verspricht ein musikalisches Programm, "das die Herzen höher schlagen lässt", so die vollmundige Ankündigung im Prospekt seiner Konzertagentur.

Ob klassische Arien wie`O sole Mio´, ob Wiener- oder neapolitanische Lieder - "der charismatische Künstler macht mit seiner Ausstrahlung und Interpretation jede Veranstaltung zu einem unvergesslichen Erlebnis", heißt es weiter. Einen ungewöhnlichen Lebensweg hat der ehemalige CDU-Bürgermeister von Schotten hinter sich. Bacher saß von 1982 bis 1988 im Chefsessel der 10.000-Einwohner Gemeinde. "Ich bin ein konsequenter Mensch", erzählte der 52-jährige im Gespräch mit der FR. "Zuerst wollte ich Bürgermeister einer Stadt werden, das habe ich auch geschafft". Selbst frühere politische Gegner loben ihn heute noch für seine Verwaltungsstrukturreform. Als Bacher aber 1987 nicht wiedergewählt wurde, sondern sich die Mehrheit der Stadtverordneten für den SPD-Konkurrenten und heutigen Bürgermeister Hans-Otto Zimmermann entschied, verlor er die "Lust auf die Politik". Rückblickend meint er , dass es wohl "nicht aus Verdrossenheit", sondern getreu dem Motto gewesen sei: "Man kehrt nicht in den Betrieb zurück, in dem man als Lehrling angefangen hat".

Und so erhält Bacher zwar seit zwölf Jahren Pensionszahlungen der Stadt Schotten, doch die - so erklärte er - "reichen nicht zum Leben". Über Geld spricht er nicht, aber schon 1987 war in der regionalen Presse eine Jahressumme von mindestens 40.000 Mark genannt worden - zahlbar aus dem Stadtsäckel bis zum Erreichen des Pensionsalters. Diese Summe wollte sein Amts-Nachfolger Zimmermann nicht bestätigen: "Der Datenschutz - Sie wissen doch".

Fakt ist: Bacher verdiente in den Jahren nach seiner Wahlniederlage in sehr verschiedenen Metiers sein finanzielles Zubrot. Mal wurde er Wirt und eröffnete in Laubach (Kreis Gießen) den "Ratskeller" als Familienbetrieb. Dann arbeitete er für eine Zeltfirma in Wolferborn (Wetteraukreis) und betreute deren Stahlhallen-Bauten als Kunden-Vertreter. Diese Firma war es auch, die ihn zurück an seinen Geburtsort Berlin brachte.

"Mach doch mal was aus deiner Stimme" - so hätten ihm Freunde immer wieder geraten. Und schließlich erhob Bacher sein Hobby zum Beruf. Mehr als ein Jahr nahm er täglich Gesangsunterricht, probte eifrig alles, was ein Tenor im Repertoire haben muss. Führte der Sohn Andreas einst die Küche im Laubacher Ratskeller, ist er heute Geschäftsführer der Künstleragentur mit dem vielversprechenden Namen "Belcanto", die Vater Bacher seit Juli 2000 exklusiv als Tenor vermarktet. Bisher gab es allerdings "keine großen" Engagements, denn der Sänger will sich auf Rundreisen erst mal bekannt machen.

Fehlte es Bacher schon als Bürgermeister auf der Polit-Bühne nicht an Selbstbewusstsein, so zeigt auch Maestro del Rivo Mut. Wer ihn haben will, braucht ein dickes Portmonee: 18.000 Mark Gage für 90 Minuten Gesang inklusive Pianist und einer Viertelstunde Pause. "Ein guter Sänger hat eben seinen Preis", sagt er. In seinem aktuellen Prospekt schreibt er statt dieser konkreten Summe "nach Vereinbarung". Interessenten müssen allerdings drei bis sechs Monate vorbestellen, denn "schließlich brauche ich Zeit, mich auf das Programm vorzubereiten", erklärt del Rivo.

Drei Varianten bietet er an: "Wien, Wien nur Du allein" mit "selten gesungenen Liedern" wie "Im Prater blühn wieder die Bäume"." Oder das Programm "O sole mio", das mit romantischen Liedern "Gefühl puuur!" verspricht. "Extra-Klasse" ist das "Romantic Konzert", eine Mixtur aus bekannten Operetten und "Highlights des klassischen Entertainments".

Einen Hinweis sollten echte del Rivo-Fans im selbstgedruckten Faltblatt nicht missachten: für Advents- und Weihnachtskonzerte stehen "nur wenige Termine zur Verfügung". Als "extrem überteuert" bezeichnet der Heilbronner Konzertmanager Rolf Weinmann die Salär-Forderungen del Rivos. Das sei in etwa die Summe für das Sänger-Trio der "jungen Tenöre", die Weinmann unter Vertrag hat. Und dazu gehört noch das zehnköpfige Techniker-Team plus Übernachtungskosten. Und exakt 18.000 Mark "verdienten" auch zwei Solisten mit festen Engagement an der Dresdner Semperoper, so Weinmann und er fügt hinzu. "Aber die haben bereits ihre Qualitität unter Beweis gestellt".

In Schotten fragen sich viele , ob ihr Ex-Bürgermeister Bacher als Giorgio Michele del Rivo vielleicht dort noch einmal den Ton angeben wird. Eine Buchung als Startenor liegt allerdings noch nicht vor. Wer Interesse an dem "einmaligen Event" hat, der sollte eine E-Mail schicken, wobei jedoch des Maestros elektronische Adresse einige Fragezeichen aufwirft. Sie lautet: [email protected] .

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