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04.02.06 - Fulda

Unfreiwillig in Pension - Fritz KRAMER, ein Landrat muß mit 68 gehen

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Am Sonntag feiert der langjährige Landrat des Kreises Fulda, Fritz Kramer (CDU) seinen 68. Geburtstag. Doch dieser Tag weniger von den Gratulationen und Geburtstagswünschen geprägt, als von der Tatsache, dass Kramer damit nach 33 Jahren sein Amt - und er ist dienstältester Landrat Deutschlands - abgeben muß. Er hat mit 68 Jahren die gesetzliche Altersgrenze erreicht und muss – unfreiwillig – in den Ruhestand gehen. "Ich könnte noch ein paar Jahren machen" sagte er in den letzten Wochen mehrfach ganz ernsthaft, ergibt sich aber angesichts des Unausweichlichen - wenn auch mit einer Portion Trotz - jetzt in sein Schicksal. Sein Nachfolger Bernd Woide (CDU) übernimmt ab Montag das "Ruder". Am heutigen Samstag aber ist erst einmal "großer Abschieds-Bahnhof" im neuen Kultur- und Kongresszentrum "Esperanto". Etwa 400 bis 500 Gäste werden erwartet, ein drei bis vierstündiger Ablauf mit Reden und Überraschungen vorprogrammiert. Hessens Ministerpräsident Koch, viele Politiker und Freunde sind da. Osthessen-News wird aktuell und zeitnah von der Feier berichten.Fritz Kramer, am 5. Februar 1938 in Hindenburg/Oberschlesien geboren, studierte in Mainz Jura und war nach dem Staatsexamen Gerichtsassessor und später Staatsanwalt am Landgericht Wiesbaden. Von 1970 bis ´73 war er im hessischen Landtag CDU-Abgeordneter und wurde im Mai 1973 als erster Landrat des neuen Großkreises Fulda vom Kreistag gewählt. Bei der ersten Direktwahl 1994 bekam Kramer 72,5 und bei der letzten Landratswahl 2000 satte 75.5 Prozent der Wählerstimmen. Kramer stand jahrzehntelang dem CDU-Bezirkverband Osthessen vor und ist Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Fulda. Der passionierte Kunst- und Literaturliebhaber ist verheiratet und hat zwei Töchter. 2003 konnte Fritz Kramer gleich doppelt feiern: 65. Geburtstag und 30-jähriges Amtsjubiläum. Und er bekam die selten vergebene, höchste Auszeichnung des Landes Hessen - die "Freiherr-vom-Stein-Plakette" für hervorragende Verdienste im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung. Gelobt wurde damals nicht nur "hohes Fachwissen" und "große unermüdliche Einsatzfreude" zugunsten des Landkreises und seiner Bevölkerung. Die Landespolitik würdigte auch, dass Kramer zu Beginn seiner Amtszeit nach der Gebietsreform aus den zwei "Altkreisen" Fulda und Hünfeld einen neuen Kreis mit eigenem Identitätsgefühl entwickelt habe.Im Gespräch mit "Osthessen-News" hat der CDU-Politiker und Landrat Fritz Kramer noch einmal viele Stationen und Situationen seiner beruflichen Karriere Revue passieren lassen.

FRAGE: Herr Kramer, Sie können auf 33 Jahre ununterbrochener Funktion als unangefochtener und erfolgreicher Landrat im Kreis Fulda zurückblicken. Welche Ihrer politischen oder Verwaltungs-Entscheidungen würden Sie heute nicht mehr oder ganz anders treffen? Wäre das Missmanagement in der Kurkrise des kleinsten hessischen Privatbads Bad Salzschlirf oder die weit überzogenen und vom Bund der Steuerzahler gerügten Baukosten für das Infozentrum und das Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe vermeidbar gewesen?

ANTWORT: „Weder das eine, noch das andere. Ohne eine Spur von Selbstgerechtigkeit muss ich zu diesen drei Beispielen erklären, dass meine Mitwirkung kein Mitverschulden bedeutet hat. Bad Salzschlirf war das Opfer einer Krise im Gesundheitswesen, die woanders genauso erbarmungslos zugeschlagen hat wie bei uns und in den beiden Fällen der Bauten auf der Wasserkuppe haben Architekten versagt. Ich habe versucht, das zu vermitteln. Das ist nicht gelungen, weil ich politisch dafür verantwortlich gemacht worden bin. Dagegen habe ich mich immer gewehrt. Aber ich wäre vermessen, wenn ich bezogen auf 33 Jahre in der Vergangenheit behaupten wollte, ich hätte keine Fehler gemacht. Im Gegenteil: ich bin glücklich, dass man noch nicht alle entdeckt hat.“

FRAGE: Sie sind mehrfach als ministrabel gehandelt worden. Zuletzt als potentieller Finanzminister im Kabinett von Roland Koch. Als Ablehnungsgrund haben Sie die desolate Haushaltssituation des Landes genannt. Einen politischen Grund habe es auch gegeben. Verraten Sie uns den?

ANTWORT: „Den sage ich Ihnen: Es hat zunächst das Motiv gegeben, das in Ihrer Frage geäußert worden ist. Das Land war schon im Jahre 1999 bis über beide Ohren verschuldet und eine Sanierung der Landesfinanzen halte ich in dieser Generation nicht mehr für machbar. Dass ich das Angebot von Herrn Koch, Finanzminister zu werden, abgelehnt habe, hat aber noch eine zweite Ursache. Zum damaligen Zeitpunkt war der Zusammenbruch von Bad Salzschlirf erfolgt. Er war politisch für mich eine Erfahrung, die mich sehr stark in die Defensive gedrängt hat und ich habe vor diesem Hintergrund für Herrn Koch befürchtet, im Wahlkampf eher eine Belastung als ein Pro zu sein. Deshalb habe ich sein Angebot abgelehnt und ihm das auch so gesagt.“

FRAGE: Nicht nur Ihre für Hessen einmaligen Wahlsiege jenseits der 70 Prozent, sondern auch der bis auf die letzten drei Jahre immer ausgeglichene Kreishaushalt sind Ihr Verdienst. Den Vorwurf, ein Sparbrötchen bis hin zur Knauserigkeit zu sein, werden Sie wohl eher als Kompliment verstehen. Aber trifft es zu, dass jede Menge „Spardosen“ existieren, überzogene Rücklagen gebildet wurden und der Haushalt immer ausufernd eingestellt wurde?

ANTWORT: „Ich will überhaupt nicht verschweigen, dass jeder Kämmerer dazu neigt, die Ausgaben zu hoch und die Einnahmen zu niedrig einzuschätzen. Aus diesem Grunde zwingt der Gesetzgeber einen Kämmerer auch zur Haushaltswahrheit und fast jeder Kämmerer vergeht sich gegen dieses Gebot. Auch ich habe diese Sünde in der Vergangenheit begangen. Seit drei Jahren begehe ich sie nicht mehr. Denn nichts war in der Vergangenheit enttäuschender und böser und schmerzhafter, als nach drei Jahrzehnten dem Kreistag zum ersten Mal und Ende des vergangenen Jahres zum dritten Mal einen Haushalt vorzulegen, der defizitär ist. Ein Kämmerer, der sich damit schmücken und gleichzeitig wissen würde, dass er noch versteckte Töpfe hat, ist ein Fall für die Psychiatrie.“

FRAGE: Das Biosphärenreservat Rhön haben Sie zunächst heftig abgelehnt, schließlich aber doch unterstützt und als Chance für die Region verstanden. Gibt es weitere korrigierte Irrtümer?

ANTWORT: „Es gibt weitere Irrtümer. Ich nenne Ihnen einen: Als ich vor 33 Jahren als scharfer Hund der CDU-Landtagsfraktion in Wiesbaden nach Fulda kam, habe ich fast automatisch in jedem Andersdenkenden einen Gegner gesehen, manchmal sogar einen Feind. Ich betrachte es nicht als Zeichen von Altersweisheit, sondern als Zeichen eines lebensbejahenden Reifeprozesses, dass ich zu der Erkenntnis gekommen bin: die allermeisten, die politisch nicht auf meiner Seite stehen, wollen für den Landkreis und seine Menschen genauso das Beste wie ich. Und dies zu erkennen, zwingt zu einem Verhalten, das dem anderen gegenüber mehr Duldsamkeit und mehr Toleranz bedeutet als in früheren Jahren.“

FRAGE: Ihre Antwort nimmt meine nächste Frage fast vorweg. Ihre Eloquenz und Scharfzüngigkeit ist legendär. Sie haben Oppositionspolitiker im Kreistag zum Teil so heftig attackiert, dass es einer Demontage gleichkam. Bedauern Sie Ihren Hang zum Verbalradikalismus nachträglich?

ANTWORT: „Ich habe eine unendliche Freude an der Sprache, eine unendliche Freude am Diskurs. Wenn – und ich fürchte, diese Annahme trifft zu – die Folge meiner Suada gewesen sein sollte, dass sich Menschen tief verletzt gefühlt haben, bitte ich darum, mir das zu verzeihen. Es tut mir leid, wenn ich eine Blutspur hinterlassen haben sollte.“

FRAGE:: Zum Komplex Dregger – Hohmann: Hätten Sie die Eskapaden Ihres politischen Ziehsohnes Martin Hohmann vorhersehen müssen, den Sie 1997 gegen den erbitterten Widerstand Ihres politischen „Vaters“ Alfred Dregger als CDU-Bundestagskandidaten durchgesetzt haben?

ANTWORT: „Für mich nicht. Und wenn ich es vorhergesehen hätte, hätte ich mich nicht für Martin Hohmann eingesetzt. Für mich war völlig unbegreiflich, dass er alle meine Ratschläge seit November 2003 in den Wind geschlagen hat. Ich habe ihn am Beginn der Affäre gebeten, sich zu entschuldigen und zwar so, dass man ihm die Entschuldigung abnimmt. Ich habe ihn gebeten, auf keinen Fall als unabhängiger Kandidat ins Rennen zu gehen – er hat ja gleichzeitig um seinen Verbleib in der Partei prozessiert – und ich habe ihm nie verziehen, dass er während des Wahlkampfes die Unwahrheit gesagt hat, indem er behauptet hat, sollte er als Unabhängiger siegen, behielten die CDU-Stimmen als Zweitstimmen ihre Gültigkeit. Nein, ich habe das nicht vorausgesehen, und aus diesem Grund bin ich von ihm auch menschlich enttäuscht.“

FRAGE: „Heinrich Heß, der als Leiter des Biosphärenreservats Rhön im April - genau wie Sie ganz und gar unfreiwillig - in Ruhestand gehen muss, hat gesagt, sein nächster Arbeitgeber sei vor allem viel weniger liberal als sein bisheriger. Er sprach von Ihnen als bisherigem und seiner Frau als künftigem. Wie ist das bei Ihnen?

ANTWORT: „Herr Heß muss eine außergewöhnlich positive Erfahrung mit mir als Arbeitgeber gemacht haben. Bisher war ich eher ein Nestflüchtling als ein Ehemann. Ich werde versuchen, der Haushalts-Fron meiner Frau zu entfliehen und ich werde mich Tätigkeiten zuwenden, die mich so auslasten, dass ich auch in Zukunft ebenso müde zu Hause ankomme wie bisher.“Interview: Carla Ihle-Becker +++

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