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- Fotos: Daniel Kister
16.08.06 - Fulda
BILD-Plakate beklebt: "Wahr ist nicht was geschieht, sondern was in BILD steht"
Martin Luther King, Mahatma Gandhi, Albert Einstein, Sigmund Freud und Galileo Galilei - Eines haben sie alle gemeinsam: Seit kurzem zieren Tausende ihrer Abbilder die bundesdeutschen Werbeflächen. Die auflagenstärkste Zeitung Europas, die „Bild“, wirbt mit den Berühmtheiten für sich und „ihren Mut die Wahrheit auszusprechen“. Kritik an Werbung und Selbstdarstellung des Boulevardblattes drücken Unbekannte in Fulda mit aufgeklebten Sprechblasen aus. So heißt es auf einem der fünf unserer Redaktion bekannten medienkritischen Klebetexte ironisch: „Wahr ist natürlich nicht, was geschieht, sondern wie es am nächsten Tag in der Bildzeitung steht.“
Die schwarz-weißen Abbildungen der Freiheitskämpfer und Wissenschaftler sind im oberen Viertel der Plakate auf rotem Grund mit weißer Schrift überschrieben: „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.“ - Mit diesem Slogan startete die Bild am 8. August 2006 ihre neue flächendeckende Werbekampagne. „Auf den bundesweiten City-Light-Postern sind große Persönlichkeiten der Geschichte zu sehen - angefangen von Galileo Galilei, der die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums holte, bis hin zu Martin Luther King, der die gleichen Rechte von Schwarzen und Weißen unvergessen formulierte“, erklärte Tobias Fröhlich, Abteilung für Information und Öffentlichkeitsarbeit der Axel Springer AG. „Der Slogan passt zu Bild: Die Zeitung ist bekannt dafür, unbequeme Wahrheiten täglich an die Öffentlichkeit zu bringen“, berichtete er weiter.
Nicht alle teilen diese Einschätzung. Etwa die Redaktion der Internetseite www.bildblog.de. Sie recherchiert fragwürdige Artikel der Bild-Zeitung nach, deckt Fehler auf und trägt kritische Berichte über „Bild“ zusammen. Auf Nachfrage von Osthessen-News antwortete Bildblog-Herausgeber Christoph Schultheis: „Was die Bild-Kampagne angeht, stellt sich natürlich die Frage, wie verschoben die Selbstwahrnehmung bei Bild eigentlich sein muss, dass man dort ausgerechnet mit der >Wahrheit< hausieren geht. Der Bild-Alltag spricht eine andere Sprache. Aber die Abgebildeten sind ja alle schon zu tot, als dass sie sich wehren könnten, wenn sie wollten. Schön zu sehen allerdings, dass sich mit der Werbekampagne - insbesondere im Internet - ebenso kritisch wie humorvoll auseinandergesetzt wird.“
Auch Bild-Pressesprecher Fröhlich stört die „interessante Auseinandersetzung“ wie er sagte nicht: „Wir sind selbstbewusst; an Bild kann man sich reiben. Die Kampagne sollte bewusst provokant sein.“ Ziel solle es sein, sich mit der Werbung auseinander zusetzen. Das sei besser als sich gar nicht damit zu beschäftigen. In ihrer Grundhaltung allerdings sind sich Bild-Zeitung und ihre Kritiker ganz und gar uneinig. „Bild dir deine Meinung“, werben die einen; „Blog dir deine Meinung“ fordern die anderen.
Nachgefragt, ob er sich Albert Einstein oder andere der dargestellten Persönlichkeiten als Bildzeitungsleser vorstellen kann, antwortete Bild-Pressesprecher Fröhlich: „Also sagen wir mal so, das sind alles Menschen, die kein Blatt vor den Mund genommen haben; es ist also durchaus vorstellbar, dass sie die Bildzeitung lesen würden“.
Kritiker der Zeitung zeigen in Fotomontagen im Internet, wer ihrer Meinung nach als Motiv für die Kampagne eher in Frage käme: Unter gleicher Überschrift („Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht.“) zeigen sie Bilder von Pinocchio, Käpt'n Blaubär und dem auf der Kanonenkugel sitzenden Lügenbaron von Münchenhausen.
Die Polizei Fulda erklärte auf Anfrage zur „Sprechblasenbeklebung“, dass es natürlich verboten sei, fremdes Eigentum zu zerstören. Allerdings handele es sich in den vorliegenden Fällen um einen geringeren Strafcharakter. „Wenn beim Entfernen nichts kaputt geht, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit; diese kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Andernfalls handelt es sich um leichte Sachbeschädigung“, sagte Polizeipressesprecher Martin Schäfer. Ermittelt werde in beiden Fällen aber nur, wenn sich der Eigentümer gestört sehe und einen entsprechenden Antrag einreiche. (Daniel Kister) +++
- Fotomontage BILDblog.de
"Ich behersche nur zwei Wörter: Klatsch & Tratsch", heißt es auf der Sprechblase über dem Bild-Logo.
"Meine Meinung: Es gibt wirklich sehr viele Menschen, die bloß Lesen, damit sie nicht denken dürfen!", sagt Martin Luther King in der aufgeklebten Sprechblase.
"Die Menschheit hat alle bisherigen Katastrophen überstanden. Sie wird auch die BILD überstehen..." - So lautet der Sprechblasentext Mahatma Gandhis
"Ich verstehe nichts von Philosophie und Psychologie - in meinem Fach ist das nicht nötig", unterstellt der Kritiker der Bild.