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Beim 28. Bundestreffen der Leitmeritzer gab es auch einen Führungswechsel: Horst Geppert, der neue Vorsitzende des Heimatkreisverbandes (rechts) überreichte seinem Vorgänger Wilhelm Schöbel ein Abschiedsgeschenk - Fotos: H. Mösinger, A. Hofmann

An der Mauer des Domplatzes aufgereiht: die Kränze der Städte Litomerice und Fulda sowie des Heimatkreisverbandes Leitmeritz

01.09.07 - Fulda

Von Paten zu Partnern: Fulda und Leitmeritz/Litomerice dienen Völkerfreundschaft

Zu ihrem Bundestreffen kamen aus aller Welt ehemalige Einwohner der nordböhmischen Stadt Leitmeritz, die in den Wirren der Nachkriegsereignisse vertrieben wurden, zum 28. Mal in die Patenstadt Fulda, wo diese Treffen im zweijährigen Turnus stattfinden. Bedeutende Programmpunkte der Veranstaltung waren das Totengedenken auf dem Domplatz, die Jahreshauptversammlung des Heimatkreisverbandes Leitmeritz, der Begrüßungsabend in der Orangerie, das Pontifikalamt im Dom sowie ein Empfang des Fuldaer Oberbürgermeisters im Fürstensaal des Stadtschlosses.

Bald nach Kriegsende hatten Stadt und Landkreis Fulda eine Patenschaft für die vertriebenen Leitmeritzer übernommen, da mehrere Vertreibungszüge aus der Stadt an der Elbe in den osthessischen Raum geleitet worden waren. Bis zur großen politischen Wende hatte es kaum Kontakte in die alte Heimatstadt gegeben, was sich allerdings danach schlagartig änderte, da auch die neue politische Führung im nunmehrigen Litomerice an Kontakten zu den ehemaligen Bewohnern ihrer Stadt und zu der Patenstadt Fulda interessiert war.

Trotz der - historisch begründeten - schwierigen Situation kam es im Jahre 2001 zu einem bemerkenswerten Ereignis: die beiden Städte Litomerice und Fulda erklärten sich bereit, eine Städtepartnerschaft einzugehen, die der Aufarbeitung, der Versöhnung und der Verständigung dienen sollte. Deswegen nahmen am diesjährigen Bundestreffen auch wieder Oberbürgermeister Mg. Ladislav Chlupac, der emeritierte Bischof Dr. Josef Koukl mit Generalvikar Karel Havelka, sowie das frühere Mitglied der von den Präsidenten Havel und von Weizsäcker begründeten deutsch-tschechischen Historikerkommission Prof. Dr. Jaroslav Macek, alle aus Litomerice/Leitmeritz, an den Fuldaer Begegnungstagen teil.

Beim traditionellen Totengedenken an der Gedenktafel, die für die Opfer der Vertreibung aus Leitmeritz an der Domplatzmauer angebracht ist, sprach der Fuldaer Lehrer Alois Hofmann, der schon in den achtziger Jahren mit verschiedenen Schulklassen im Rahmen des Hessischen Schülerwettbewerbs „Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn“ die nordböhmische Bischofsstadt besucht und erste Kontakte besonders zur damals unterdrückten Kirche geknüpft hatte. Hofmann stellte in seiner Ansprache historisch belegte Beispiele von Einzelschicksalen aus Leitmeritz und Umgebung vor, verwies darauf, dass aus dem großen, von Deutschen verursachten tschechischen Trauma Theresienstadt (nur 3 Kilometer von Leitmeritz entfernt) nach 1945 ein Lager für viele unschuldige Deutsche wurde, und stellte moderne psychologische Untersuchungen über die Spätfolgen von Flucht und Vertreibung bis in die Folgegenerationen hinein vor. Als notwendige Konsequenz forderte der Redner ein "noch mehr Miteinandersprechen", den Ausbau der Partnerschaft und besonders die Begegung von jungen Menschen aus beiden Ländern.

Was im Verhältnis von Frankreich und Deutschland - beide Länder hätten im Vergleich zu Deutschland und Tschechien in den letzten 150 Jahren weitaus mehr Menschenopfer in Kriegen zu beklagen - möglich geworden sei, müsse in der Zukunft auch für Deutschland und Tschechien erreichbar sein. Dass neben den Kränzen des Heimatkreisverbandes Leitmeritz und der Patenstadt Fulda an der Domplatzmauer nunmehr schon zum zweiten Mal auch ein Kranz der tschechischen Partnerstadt Litomerice für die Vertreibungsopfer durch Oberbürgermeister Chlupac niedergelegt wurde, ist sicher äußerst bemerkenswert und dürfte deutschland- und tschechienweit sicher eine politische Besonderheit sein.

In der Jahreshauptversammlung des Heimatkreisverbandes der vertriebenen Leitmeritzer, der seinen zentralen Sitz in Fulda hat, trat der langjährige Vorsitzende Wilhelm Schöbel aus Altersgründen nicht mehr zur Neuwahl an. Zum Nachfolger wurde der in Dreieich bei Offenbach ansässige Unternehmer Horst Geppert gewählt, der sich bei Wilhelm Schöbel, in dessen Amtzeit auch die Entwicklung der Städtepartnerschaft von Seiten des Heimatkreisverbandes mitgetragen und gefördert wurde, für 18 Jahre intensives Wirken und Arbeiten an der Spitze des Verbandes bedankte. Beim Begegnungsabend in der Orangerie, der musikalisch von der Sängervereinigung Petersberg und von Veronika Hillenbrand mit Lesungen über Nordböhmen begleitet wurde, überbrachten Stadtrat Reinhold Schäfer und Kreisbeigeordnete Ulla Döppner die Grüße der kommunalen Gremien. Der neue Vorsitzende Horst Geppert teilte in seiner Ansprache mit, dass ein Schwerpunkt der künftigen Arbeit in Museum und Archiv in der Fuldaer Schlossstraße in der Digitalisierung der Bestände liegen werde.

Das Pontifikalamt im Fuldaer Dom - musikalisch gestaltet von den Männerchören der „Gemütlichkeit“ Fulda-Horas und Hünfeld - wurde gemeinsam zelebriert vom emeritierten Leitmeritzer Bischof Dr. Josef Koukl, vom Fuldaer Weihbischof em. Johannes Kapp - beide hatten erst vor wenigen Wochen einen denkwürdigen deutsch-tschechischen Gottesdienst im Dom von Leitmeritz gehalten (osthessennews berichtete darüber) -, vom Leitmeritzer Generalvikar Karel Havelka, sowie von einigen weiteren Priestern, die aus dem Sudetenland stammen.

Beim Empfang der Stadt Fulda im Fürstensaal des Stadtschlosses betonte Oberbürgermeister Gerhard Möller den besonders bemerkenswerten Tatbestand, dass aus der Patenschaft über die vertriebenen Leitmeritzer heute auch eine offizielle Städtepartnerschaft zwischen Fulda und Litomerice geworden sei. Dies eröffne zahlreiche Möglichkeiten für menschliche Begegnungen, und dies sei wiederum wichtig für die Beziehungen beider Nachbarländer im Hinblick auf die politische Entwicklung in einem gemeinsamen Europa. Gerhard Möller würdigte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit des Städtepartnerschaftsvereins „Freundeskreis Fulda – Leitmeritz/Litomerice e. V.“ und begrüßte besonders dessen 1. Vorsitzenden Jost Ernst Köhler. Namens der Stadt Fulda dankte Oberbürgermeister Möller nochmals dem scheidenden Heimatkreisverbandsvorsitzenden Wilhelm Schöbel und überreichte ihm eine gerahmte Collage.

Mit Begegnungen und Gesprächen an den - mit ehemaligen Ortsnamen aus dem alten Kreis Leitmeritz ausgeschilderten - Tischen im großen Saal der Orangerie endete das 28. Bundestreffen des Heimatkreisverbandes Leitmeritz in Fulda. +++


Die Vertreter der Städte Litomerice und Fulda - Oberbürgermeister Ladislav Chlupac und Stadtrat Reinhold Schäfer - bei der Kranzniederlegung am Domplatz

Alois Hofmann bei seiner Gedenkrede für die Opfer der Vertreibung aus Leitmeritz


Bischof em. Dr. Josef Koukl aus Leitmeritz am Bischofsthron des Fulkaer Domes während des Pontifikalamtes

Bischof Koukl hielt auch die Predigt


Deutsch-Tschechische Konzelebration am Hauptaltar des Domes zu Fulda

Gemeinsam zogen die geistlichen Würdenträger nach dem festlichen Amt aus dem Dom


Oberbürgermeister Gerhard Möller (links) begrüßte den neuen Vorsitzenden des Heimatkreisverbandes Horst Geppert beim Empfang der Stadt Fulda

Der langjährige Heimatkreisvorsitzende Wilhelm Schöbel (links) und Fuldas Weihbischof em. Johannes Kapp


Der Leitmeritzer Oberbürgermeister Mg. Ladislav Chlupac mit seiner Frau war ein besonderer Gast des Empfangs

Das Engagement des Heimatkreises Leitmeritz und des Städtepartnerschaftsvereins "Freundeskreis Fulda - Leitmeritz/Litomerice" würdigte OB Möller als herausragende Leistung für Versöhnung und Völkerverständigung


Zum Gruppenbild stellten sich (v. links) Weihbischof Kapp, Oberbürgermeister Möller, Bischof Koukl, Horst Geppert und Wilhelm Schöbel im Fürstensaal

Symbol der Versöhnung: Bischof Koukl betrachtet die ehemaligen Bewohner von Leitmeritz auch heute noch als "Angehörige seines Bistums"

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