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Stehender Festzug setzt Glanzlicht bei 1200-Jahr-Feier in Sterbfritz
29.06.15 - Mit einem stehenden Festzug hat Sterbfritz altes Handwerk und ländliches Leben hochleben lassen. Tausende aus Nah und Fern erlebten am vergangenen Sonntag anlässlich der 1200-Jahr-Feier Schmied, Seiler, Weber oder Spengler bei der Arbeit und bekamen einen Einblick in das frühere Leben auf dem Dorf. Landrat Erich Pipa betonte bei der Eröffnung: „Wer sich zur Geschichte bekennt, kann für die Zukunft gute Entscheidungen treffen.“ Es gebe nicht so viele Ortschaften im Main-Kinzig-Kreis, die auf eine so lange Geschichte zurückblicken könnten. Karl, der Große, sei gerade mal ein Jahr verstorben, als Sterbfritz erstmals urkundlich erwähnt worden sei.
„So ein Jubiläumsfest ist ein guter Anlass für einen festen optimistischen Blick in die Zukunft.“ CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber wies darauf hin, dass die 1200-Jahr-Feier Gelegenheit gebe, Rückschau zu halten und sich mit den thüringischen Freunden aus der Partnergemeinde Stepfershausen darüber freuen, dass Deutschland wiedervereint sei. In Sterbfritz hätten viele Menschen eine neue Heimat gefunden. Die Jagdhornbläser und die Altengronauer Böllerschützen gaben den Startschuss zu einer interessanten Reise in die Vergangenheit von Starcfrideshuson oder Starbetz on de Kinz. Der Quellort der Kinzig ist zugleich der Ursprung des Kinzigtals. Insgesamt 35 Stände widmeten sich der langen Geschichte auf unterschiedliche Art und Weise.
Die Schlepperfreunde Sinntal zeigten die Arbeit auf dem Feld mit Mähdrescher und Transmission auf dem Gehöft von Wilhelmine Klein. Hier war auch die Spinnstube untergebracht. Ein weiterer Blickfang war der Nachbau des alten Sängerheims. Heiß her ging es bei der Schmiedevorführung von Karl-Heinz Roth. Einen Auftritt des Schmiedechors gab es zusätzlich. Die ältesten Sterbfritzer Betriebe, die Schreinerei Hohmann und der Spenglerbetrieb Heil, gaben einen Einblick in die Arbeiten vor gut 200 Jahren. Da griffen Generalsekretär und Landrat bei Schreinermeister Harald Hohmann zum Hobel. Gießkannen, Eimer und Mehlsieb selber fertigen, dafür war das Spenglerhandwerk früher zuständig, erklärte Sigrid Heil, deren Spenglerbetrieb der zweitälteste in Sterbfritz ist. „Ich habe das Seilmachen von meinem Opa gelernt“, berichtete Seiler Heiko Stoll. „Heute gibt es Kunststoff-Seile für einen Apfel und ein Ei.“
Die einzige Ziege im Dorf
Der Hof Dienese hat sich richtig rausgeputzt. Die Scheune schmückte ein altes Bauernwohn- und Esszimmer. „Wir hatten früher drei Kühe und eine weiße Ziege, die war die einzige im Dorf. Die ist immer mit rausgegangen“, erinnerte sich Karl Schneider. Im Backhaus hatten die Maienscheins 150 Bauernbrote gebacken und Waltraut Blum und Claudia Merx jede Menge Hefekuchen für den Stand der Feuerwehr. Die präsentierte alte Fahrzeuge wie den Chevrolet Fire-Truck mit Anhängeleiter.
Nicht fehlen durfte die Sterbfritz-Legende. Wer nicht weiß, wie der Ort Strebfritz zu seinem Namen gekommen ist, erfuhr es von Willi Merx. „Als die Höhe an der Kinzigquelle erreicht war, stürzte das völlig ausgepumpte Pferd zu Boden. Vor Schmerzen zuckend, lag es in den letzten Zügen. Hilflos musste der raue Krieger mit ansehen, wie sich die Not seines treuen Tieres mehrte. Da beugte er sich voll erbarmenden Mitleids zu ihm nieder. Abschiednehmend streichelte noch einmal seine Hand den noch immer edlen Kopf des Pferdes, und mit bewegter Stimme flüsterte er: „Sterb, Fritz! Dann hast du endlich deine Ruh!“.
Für Musik, Gesang und Tanz sorgte der Musikverein Liederkranz Sterbfritz, der Männerchor Stepfershausen, die Musikvereine Neuengronau, Oberzell und Weiperz und die Kapelle Belcantos. Die Trachtengruppe Stepfershausen begeisterte mit einem Volkstanz. Den ökomenischen Gottesdienst gestalteten der Posaunenchor, der Gesangverein und der evangelische Kirchenchor.
Platt zur „Zwelefhonnert Joahrfeier“
Das Festwochenende eröffnete die Kultgruppe Rio am Freitagabend. 300 Gäste feierten mit. Beim Heimatabend am Samstag hatten auswärtige Gäste schlechte Karten, wenn sie Starbetzer Platt nicht verstanden. Da unterhielten sich Kleinhense König (Elsbeth Tehlar) mit Hoarjes Kohn (Dirk Ebenhöch). Das klang so: „Es önnerhalle sich dswaa Kussengs, aale Starwetzer, oanner lebte im Hof, de anner henne in de Ecke, alle dswaa 1955 versturwe.“ Also zwei Sterbfritzer, die 1955 verstorben sind, haben sich unterhalten. Und der Rest der Welt hat davon nichts erfahren. „Kannsde dich noch erinner, bie Starwetz eleffhonnertjoar wuurd, doa hadde merr erschde Weltkriech.“ Ja, die 1.100-Feier fiel wegen des Beginns des Ersten Weltkrieges aus.
Ein weiteres Glanzlicht war die historische Schulstunde mit Lehrerin Fräulein Berger (Anneli Simon) und der Schul-Theatergruppe. Wenn das Fräulein zu Unterrichtsbeginn überprüft, ob die Fingernägel sauber sind, wild mit dem Stock herumfuchtelt und den ein oder anderen zur Strafe an die Wand stellt, hat sich so mancher an seine eigene Schulzeit erinnert. ,Die Sängerinnen Lisbeth Hartmann und Gunde Lohmann stritten sich darüber, wer am besten singen könne. Die Sterbfritzer wussten beim Vorsingen gar schräge Töne mit Applaus zu würdigen.
Da hatte es die Turnertruppe des Turnvereins leichter. Nach dem Vorbild von Turnvater Jahn präsentierten die Männer Körperertüchtigung anno 1850 mit leichtem Hang zur Comedy. Volkstänze des TV Sterbfritz rundeten den kurzweiligen Heimatabend ab, ehe die Faschingssingers das „Sterbfritzer Lied“ anstimmten. Die Nachtruhe dauerte allerdings nicht so lang. Denn der Weckruf des Fanfarenzugs des TV Sterbfritz am Sonntagmorgen um 6 Uhr war nur schlecht zu überhören. (Dietmar Kelkel)+++