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"Spätestens beim Bier wird der Rhöner religiös"
27.10.15 - in jedem Fall drehte sich im Unterweißenbrunner Sportheim für einige Stunden alles um das würzige Gebräu – allerdings ausschließlich aus Rhöner Sudpfannen. Dass es hiervon einige gibt, weiß der Rhöner schon, dass auch die Vielfalt gegeben ist, wurde manch einem erst bei dieser Bierprobe so richtig bewusst. Ende 2013 wurde die Initiative „Wir sind Rhöner Bier!“ von der Tourismus GmbH Bayerische Rhön und dem Lankreis Rhön-Grabfeld ins Leben gerufen. Hier haben sich zehn Brauereien, eine Mälzerei und zwei Landwirte zusammengeschlossen, um regionale Bierkultur zu fördern. Zehn unterschiedliche Produkte aus diesen Brauereien standen im Mittelpunkt des Abends. Der Geschäftsführer der Tourismus GmbH Michal Pfaff war genau der Richtige, um den 80 Gästen der Bierprobe etwas über das regionale Bier zu erzählen.
80.000 Hektoliter regionale Biere im Landkreis Rhön-Grabfeld
Interessant war es zu hören, dass die zehn Brauereien zusammen jährlich 80.000 Hektoliter Bier brauen. Würde man den Pro-Kopf-Verbrauch Deutschlands von durchschnittlich 100 Litern auf den Landkreis übertragen, so gäbe es für jeden der 80.000 Einwohner also einen Hektoliter Bier aus regionaler Produktion. Doch das bräuchte es nicht, um die heimischen Brauer glücklich zu machen, wie Hubertus Hartwig, Braumeister der Burgwallbacher Liesbachbräu erklärte. „Würden nur 30 Prozent weniger Industriebiere getrunken, wären alle heimischen Brauereien zufrieden“. Der ebenfalls anwesende Braumeister der Karmeliterbräu aus Salz Florian Johannes stimmt ihm zu.
Als Industriebiere werden jene Produkte bezeichnet, die in großem Stile und immer gleichem Geschmack und langer Haltbarkeit hergestellt werden. Der Haltbarkeit wird meist der gute, individuelle Geschmack geopfert, denn diese erreicht man durch starkes Ausfiltern der Schwebteile, mit denen dann auch der Geschmack schwindet. Michael Pfaff erklärte, dass die heimische Bierherstellung nicht nur ein vorbildliches Projekt in Sachen Regionalität sei, sondern auch in Bezug auf die Herstellung. Der Anbau von Braugerste benötige nur wenig Dünger und sei somit gut für das Trinkwasser. Unterfranken sei eine wichtige Region für den Braugerstenanbau.
Rhöner Malz und viele Geschichten
Die Rhöner Brauereien erhalten ihr Malz von der Rhön Malz GmbH aus Mellrichstadt, die auch europaweit Brauereien beliefert. Michael Pfaff hat zu jeder Brauerei viel Hintergrundwissen gesammelt, zum Beispiel dass die Rother Bräu mit 35 Mitarbeitern die größte Brauerei im Landkreis und ein Vorreiter in Sachen Ökobier ist. Die Brauerei Streck aus Ostheim ist mit der Gründung im Jahre 1718 die älteste Familienbrauerei des Landkreises, die sich seit mittlerweile zehn Generationen im Familienbesitz befindet und schon sehr früh auf Regionalität gesetzt hat.
Das Brauhaus Niederlauer produziert jährlich fünfmal 80 Hektoliter seines „Urstoffes“ und damit eine seltene Spezialität. Das Oberstreuer Brauhaus ist noch in kommunaler Hand und die Ostheimer Bürgerbräu produziert das Bier mit dem besten ökologischen Fußabdruck, nicht nur wegen der regionalen Zutaten, sondern auch aufgrund der kürzesten Wege zum Verbraucher. Von der relativ jungen Brauerei Pax in Oberelsbach berichtet Pfaff von Versuchen, Bier nach alten Verfahren herzustellen. Früher war es nicht so einfach, große Bottiche mit Biersud zu erhitzen, so erhitzte man stattdessen Basaltblöcke, die man dann in den Sud gab. Mit diesem Verfahren, bei dem beim Eintauchen des heißen Steines sehr viel Flüssigkeit verdampft, entstand das Basaltbier der Paxbräu. Michael Pfaff lud die Zuhörer ein, sich geschmacklich auf die Reise zu begeben und auch einmal Exotisches zu probieren.
Beschreibungen vom Biersommelier
Zu jedem Bier hatte Manuela Michel, Leiterin des Landkreisprojektes „Vom Halm zum Krug“, zu dem die Initiative „Wir sind Rhöner Bier!“ gehört, eine kurze Beschreibung des Biersommeliers Andreas Seufert (Pax Bräu, Oberelsbach) parat, die auf die einzelnen Biere neugierig machte. Allein schon die Farbbeschreibung der Biere, angefangen von leicht opal über bernsteinfarben, golden, kräftiges Orange oder ebenholzschwarz stimmten auf den Geschmack ein. Zur Sensorik fallen Stichworte wie fruchtig-bananig mit Noten von grünen Äpfeln (Karmeliter Bockbier) oder weicher Antrunk in einem Körper mit harmonischen Röstaromen von Kaffee und Bitterschokolade und schmeichelnden Karamellaromen (Kupferbier, Lang). Die angenehm-blumige Süße mit weicher Hanfigkeit (Vollbier Bürgerbräu, Ostheim) und das feine Hopfenaroma der Liesbachbräu sind für den gemeinen Biertrinker eher nachvollziehbar.
Die junge Brauerei Liesbachbräu braute im dritten Jahr ihres Bestehens insgesamt 120 Hektoliter, wird jedoch zum Jahresende schließen, wie bereits in den Medien berichtet. Manche Teilnehmer der Bierprobe haben an diesem Abend zum ersten Mal von dem Bier gekostet und bedauerten das. Die Liesbachbräu und das Klosterbier vom Kreuzberg sind übrigens die einzigen, die nur im Fass abgefüllt werden, alle anderen Biere sind in der Flasche erhältlich.
Kleine Gläser für großen Geschmack
Kredenzt wurden die Biere – aus der Sicht eines Biertrinkers – in relativ kleinen Gläsern von 0,1 Litern. Zum einen kam es nicht auf die Masse sondern auf die Qualität an, zum anderen sollten die Teilnehmer auch beim letzten Brauereierzeugnis noch in der Lage sein, dessen Vorzüge zu erschmecken. Für die richtige Grundlage der Bierprobe sorgte eine deftige Brotzeit mit Brot-, Wurst- und Käseerzeugnissen von ebenfalls regionalen Produzenten, die unter der Dachmarke Rhön organisiert sind. Lieferant hierfür war der Fachmarkt Werner aus Bischofsheim. Bruno Werner fährt selbst bei den Metzgereien und der Käserei vorbei, um seine Ware einzukaufen. Kurze Wege sind auch hier gesichert.
Mit dem Liesbach hell startete die Bierprobe und mit jedem verkosteten Glas wurde das Bier dunkler. Auch die Stimmung stieg mit jedem Gläschen, wobei die Gäste des Sportheims schon anfangs gut gelaunt waren. Zwischen den Kostproben zeigten Manuela Michel und Michael Pfaff den Imagefilm der Initiative und die Siegerfilme des Filmwettbewerbes „Wir sind Rhöner Bier!“, der im letzten Jahr ausgeschrieben wurde. Einige der Filmemacher und Darsteller hatten den Weg nach Unterweißenbrunn gefunden, so die Gruppe aus Burglauer, die in der Kategorie „beste Filmmusik“ gewonnen hatte und ein Teil der Kreuzbergritter, deren Beitrag im Bereich „Sport“ siegte. Nach der fünften Verkostung diskutierten die Gäste bereits angeregt über die verschiedenen Biere und als das letzte Bier auf den Tisch kam, stimmten sie spontan das „Kreuzberglied“ an und schunkelten.
Der Gipfel des Rhöner Bierglückes folgte zum Schluss
„Das Kreuzbergbier ist mit immer noch das liebste“, stellte Michael Werner aus Unterweißenbrunn fest. Jedoch die Probe, die an diesem Abend ausgeschenkt wurde, hatte bisher außer den Braumeistern noch niemand kosten können. Es handelte sich um den Weihnachtsbock, der erst in vier Wochen fertig ausgereift ist und den traditionell die Teilnehmer der Exerzitientage des Klosters als erste kosten dürfen. Diesmal gab es also eine Ausnahme und die Teilnehmer des Probierabends durften ein kräftiges, noch süßes Bier kosten. Wenn es Ende November ausgereift ist, hat es einen etwas höheren Alkoholgehalt und schmeckt weniger süß. So kommentierte Michael Pfaff dieses Bier mit den Worten: „Spätestens bei dem Bier wird der Rhöner religiös“! (ara)+++