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Lässt die Karte eigentlich lieber stecken: Otto Fischer pflegt seinen eigenen Stil als Schiedsrichter und setzt auf Kommunikation - Fotos (3): Tobias Herrling

FUSSBALL Hansdampf in allen Gassen

Otto FISCHER: In Arbeitshose und Gummistiefel zum Schiedsrichter

03.05.16 - Es ist Sommer 1972. Nach getaner Arbeit beschließt Otto Fischer zum Fußball zu gehen. So, wie er es sonst immer tut. Noch in Arbeitshose und Gummistiefel schaut er sich den Nachwuchs seiner SG Johannesberg an. Dass dieser Tag sein sportliches Leben verändern sollte, ahnt Fischer noch nicht. „Otto, du musst pfeifen“, heißt es plötzlich – es ist der Anfang einer Leidenschaft, die Otto Fischer weit über den Kreis Fulda hinaus bekannt macht.

Denn der heute 72-Jährige hat Gefallen am Schiedsrichter-Dasein gefunden und bleibt am Ball beziehungsweise an der Pfeife. „Da lege ich jede Menge Herzblut hinein“, sagt Fischer als ON|Sport ihn in seinem Haus im Fuldaer Ortsteil Harmerz besucht. Im Wohnzimmer hat er bereits alles sauber angerichtet: jede Menge Wimpel, Ehrenmedaillen, zahlreiche Spielprotokolle und eine Autogrammkarte von Andreas Köpke – als hätte er geahnt, dass der Reporter, der ihn besucht, bekennender Anhänger des 1.FC Nürnberg ist. Das Eis ist schnell gebrochen. Aber das wäre es wohl auch so, denn Otto Fischer ist redselig, umgänglich und hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen.

Wimpel und Ehrenmedaillen: Otto Fischer kam in seiner Karriere viel herum ... ...

... und wurde für sein Engagement von der Stadt Fulda geehrt

Mit viel Herzblut ist Fischer vor allem im Jugendbereich dabei ... Fotos (5): Privat

Diese Umgänglichkeit dürfte ein wesentlicher Grund gewesen sein, weshalb Fischer ein gern gesehener Gast auf den Sportplätzen war. Und das kommt als Schiedsrichter nun wahrlich selten vor. „Das Auftreten und das Äußere muss stimmen. Und man darf nicht voreingenommen sein“, sagt Fischer, der sein Geld als Handwerker verdiente. „Wenn es einer übertrieben hat, bin ich erst einmal zum Trainer hin. ‚Entweder nimmst Du ihn runter oder ich mache das – und das wird peinlich‘“, hat Fischer eine Anekdote parat. Denn vom voreiligen Kartenziehen halte Fischer wenig, er habe immer das Gespräch mit den Spielern gesucht. „Nee, die rote Karte nehmen wir nicht, die mag ich nicht. Die gelbe reicht“, sagt Fischer etwa als es um ein passendes Titelbild geht – und beschreibt damit ganz gut seinen Stil als Unparteiischer.

... noch heute pfeift er Spiele des Nachwuchses

„Mir ging es immer darum, ein Vertrauen aufzubauen und Fingerspitzengefühl zu zeigen“, sagt Fischer über seine Rolle als Unparteiischer, in der man auch immer ein Stück weit Pädagoge sein müsse. Gerade im Jugendbereich, in dem Fischer heute noch pfeift, sei das enorm wichtig. „Wenn die Kleinen mal etwas falsch machen, lasse ich weiter laufen und sagen ihnen zum Beispiel: 'Das nächste Mal führst du den Einwurf aber richtig aus.'“, so der 72-Jährige, der die Pfeiferei auch als Erziehungsmaßnahme sieht. Und seine Art, ein Spiel auch gerne mal humorvoll zu leiten komme an. „Die Kinder hängen manchmal wie eine Klette an mir und wollen eine Limo“, sagt Fischer mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Denn der Spaß und das Zwischenmenschliche, so Fischer, das stünde an erster Stelle. Wie schwierig es ist, für Nachwuchs in der Schiedsrichter-Gilde zu finden, hat Otto Fischer selbst erlebt. Um künftige Unparteiische zum Pfeifen zu begeistern, habe er unter Interessierten einst einen signierten Ball der Fußball-Weltmeister von 1974 verlost. „Der war dann ein, zwei Jahre da und ist wieder gegangen“, sagt Fischer.

Ein Fußtritt als negativer Höhepunkt

Seine besten Zeiten hatte der Ur-Johannesberger in den 80er Jahren. Als offizieller Schiedsrichter durfte er bis Bezirksliga pfeifen, als Linienrichter wurde er auch in der Landesliga eingesetzt. „Das hatte ich vor allem Edgar Krause und Roland Breuning zu verdanken. Die beiden haben mich immer unterstützt und waren meine Mentoren“, weiß Fischer, bei wem er sich zu bedanken hat. In dieser Zeit war der 72-Jährige, der seit 60 Jahren Mitglied bei der SG Johannesberg ist, in ganz Hessen unterwegs und hatte dank einer Abmachung regelmäßig einen Fahrer mit dabei. „Mit Emil Witzel (einem Metzger aus Harmerz, Anm. d. Red.) hatte ich die Vereinbarung, dass er mich nach jedem Aufstieg zu den Spielen fährt“, erzählt Fischer, der sich bei diesen Fahrten auch stets über hopfenhaltigen Proviant freuen durfte.

Ein Bild aus seiner Zeit bei den Senioren: Fischer hat alles im Blick

Weltmeisterlicher Besuch: Otto Fischer mit Wolfgang Overath (links)

Als Höhepunkte seiner Karriere nennt Otto Fischer aber die Eisenbahner-Turniere im österreichischen Zams (Tirol), bei denen er insgesamt vier Mal teilnahm – als einziger deutscher. „Ich wurde angesprochen, ob ich mich nicht dafür bewerben möchte. Also habe ich das gemacht und bin genommen worden“, erinnert sich Fischer an seine Auftritte im Ausland. Besonders in Erinnerung blieb ihm aber auch ein Jugendspiel, bei dem er mit seinen Enkelkindern an der Hand auf das Feld ging. „Die Zuschauer haben geklatscht, das hat mich stolz gemacht wird“, sagt Fischer. Er habe aber auch die negativen Seiten der Schiedsrichterei erlebt, denn bei einem Spiel wurde tätlich angegriffen. „Das war beim Spiel Hainzell gegen Sickels, bei dem es um die Meisterschaft ging. Ein Zuschauer stand an der Bande, wurde ausfällig und hat mich getreten“, sagt Fischer, „aber das war eine Lehre für mich. Mir hatte damals die Routine gefehlt.“ In all den Jahren sei das die negativste Erfahrung gewesen. Größere Zwischenfälle, die über die üblichen Sportplatz-Parolen hinausgehen, hätte er nie zu überstehen gehabt.

Otto Fischer beim Derby zwischen Johannesberg und Bronnzell vor wenigen Wochen ...Foto: Carina Jirsch

Zwischendurch, von 1987 bis 1992, versuchte sich Fischer auch als Trainer. Heute pfeift er „nur“ noch den Nachwuchs und gibt sein Wissen und seine Erfahrung an künftige Schiedsrichter weiter. „Er ist ein Hansdampf in allen Gassen“, sagt seine Frau Elfriede, mit der er fünf Kinder hat. Denn neben seiner Tätigkeit für die SG Johannesberg packt Otto Fischer immer wieder in den Häusern seiner Kinder an, wenn Hilfe benötigt wird. Da schlüpft er dann wieder in seine Arbeitshose und Gummistiefel. So wie im Sommer 1972, als er den Weg zum Schiedsrichter fand. (Tobias Herrling) +++


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