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Hart am Limit mit 50 Kubikzentimetern: 8-Jähriger zeigt's den Großen
26.05.17 - Wenn auf dem ADAC-Verkehrsübungsplatz in Dietershausen die Großen ihre Enduros ausfahren, stiehlt der 8-jährige Valentino Herrlich aus Langenbieber auf seinem winzigen Pocket Bike allen die Schau. Beim ADAC Pocket Bike Cup hat er gute Chancen, deutscher Meister zu werden.
Was im Kofferraum des Minivans steht, erinnert auf den ersten Blick eher an ein Spielzeug als an ein Motorrad: Einen Meter lang, Zweitaktmotor, der mit Ölgemisch betrieben wird, acht Pferdestärken, gedrosselt auf 3,8. Doch was Valentino Herrlich damit auf den Asphalt bringt, ist aufregend wie ein Grand Prix: Mit 80 Stundenkilometern röhrt er auf der langen Geraden, legt sich in die Kurve, dass die Knieschoner schleifen und überholt routiniert die großen Maschinen. Nach fünfzehn Minuten knattern die Karts über die Strecke, Zeit für eine Manöverkritik mit Vater Marco Herrlich: Die Kurve musst du von innen nehmen, das Knie muss mehr raus, den Windschatten musst du konsequenter nutzen. Valentino nickt: Seit sechs Monaten trainiert er auf dem winzigen Motorrad, jeder ausgemerzte Fehler bringt Sekundenbruchteile und später vielleicht das Siegertreppchen.
„Viele Motorrad-Profis haben ihre Karriere auf dem Pocket Bike begonnen, so wie Kartfahren für Rennfahrer eine gute Vorbereitung für die größeren Dimensionen der Rennboliden ist. Valentino hat vorher bereits im Mountain-Bike-Club MTB Bieberstein-Langenbieber gefahren, Koordination und Gleichgewichtssinn sind verbessert – aber um zu den Besten zu gehören, braucht es professionelles Training“, erklärt Herrlich. Die Szene in Deutschland ist klein, das Mekka liegt am Sachsenring: Beim AMC Sachsenring geben Profis wie Steve Jenkner den jungen Talenten den benötigten Feinschliff – und die Karriere beginnt früh: „Valentino ist jetzt acht Jahre alt – manche seiner Konkurrenten dagegen erst sechs. Die kleinen Maschinen wiegen nur wenig mehr als zwanzig Kilo, da zählt jedes Gramm für den Sieg. In der Pocket-Bike-Klasse darf nur bis zum vollendeten neunten Lebensjahr gefahren werden, danach geht es schon auf die größeren Mini Bikes“, erklärt Herrlich, der wie Sohn Valentino durch Motorrad-WMs am Fernsehen angefixt wurde.
Auf der Website des ADAC fanden Herrlichs die Termine fürs Sichtungs-Training, dann ging alles ganz schnell: „Nach den ersten Runden war klar: Valentino hat Talent, inzwischen wird seine Maschine vom ADAC Hessen-Thüringen gestellt. Das Motorrad selbst kostet rund 3.000 Euro, mit Ersatzteilen ist man aber schnell bei 10.000 Euro. Der Sport hat in Deutschland leider keine Lobby – in Italien dagegen ist die Szene groß, auch das Sponsoring dort macht eine Karriere überhaupt erst möglich“, erklärt Herrlich, der sechs Monate lang jedes Wochenende mit Valentino an den Sachsenring gefahren ist, um Anfängerfehler auszumerzen und an der Technik zu feilen. Schon hat sich der erste Erfolg eingestellt: Beim Auftakt des ADAC Pocket Bike Cup in Wittgenborn bei Wächtersbach am vergangenen Samstag konnte Herrlich den zweiten Platz erringen, bis zum Finale in Oschersleben sind es noch sieben Rennen und vier Monate: „Auf der großen Strecke trennt sich die Spreu vom Weizen – nur wer seine Maschine perfekt beherrscht und auch die Fehler der anderen zu nutzen weiß, kann Meister werden“, erklärt Herrlich. (Marius Auth) +++