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Dylan zieht die Massen: Ausstellungseröffnung als gesellschaftliches Ereignis
29.04.18 - So voll hat man das Fuldaer Vonderaumuseum schon sehr lange nicht mehr erlebt. Bei der Eröffnung der Bob-Dylan-Ausstellung „I’m not there - Lieder werden Leinwand“ platzte die Kapelle am Freitag aus allen Nähten. Der Titel, ins Deutsche übersetzt mit „Ich bin nicht da“, ist freilich irreführend. Denn der Rockpoet und Nobelpreisträger von 2016 war an diesem Abend omnipräsent: durch seine Musik, in den ausgestellten Kunstwerken und - vor allem auch dies - in den Herzen und Hirnen des Publikums, das zu 99 Prozent über 40 und weit drüber war und in dem sich auch viel Lokalprominenz wiederfand. Man ist halt mit Bob Dylan (76) groß geworden.
Die Vernissage begann standesgemäß mit Musik. Die großartige Fuldaer „Song & Danceman Band“, die ausschließlich Dylan-Songs im Repertoire hat, spielte rau und ungeschliffen Nummern wie „One more cup of coffee“ oder „I remember you“. Ein fürs Vonderaumuseum ungewöhnlicher Vernissage-Auftakt, was Kulturamtsleiter Dr. Thomas Heiler später am Abend mit Blick zum Decken-Fresko zu der Bemerkung veranlasste: „Der Heilige Franz Xaver hat zwar am Anfang eher kritisch herabgeschaut, aber ich denke, er ist jetzt ganz zufrieden.“ Bandleader der „Song & Danceman Band“ ist der geschätzte Kollege Hermann Diel vom Hessischen Rundfunk, sicherlich einer der größten Dylan-Kenner Osthessens und „Motor der Ausstellung“, wie Dr. Sabine Fechter betonte.
Die Leiterin des Vonderaumuseums erklärte das Konzept der nach 2012 und 2015 bereits dritten Dylan-Ausstellung: „47 Künstler aus ganz Deutschland - auch aus unserer Region - mit teilweise internationalem Renommee haben 38 Dylan-Songs in fast hundert Werken verarbeitet.“ Präsentiert werde nicht nur im Vonderaumuseum, sondern auch in der Galerie vor den Spiegelsälen im Stadtschloss sowie den privaten Galerien Walter Rammler, Raab, Bilder Fuchs, Kunst im Kutscherhaus, Atelier & Laden CREA Time und im marleen recordstore. Dass an so vielen Orten ausgestellt werde, begründete Hermann Diel damit, dass Kunst ins Leben gehöre. Die meisten der Objekte seien von hauptberuflichen Künstlern und „Laien“ - er mache da keinen Unterschied - eigens für die aktuelle Ausstellung geschaffen worden.
Kulturamtschef Dr. Heiler gab zu, sich als Teenager drei Jahre durch den Englischunterricht gequält zu haben, bis eine junge Lehrerin mit einem Plattenspieler kam und Bob-Dylan-Songs vorspielte: „Da haben wir als 15-jährige Pubertierende nicht nur angefangen politisch zu denken, sondern auch gemerkt, dass große literarische Kunst Fragen aufwerfen kann, die nicht immer leicht zu beantworten sind. Den Nobelpreis hat er auf jeden Fall verdient“, sagte Heiler, der sich als „nicht unbedingten“ Dylan-Fan outete.
Nach einer hinreißenden Version von „I shall be released“ durch die Band lud der Kulturamtschef in die Ausstellungsräume, wo definitiv nicht „one more cup of coffee“, sondern „the first glass of wine“ gereicht werde, und die Masse schob sich „geordnet, aber in ihrer Euphorie ungebremst“ (O-Ton Hermann Diel) in den zweiten Stock. Dort war der erste Eindruck, dass dem Organisationsteam ein großer Wurf gelungen ist. Dies wird aber in einem zweiten, ruhigeren Rundgang zu überprüfen sein. Denn am Freitag ging’s in der Ausstellung zu wie im Louvre vor der „Mona Lisa“: Man sah eigentlich nur Hinterköpfe. - Weitere Informationen zur Ausstellung, die nur drei Wochen lang, dafür aber kostenlos zu sehen sein wird, gibt es unter www.fulda-trifft-dylan.de. (Matthias Witzel) +++