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Gab sich der Angeklagte bei den Epressertelefonaten als Dr. Hassan aus? - Foto: Niklas Sven Brumund

GIESSEN / SCHLITZ Im Würth-Prozess

Analyse des Stimmgutachtens: Viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede

27.10.18 - Die Stimme gilt im Prozess des entführten Milliardärssohn Markus Würth als Hauptbeweismittel. Sachverständiger wurden deshalb im Oktober 2016 damit beauftragt, ein Gutachten zu erstellen - Gegenstand sind die etwa 350 Stimmen aus der Datenbank der Polizei, darunter auch die des Angeklagten. Die Erläuterungen der Analysen waren Hauptthema beim fünften Prozesstag am Freitag am Gießener Landgericht.

Über zwei Jahre waren die Sachverständiger der Uni Marburg am Gutachten zugange: Sechs Gespräche führte der Erpresser per Telefon während der Entführungsphase, drei davon wurden aufgezeichnet und nun analysiert. Auf diese Gespräche konzentrierten sich die Gutachter und kamen nach intensiven Analysen und Auswertungen zu einem Ergebnis: Die Stimme des Dr. Hassan (so gab sich der Erpresser gegenüber der Familie Würth aus) ist "an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" die Stimme des Angeklagten A. Doch zur Überführung des Angeklagten reicht es bisher nicht aus - denn ein Vergleichsgutachten auf Anordnung der Verteidigung sorgt unter anderem für Widersprüche.

Viele stimmliche Gemeinsamkeiten

Auf die Frage des Richters, ob jede Stimme einzigartig sei antworteten die beiden Gutachter: "Die Stimme ist kein Fingerabdruck und keine DNA." Deshalb könne es auch keine 100 prozentige Sicherheit geben. "Wir sagen nicht, der Angeklagte ist auch gleichzeitig Dr. Hassan. Es kommt in Betracht, dass es Menschen gibt, die gleich klingen - das sind aber Personen, mit dem gleichen Lebenslauf wie dem des Angeklagten, die die deutsche Sprache durch Hören erlernt haben, im gleichen Alter nach Deutschland gezogen sind und dialektische Merkmale aufweisen." Es seien also keine Millionen Menschen, die noch in Frage kämen.

"Sie können lediglich auf ihre Ergebnisse hinweisen, bei denen viele sprachliche Merkmale hervorgehoben wurden, die die Gemeinsamkeiten in den beiden Stimmen von Dr. Hassan und dem Angeklagten aufzeigen - beispielsweise in der Gemeinsamkeit der Sprechweise, bei den Pausen, bei der Aussprache der Nasallaute oder des Vokals 'ü' - "das Gesamtpaket stimmt", lautete die Bewertung der Sachverständiger. "Pausenverhalte sind als Sprecher kaum steuer- oder beeinflussbar. Bei beiden Aussagen waren die Verhalten sehr ähnlich", begründen die Gutachter ein Beispiel. Auch die Aussprache des 'ü' wurde intensiv analysiert. "Beide Sprecher können das 'ü' aussprechen." Bei 100 Sprechern die angehört wurden, konnten zwei Drittel den Buchstaben 'ü' im Wort 'Würth' nicht richtig aussprechen. Doch in ihrem Gutachten gab es auch Merkmale von Dr. Hassan und dem Angeklagten, die unterschiedlich seien: beispielsweise die Aussprache von dem Wort 'okay'.

Verteidigung gibt Vergleichsgutachten in Auftrag

Ein Vergleichsgutachten, das die Verteidigung in Auftrag gegeben hatte, war ebenfalls Teil des fünften Prozesstages. Auffällig ist, dass dieser Gutachter bei seinen Auswertungen zum Teil andere Schlüsse zieht, als das gerichtliche Gutachten. Laut dem Vergleichsgutachten gebe es Unterschiede bei der Atmung und auch bei der Rauigkeit der Stimme von Dr. Hassan und dem Angeklagten A. Außerdem spricht er von einem deutlichen Tremolieren. Der Richter wirft außerdem ein, dass bei Telefonaufnahmen der höchste Wahrscheinlichkeitsgrad nicht vergeben werden dürfe. Doch die beiden anwesenden Sachverständiger weisen darauf hin, dass die Qualität zwar eingeschränkt war, dass das sehr viele Material jedoch ein idealer Faktor sei, um den Fall genau zu analysieren. Außerdem biete der Lebenslauf des Angeklagten viele interessante Merkmale für eine ausführliche Bewertung. Denn es gäbe "qualitative Besonderheiten beider Sprachcluster."

Es lässt sich jedoch in Betracht ziehen, dass es Menschen gibt, die genauso klingen. Der Richter weist außerdem darauf hin, dass, zu der Zeit in dem der Angeklagte nach Deutschland gekommen ist, sehr viele Menschen aus dem Balkan-Gebiet in die Bundesrepublik einwanderten. "Bewegen wir uns im spekulativen Raum?" Denn ein Urteil könne nur sicher gefällt werden, wenn feststünde, dass die vorhandenen stimmlichen Merkmale, die analysiert wurden, einzigartig seien. "Das macht es uns nicht einfacher", so der Richter.

Der Prozess wird am 5. November am Gießener Landgericht fortgesetzt. Ein Urteil ist für Anfang Dezember geplant.(Luisa Diegel) +++


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