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"Medizinmann für Seele": Joern Hinkel plaudert aus dem Festspiel-Nähkästchen
05.02.19 - Im Bad Hersfelder Klinikum suchen die „Grünen Damen“ seit nunmehr 34 Jahren die Gespräche am Krankenbett. Ist es Zufall, dass sich eine Garde von ehrenamtlichen Helferinnen, die kranken und hilfsbedürftigen Menschen in Krankenhäusern und Altenhilfe-Einrichtungen zu Seite steht, ausgerechnet als „Grüne Damen“ bezeichnet? Fördert doch die Farbe Grün bekanntlich Eigenschaften wie Hilfsbereitschaft, Ausdauer, Toleranz und Zufriedenheit. Attribute, die unerlässlich sind, um solch eine sinnstiftende und bereichernde Aufgabe meistern zu können.
„Wir sind für diejenigen, die unsere Hilfe benötigen, da, hören ihnen zu und geben ihnen die Möglichkeit, das auszusprechen, was sie bewegt“, erläutert Brigitte Kubicek, Einsatzleiterin der „Grünen Damen“. Die 28 Helferinnen genießen im gesamten Haus höchste Wertschätzung. Davon konnte sich Festspielintendant Joern Hinkel persönlich überzeugen, der der Damenriege einen Besuch abstattete und bei Kaffee und Plätzchen aus dem Nähkästchen des Bad Hersfelder Theaterreigens plauderte.
„Ich bin ganz begeistert – ich finde es wundervoll, was sie hier machen“, sagte Hinkel, um eine Brücke zu seinem Werken und Wirken zu schlagen. „Auch mein Handwerk ist ein heilender Beruf – wir Künstler und Regisseure sind die Medizinmänner für die Seele.“
Die Stiftsruine als Festspielort ist für den Intendanten noch immer „überwältigend“. Da die Vorstellungen innerhalb des altehrwürdigen Gemäuers dargeboten werden, sei ein „geschlossene Konzentration auf das Geschehen“ zu verzeichnen. Überhaupt seien die Festspiele „etwas ganz anderes als normales Staatstheater“. „Wir müssen den Menschen aus Hamburg, München, Frankfurt am Main oder Berlin etwas bieten, das sie vor ihrer Haustür nicht geboten bekommen.“ Tragende Faktoren seien, dass mit der Besetzungsliste Aufmerksamkeit erregt wird, dass die Stücke spannend erzählt werden und dass das Programm vielfältig sei.
Erklärtes Ziel für die diesjährige Saison sei: „Sommertheater auf die Bühne zu bringen, das jeder Zuschauer versteht.“ Denn: „Ich glaube an die Macht der Gedanken.“ Zu Franz Kafkas „Der Prozess“, dem Eröffnungsstück der Bad Hersfelder Festspiele, das Joern Hinkel inszenieren wird, berichtet der Intendant: „Kafkas Roman ist eine sehr dankbare Vorlage aufgrund der vielen Dialoge.“
Das Schauspiel solle an die in vielen Ländern vorherrschende Justizwillkür erinnern. Die Vorgänge um den Journalisten Jamal Kashoggi in der Türkei seien der Auslöser gewesen, Kafkas Klassiker auf die Festspielbühne zu bringen. „Kafkas Roman war selten so aktuell wie heute. Kafka war ein Vorgänger des absurden und leichten Humors“, rührte Joern Hinkel die Werbetrommel für den „ersten Psychothriller der Weltliteratur“. (sh) +++