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O|N-Kamingespräch 2.0 mit Politik-Urgestein Prof. Dr. Bernhard Vogel
25.10.19 - Das politische Urgestein Prof. Dr. Bernhard Vogel (CDU) war am Donnerstagabend zu Gast in der Barockstadt. Beim zweiten O|N-Kamingespräch sorgte der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen und Rheinland-Pfalz für einen diskussionsreichen und charmanten Abend in der Bar des Hotels Platzhirsch. "Ich wurde vom Mitgestalter zum Zeitzeugen", sagte Vogel und bezog sich damit auf seine vielen Jahre als Politiker, Ansprechpartner und Brückenbauer: "Solange noch jemand etwas von mir hören will, will ich auch noch etwas zur Diskussion beitragen", sagte er und nahm den Abend über kein Blatt vor den Mund.
Die OSTHESSEN|NEWS-Geschäftsführer Hendrik Urbin und Christian P. Stadtfeld freuten sich, über 40 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und dem öffentlichen Leben begrüßen zu können. "Wir wollen den Abend nutzen, um uns gemeinsam mit Ihnen auszutauschen und zu netzwerken." Ehrengast und Hauptredner des Abends war Prof. Dr. Bernhard Vogel: "Fulda ist eine der bedeutendsten Städte Deutschlands. Hier hat Bonifatius gelebt und liegt im einmalig schönen Dom begraben", sagte Vogel, der 1949 erstmalig zu Besuch in der Barockstadt war. Das Kamingespräch war für den Ex-Ministerpräsidenten auch gleichzeitig eine Chance, seinen langjährigen Freund, den er seit 60 Jahren kennt, wiederzusehen: den ehemaligen Fuldaer Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Hamberger, der es sich mit den anderen Gästen in der Platzhirsch Lounge gemütlich machte.
Der Austausch zwischen Moderator Christian P. Stadtfeld und dem 86-jährigen Politiker war sehr kurzweilig. Zu vielen aktuellen Themen wie der Landtagswahl in Thüringen am kommenden Sonntag fand der Ehrengast des Abends deutliche Worte. "Es spricht alles dafür, dass es ein sehr knappes Rennen werden wird", so der CDU-Politiker. Ein entscheidender Grund für die Situation der Volksparteien sei unter anderem die große Koalition. "Andere Mehrheiten haben sich nicht gefunden und eine Regierung ist die Voraussetzung für die Zukunftssicherung." Die Folge sei, dass sich in der Mitte getroffen werde und das Profil der eigenen Partner in Frage gestellt werde. Aus genau diesem Grund würden die "Ränder" gewinnen. "Die Konfrontation der beiden Volksparteien hat die Geschichte der Bundesrepublik jahrelang geprägt." Und auch jetzt schaut der erfahrene Politiker mit einem kritischen Auge in die Zukunft: "Dem Bundestag fehlt es an einer möglichen Regierung für Morgen. Aus genau diesem Grund gibt es das Erstarken einer Partei, die zum erheblichen Teil nicht Wähler hat, die mit Programm und Führung übereinstimmen, sondern Wähler, die versuchen einen Denkzettel abzugeben."
Anschlag in Halle kaum auszumalen
Vogel sprach sich ganz klar dafür aus, auch jungen Leuten die Möglichkeit zu geben, sich politisch zu engagieren. "Warum sollte man einem heute 34-Jährigen nicht zutrauen, Bürgermeister zu werden?", so der ehemalige Ministerpräsident, der selbst mit 34 Jahren seine politische Karriere als Kultusminister in Rheinland-Pfalz begann. "Es gibt auch heute Leute, denen man vertrauen kann, denen man glauben kann und die man wählen kann. Und es gibt solche, bei denen man das lieber nicht tun sollte."
Thema war auch der Anschlag in Halle (Saale), bei dem Anfang Oktober ein schwerbewaffneter Mann Menschen erschoss: „Dass jemand noch einmal 80 Jahre später versucht eine Synagoge aufzubrechen und auf Menschen zu schießen hätte ich mir nicht ausmalen können. So etwas darf es in Deutschland nicht geben und jeder überzeugte Demokrat muss mit Abscheu sehen, was in Halle passiert ist.“
Müssen Politiker in Angst leben?
"Müssen Politiker heute Angst haben in der Öffentlichkeit aufzutreten?" Diese Frage richtete Stadtfeld an den ehemaligen Ministerpräsidenten und bezog sich unter anderem auf den Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke im Juni dieses Jahres. "Ja. Leider müssen sie Sorge tragen. Und zwar nicht, wenn sie eine falsche, sondern wenn sie eine richtige Meinung vertreten. Das ist einfach ein zutiefst beunruhigendes Phänomen." Dennoch seien Drohungen gegen Politiker in Deutschland nicht neu. "Das ist inakzeptabel. Da müssen wir dagegen halten. Ich bewundere die Leute, die weiter kämpfen."
Veränderungen in allen Bereichen
"Die Umstände, unter denen Politik betrieben werden muss, sind anders als vor 50 Jahren. Es gibt Menschen, die schneller twittern als sie denken können." Dankend nahmen die Zuhörer des Abends vor allem die Ratschläge von Vogel an: "Es muss nicht in einer Minute zu jedem Topf ein Deckel passen." Damit riet er den Zuhörern immer einmal mehr nachzudenken. So auch über den Wohlstand und die Zukunft: "Die Menschen neigen dazu, die Vergangenheit bescheidener zu sehen als sie war und die Gegenwart düsterer, als sie ist." Ein Volk, das nach 1949 das geleistet habe, was es geleistet hat, sei auch in der Lage gemeinsam die Probleme von 2019 zu lösen. "Ich rate jungen Leuten immer: Freut euch, dass ihr in Wohlstand und Frieden leben könnt und sorgt dafür, dass es dabei bleibt."
Vogel zeigte sich in der Diskussion jedem Thema gegenüber offen. Antwortete professionell auf jede Frage und antwortete - vielleicht nicht immer kurz - aber dafür aussagekräftig, scharf und unverblümt. Seine charismatische Art ließ den Abend wie im Flug vergehen. Die Rückmeldungen aus dem Publikum? Durchweg positiv. Vogel hat, obwohl er unter anderem mit Meinungsäußerungen wie positiven Zuspruch für Annegret Kramp-Karrenbauer nicht bei allen Anwesenden auf Anklang stieß - rundum positives Feedback erhalten und dem ein oder anderen viele Weisheiten mit auf den Weg gegeben.
Fest steht: Das O|N-Kamingespräch hat sich als Format der Vernetzung und des Austausches etabliert und wird auch im nächsten Jahr wieder stattfinden. (Julissa Bär) +++