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Al-Hami: Die Zukunft des Gesundheitssystems in Deutschland
12.11.19 - Lange gehört das deutsche Gesundheitswesen zu den besten weltweit. Die Fortschritte der Medizin sind in allen Bereichen vorbildlich. Das 5. Sozialgesetzbuch (SGB V), der sog. gemeinsame Bundesausschuss (g-BA), Kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern, Krankenkassen, Gesundheitsministerien auf Bundes- und Landesebene, Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft und andere regeln das komplizierte und normalerweise für den Patienten nicht durchschaubare Gesundheitswesen.
Der Patient hat als Versicherter Anspruch auf die bestmögliche ambulante und stationäre Versorgung. Der Leistungskatalog wird von dem g-BA festgelegt und beschlossen. Dieses System der Patientenversorgung hat bis zu Beginn der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts gut funktioniert. Danach kam es zunehmend zu Kostensteigerungen, die in der Zeit von steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Staatsverschuldung die Politik veranlasst hat zu handeln. So wurde im Jahre 1977 das „Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) verabschiedet. Danach folgten fast regelmäßig neue Gesundheitsreformen. Meilenstein der Gesundheitspolitik in Deutschland war das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung
(Gesundheitsstrukturgesetz - GSG vom 18. Dezember 1992).
Fakt ist: Die Finanzierung im Gesundheitssystem wackelt ständig. Sie ist abhängig von anderen systemfremden Faktoren, wie Arbeitslosenquoten, wechselnde Politik etc. Das sog. duale Finanzierungssystem der Krankenhäuser wird zulasten der Krankenhäuser seit Jahren vom Staat (Bund und Länder) nicht oder nur zum Teil eingehalten.
Aber wie sieht es mit diesem System in Zukunft aus?
1. Der medizinische Fortschritt geht weiter und die Kosten für das Gesundheitssystem werden ständig steigen, wenn die Leistungsansprüche der Patienten bleiben bzw. steigen.
2. Die demographische Entwicklung und die Erhöhung der Lebenserwartung werden immer mehr Kosten verursachen. Der Anteil der über 65-Jährigen wird in den nächsten Jahren massiv steigen und die 40 %-Marke erreichen.
3. Der Fachkräfte-Mangel im Gesundheitswesen, insbesondere Mangel an Pflegepersonal, verursacht nicht nur wirtschaftlichen Schaden. Die Qualität im Gesundheitssystem wird schlechter. Das Gesundheitssystem in Deutschland wird hauptsächlich von den Arbeitgebern und von den Versicherten selbst finanziert. Die Krankenkassen verwalten in erster Linie das Geld der Arbeitgeber und der Versicherten. Die Leistungserbringer sind u.a. Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte. Diese verdienen das Geld der Versicherten und der Arbeitgeber. In diesem System haben die Zahler des Gesundheitssystems am wenigsten zu entscheiden. Die Politik doktert seit Anfang der Neunziger Jahre (GSG 1992) am System und führt unser System immer mehr in strukturelle und finanzielle Probleme. Der sog. Gemeinsame Bundesausschuss (g-BA) reflektiert, was man von den Wählern (Patienten) hält.
Dieser Ausschuss gewährt den Patienten lediglich, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, Mitberatungs- und Antragsrechte, jedoch kein Stimmrecht. Das Deutsche Gesundheitssystem stammt im Wesentlichen aus Bismarck-Zeiten. Es löst die Probleme unserer Zeit nicht mehr. Das Gesundheitssystem ist eine Gesundheitswirtschaft geworden und hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Das System den Politikern und den Leistungserbringern zu überlassen führt zu mehr Misswirtschaft. Die Haupfinanzierer (Patienten und Arbeitgeber) müssen ihre Bedürfnisse artikulieren und mehr Einfluss haben. Zumal der Staat (auf Bundes- und Landesebene) sich zunehmend von der gesellschaftlichen Verantwortung zurückzieht. Im Jahr 2015 betrug der Gesundheitsetat im Bundeshaushalt 14,5 Milliarden (4,7%). In 2019 schrumpft der Anteil auf 4,3 Prozent.
Dr. Samir Al-Hami