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Der vergessene Autofriedhof soll weg: Müllhalde mitten im Wald
29.01.20 - Schaut da wirklich ein Autolenkrad aus dem vermoosten Waldboden hervor? Ist das eine Achse mit Reifen? Und dort, ein verchromter Kühlergrill mit Moos überwachsen? Als Benedikt Schmidt und Michael Krug bei einem Spaziergang diese „Schätze“ im Wald zwischen Fladungen und Sands fanden waren sie mehr als überrascht. Denn bei näherer Betrachtung stellten sie fest, dass nicht „nur“ ein Lenkrad und Fahrzeugreste im Wald liegen, sondern ganze Fahrzeuge und nicht nur eins oder zwei, sondern ein wahrer Autofriedhof.
Sie haben sich ein wenig umgehört und erfahren, dass dieser Bereich vor gut einem halben Jahrhundert als Müllkippe diente. „Die meisten Abfälle dort stammen aus den 70er Jahren“, haben sie festgestellt und entschieden: „Fünfzig Jahre wurde weggeschaut und dieser Schmutzfleck toleriert. Nun ist die Zeit gekommen, das zu ändern.“ Schmidt und Krug sind Gründer des Chaos-Camping-Club, Fladungen. Die formale Vereinsgründung erfolgte zwar erst Anfang des Jahres, doch die Freunde sind schon viel länger in Sachen Natur und Umweltschutz miteinander unterwegs. Sie haben sich entschieden aktiv zu werden und riefen zu einem „Flash-Mob“, zu deutsch einer Müllsammelaktion auf. Dem öffentlichen Aufruf folgten 20 Personen.
Das Wetter war mit Nebel und Temperaturen um den Gefrierpunkt denkbar ungemütlich für solch eine Aktion, doch der Boden war insoweit gefroren, dass er mit dem Traktor befahrbar war. „Wir wollen jetzt nicht länger warten. Die begangene Umweltverschmutzung soll rückgängig gemacht werden“, erklärten Schmidt und Krug.
Zwei Waldabteilungen haben sie sich vorgenommen. In der ersten befanden sich keine Fahrzeuge, aber dennoch war eine Menge Unrat aufzuräumen. Kaum ein Schritt sei möglich gewesen, ohne auf Plastik, Glas und Schrott aller Art zu stoßen. „Das liegt schon viele Jahre, ist zum Teil zerbröselt und zerfallen. 18 Müllsäcke alleine mit Plastikmüll haben die Helfer aus dem Wald geholt. Dazu eine Anhänger voll mit Restmüll, Glas, Stoffresten und Metallschrott. Neben Autoteilen, Reifen und Felgen lag auch eine alte Betonmischmaschine im Wald. Dieser Waldteil rechts des Weges konnte ihm Rahmen der Müllsammelaktion weitgehend gesäubert werden.
Komplizierter sieht es mit dem ehemaligen „Autofriedhof“ aus. „Wir haben nur die Oberfläche angekratzt. Es ist großes Gerät nötig, um hier aufzuräumen“, fasste Michael Krug zusammen. Es sind vollständige Fahrzeuge, die im Wald stehen und komplett überwachsen sind. Eine Schonung wurde auf den Bereich gesetzt, so dass alles zugewuchert ist. Wie viele Fahrzeuge wirklich dort lagern, sei nicht abzusehen, weil unklar, wie tiefe es in die Erde geht.
Ernüchtert und nicht wirklich zufrieden waren Schmidt und Krug am Ende des langen Arbeitstages. Zwar haben sie unvorstellbare Mengen an Schrott aus dem Wald geholt, aber eben nur die Spitze des Eisbergs. „Es ist unglaublich, was alles hier im Wald liegt“, sagte Krug. Ein alter Opel Rekord Baujahr 1963 konnte identifiziert werden. Verchromte Stoßstangen, Weißwand-Reifen, Plastik, Glas Metallteile und viele liegt nur unter einen dünnen Moosschicht. „Egal wo man anfasst, es kommt immer mehr und mehr zu Tage.“ Ob der Chaos-Camping-Club das alleine wird bewerkstelligen können, sei derzeit nicht abzusehen. Sie sehen sich zwar als basisdemokratischen Initiative, die sich das nachhaltige Säubern der Wälder durch Sammeln von Schrott, Müll und Abfall auf die Fahne geschrieben hat. Aber ausschließlich als „Müllabfuhr“ wollen sie nicht fungieren. Sie setzen auf die Zusammenarbeit mit der Stadt Fladungen, um die Problematik anzupacken. Mit dem Wertstoffhof in Bad Neustadt haben sie Kontakt aufgenommen und unbürokratisch wurde Unterstützung bei der Entsorgung zugesagt.
„Es muss was geschehen. Wälder sind eine wichtige Komponente des Ökosystems. Wildtiere, Kräuter und Pilze sind Teil unserer Nahrungskette. Aber sie absorbieren giftige Stoffe aus dem Müll, der teils illegal deponiert oder achtlos in die Natur entsorgt wurde. Und so landet dieser Abfall auf unserem Teller. Mahlzeit!“, sind sich die Chaos-Camper einig. Das Problem an der ehemaligen Müllkippe sei zudem, dass der Zivilisationsmüll nahezu ungeschützt im Wald liegt und damit eine nicht unerhebliche Gefahr darstelle.
Schmidt und Krug suchen nun auch Zeitzeugen, die Auskunft über die Größe der ehemaligen Müllkippe geben können. „Das ist sicherlich nicht unbekannt. Dafür steht viel zu viel hier rum.“ Es geht den jungen Familienvätern nicht darum Schuldige zu finden und zu benennen, sondern darum aufzuräumen und die Umweltsünden der Vergangenheit zu revidieren.
„Wir sind das unseren Kindern schuldig und wir hoffen auf Gleichgesinnte.“ Dementsprechend haben sie eine Internetseite angelegt: www.forest-cleanup.de (me) +++