Archiv
Millionen-Defizit: Klinikum Hersfeld-Rotenburg stellt alles auf den Prüfstand
13.02.20 - Die finanzielle Schieflage vieler Kliniken in Deutschland spitzt sich weiter zu. Neue Gesetze und Verordnungen wie die Prüfung von Krankenhausrechnungen samt Strafzahlungen und Pflegepersonaluntergrenzen sorgen für Frust in den Leitungsetagen der Krankenhäuser. In der Kritik steht insbesondere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
Aber auch die Krankenkassen behalten Rechnungen ein - dringend benötigtes Geld fehlt den Kliniken. Das berichten mehrere Kliniken der Region. Das fehlende Geld macht es noch schwieriger - den Kliniken steht teils bereits das Wasser bis zum Hals. Letztlich werden die Patienten die Zeche zahlen müssen. Längere Wege in weiter entfernte Kliniken werden befürchtet.
In Bad Hersfeld ist die Stimmung im Klinikum Hersfeld-Rotenburg dramatisch angespannt. Das Millionen-Defizit fällt offenbar deutlich höher aus als vorher geplant. Der Kreistag wird eine 15 Millionen Euro-Spritze im Nachtragshaushalt beschließen müssen. Landrat Dr. Michael Koch wird am kommenden Montag einen entsprechenden Nachtragshaushalt einbringen. In der politischen Diskussion steht aber auch die Übernahme des Herz-Kreislauf-Zentrums in Rotenburg an der Fulda. Hat der Kauf die Schieflage zumindest zusätzlich angetrieben?
Die Mitarbeiter der Klinik-Gruppe machen sich große Sorgen. Am Montagnachmittag informierte die Klinikleitung in einer Mitarbeiterversammlung auf dem Obersberg über die Situation. "Wir werden in 2019 ein höheres Defizit ausweisen, als die Planung hat erwarten lassen. Nach Analyse der Gründe mit dem Aufsichtsrat, dem Medizinischen Beirat und den Leitungsebenen befasst sich das Klinikum Hersfeld-Rotenburg jetzt mit seinem Zukunftskonzept", heißt es in einem Schreiben an die Mitarbeiter, welches der Redaktion vorliegt.
Bundespolitisch wird ein Strukturwandel eingefordert
Das Klinikum Hersfeld-Rotenburg ist eine relevante Struktur in der medizinischen Versorgung der Region. "Unser Anspruch ist es, diese Position zu erhalten und weiter zu stärken - zum Wohle unserer Patienten und von uns allen als Teil des Klinikums Hersfeld-Rotenburg. Um das zu ermöglichen, müssen wir jetzt die Weichen für die Zukunft stellen. Die Krankenhäuser sind bundesweit unter massivem wirtschaftlichem Druck, wir hatten über die Rahmenbedingungen in den vergangenen Mitarbeiterversammlungen bereits berichtet. Fachkräftemangel, Fallzahlrückgänge, ständige steigende Strukturanforderungen, Pflegepersonaluntergrenzen, Unterfinanzierung und fehlende Investitionsmittel sind nur einige der Faktoren. Bundespolitisch wird ein Strukturwandel eingefordert und diese Entwicklung macht auch vor unserem Klinikum Hersfeld-Rotenburg nicht halt", erklärt Ködding in den Schreiben, welches an die Mitarbeiter verschickt wurde, die nicht an der Versammlung teilnehmen konnten.
Einsparpotenziale werden erarbeitet
Die Kliniken befinden sich in der Zwickmühle. Einerseits müssen sie sparen, andererseits ist kaum noch dringend notwendiges Personal zu finden. An der Gehaltsschraube kann kaum gedreht werden. Ohne Personal werden Stationen schließen müssen. Oder werden einzelne Kliniken abgestoßen? Bislang ist alles reine Spekulation. Klar ist nur, das Klinikum Hersfeld-Rotenburg muss seinen Kurs korrigieren, will es Spahns Strukturwandel überstehen."Daher müssen wir jetzt handeln, um das Klinikum Hersfeld-Rotenburg zukunftssicher aufzustellen. Grundlage dafür ist es, eine finanzielle Stabilität zu erzielen und uns auf die Rahmenbedingungen einzustellen. Dies wurde bereits begonnen und ist weiter im Fokus der Unternehmensleitung. Das heißt, die strategischen Weichen für die zukünftige Aufstellung werden gemeinsam unter Einbindung externen Sachverstandes erarbeitet und dem Aufsichtsrat vorgelegt. Zunächst erfolgt eine kurze Situationsanalyse, um kurzfristig zu realisierendes Verbesserungspotenzial im Unternehmen umzusetzen. Dann werden die medizinischen Leistungsfelder, das Personalkonzept, Immobilien- und Standortplanung sowie der Investitionsbedarf detailliert analysiert. Außerdem betrachten wir die medizinischen Trends, den Wettbewerb und das Marktumfeld. Auf dieser Basis wird ein nachhaltiges Zukunftsbild abgeleitet und in seinen Auswirkungen auf die Medizin, das Personal, die Ökonomie und die erforderlichen Investitionen bewertet. Dieses Konzept wird dann dem Aufsichtsrat und den Trägervertretern zur Entscheidung vorgelegt", erklärt die Klinikleitung.
"Für die Steuerung des Projektes wurde eine Steuerungsgruppe aus Mitgliedern der Chefärzte, Pflege, Administration und Mitarbeitervertretung gegründet. Darüber hinaus werden alle Beschäftigten über das Projekt regelmäßig informiert. Es besteht die Möglichkeit, bei extra eingerichteten Sprechstunden mit der Geschäftsführung sich zum Projekt zu informieren und Fragen zu stellen. Es ist uns ein Anliegen, dass sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu jedem Zeitpunkt gut über die Aktivitäten informiert wissen", heißt es in dem Schreiben weiter. (Hans-Hubertus Braune) +++