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Beliebte Landärztin Dr. Renate Strupp mit Riesen-Autokorso verabschiedet
01.05.20 - "Das war sehr emotional und tränenreich", sagt Ärztin Dr. Renate Strupp über den außergewöhnlichen Abschiedskorso, den ihr das Praxisteam, ihre dankbaren Patienten und treuen Fans gestern in Hosenfeld-Hainzell gewidmet haben. Die leidenschaftliche Medizinerin, seit sage und schreibe 42 Jahren Landärztin in Hainzell, geht jetzt mit immerhin 70 Jahren endlich in den wohlverdienten Ruhestand. Eigentlich hatte sie zu diesem Anlass ein großes Essen geplant, doch das musste wegen geschlossener Lokale und Kontaktsperre ausfallen. Doch ganz ohne gebührende Feier wollte ihre Nachfolgerin Dr. Silvia Steinebach und ihr Team Dr. Strupp nicht gehen lassen. Auf der Straße präsent und trotzdem unter Einhaltung aller Abstandsregeln - diese schwierige Aufgabe haben sie bravourös gelöst und dabei im Vorfeld alle eisern geschwiegen.
"Ich habe wirklich nicht das Geringste geahnt", sagt die so Geehrte. Ihr Mann hatte sie - unter bewusster Vorspiegelung falscher Tatsachen - mittags ins Auto gelockt und vorgegeben, sie müssten dringend zum Bürgermeisteramt. Doch tatsächlich hatte sich der bunte Abschiedskorso mit rund 50 geschmückten Autos an der Apotheke formiert und begrüßte die völlig überraschte Ärztin mit lauten Gehupe und Hallo - natürlich aus vorschriftsmäßiger Distanz. Doch der Zweck dieser außergewöhnlichen Demonstration - nämlich Respekt, große Wertschätzung und Anerkennung für die unermüdliche Medizinerin zum Ausdruck zu bringen - gelang ganz offensichtlich. Total überrascht und sehr gerührt reagierte die Geehrte auf die vielen Ovationen, Blumen und Präsente.
Den Anfang der langen Autoschlange machte natürlich Dr. Silvia Steinebach, die vor sieben Jahren in die Landarztpraxis gewechselt war und nach Einschätzung von Praxisteam und Patienten ein Glücksgriff als Nachfolgerin ist. Sie stoppte, sprang aus dem Wagen und verbeugte sich aus Coronagründen stellvertretend vor einer lebensgroßen Abbildung von Dr. Strupp vor deren Engagement und Dauereinsatz.
Dr. Strupp war nach ihrem Medizinstudium 1975 zunächst im Hünfelder St.Elisabeth-Krankenhaus als Medizinalassistentin und später als Assistenzärztin tätig. Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter übernahm sie drei Jahre später die Allgemeinarztpraxis des verstorbenen Dr. Weber in Hainzell. Das sei ein mutiger Sprung ins kalte Wasser gewesen, erinnert sich ihr Mann, aber die Landarztpraxis sei von vornherein das berufliche Ziel seiner Frau gewesen. Nach dem Umzug nach Hainzell folgte der Hausneubau in der Goethestraße, wo mit Praxis und Wohnung eine notwendige Voraussetzung geschaffen wurde, um Familie und Beruf besser unter einen Hut zu bringen. Ihr unermüdlicher ärztlicher Einsatz inklusive nächtlicher Hausbesuche waren die Regel, gefolgt von einem normalen Arbeitstag, der nicht mit acht Stunden zu bewältigen war. Das bescherte ihr überaus zufriedene und dankbare Patienten, was sie auch über so manche behördliche Hürde und Formalismen hinwegtröstete.
Ein Schlaglicht auf die Vorzeige-Ärztin wirft diese Erinnerung ihres Mannes: "Meine Frau war beim Friseur im Ort. Und wie es das Schicksal will – im Rahmen ihres Notdienstes an diesem Tag – Noteinsatz: mit Lockenwicklern im Haar und umgebundenen Kopftuch hat sie dann tatsächlich den Notfall bewältigt, um danach wieder auf dem Stuhl des Friseurs Platz zu nehmen. Das war und ist ihre Auffassung von Pflichtbewusstsein", beschreibt er.
Die ungewöhnliche Verabschiedung hat jedenfalls ins Schwarze getroffen und kaum ein Auge blieb trocken. "Selbst meine Töchter, die in Bayern und der Schweiz leben, haben beim Video mitgeweint", sagt Renate Strupp. Auch die kleine Anna, Tochter von Dr. Silvia Steinebach, war von dieser gelungenen Abschiedsaktion überwältigt: "Wenn ich mal in Rente gehe, will ich auch so eine Papp-Anna bekommen", sagte sie aus vollem Herzen. (Carla Ihle-Becker) +++