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Das Neuro-Spine-Center in Fulda - Foto: Hendrik Urbin

FULDA Entwicklung von Corona-Strategien

Dr. Al-Hami im Interview: "Enorme wirtschaftliche Belastung"

06.05.20 - Die Corona-Pandemie stellt auch Kliniken vor große Herausforderungen. Neurochirurg Dr. Samir Al-Hami vom Fuldaer Neuro-Spine-Center geht im O|N-Interview auf die aktuelle Situation des Plankrankenhauses ein, das seit Montag wieder reguläre Operationen durchführt. 

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat die Corona-Krise auf das Neuro-Spine-Center? 

Dr. Samir Al-Hami im O|N-Interview

AL-HAMI: "Mit dem Erlass der Bundesregierung zum 16. März, wurde es uns als Plankrankenhaus verboten, planbare operative Eingriffe durchzuführen. Ziel war es, stationäre Kapazitäten in Kliniken freizuhalten, um für eine mögliche Katastrophe gewappnet zu sein. Damit sollten Situationen wie in Italien, Spanien und Frankreich vorgebeugt werden. Zu diesem Zeitpunkt hat der Erlass durchaus Sinn ergeben. Während große Krankenhäuser u.a. eine isolierte Station für Covid-19-Infizierte einrichten konnten, um Patienten voneinander zu trennen, mussten wir alle unsere Betten freihalten. Das haben wir vier Wochen lang - bis zum 19. April - getan und hatten die Hoffnung, dass es danach Änderungen geben wird. 

Bereits Mitte April hat sich herauskristallisiert, dass die Bettenkapazität für Corona-Patienten in Krankenhäusern weder regional noch überregional benötigt wird. Die Belegung auf normalen Stationen lag bisher bei max. 2 Prozent, die der Intensiv-Betten bei rund 10 Prozent. Trotzdem wurde der Erlass durch die Politik um weitere zwei Wochen verlängert (bis zum 3. Mai). Heißt: Auch weiterhin durften nur Notfall-Operationen vorgenommen werden - daran haben wir uns gehalten und die letzten zwei Wochen nur medizinisch notwendige Operationen durchgeführt. Seit Montag, 04. Mai 2020, haben wir unseren regulären Klinikbetrieb wieder aufgenommen und führen reguläre Operationen durch. 

Die Tatsache, dass wir nicht wussten, ob wir auch weiterhin Intensivbetten freihalten müssen oder nicht, war eine große Unsicherheit für uns. Leider haben wir vom verantwortlichen Versorgungsstab erst sehr spät die Antwort erhalten, dass wir für die Intensiv-Versorgung nicht gebraucht werden. Aus diesem Grund waren wir die erste Zeit nur damit beschäftigt, Betten aufzurüsten und unser Personal entsprechend zu schulen. 

Die letzten Wochen haben eine enorme wirtschaftliche Belastung für das Neuro-Spine-Center herbeigeführt. Wir verzeichnen Verluste, die von Bund und Land nur bis maximal 30 Prozent ausgeglichen werden. Grund ist die Ausgleichsregelung, die sich an den Belegungstagen der Krankenhäuser orientiert. Einige Krankenhäuser profitieren, andere wie das NSC werden dadurch benachteiligt, da unsere Patienten in der Regel nur zwei Tage nach einer Operation in der Klinik bleiben. In den letzten sechs Wochen haben wir über 500.000 Euro Verlust gemacht. Diesen habe ich als privater Gesellschafter kompensiert. Meine Mitarbeiter mussten unter dieser Situation nicht leiden und haben ohne Einschränkungen ihre Gehälter komplett bezahlt bekommen."

Was muss sich ändern?

AL-HAMI: "Leider wurde bisher nur anhand der Bewertung von Virologen und Epidemiologen durch die Corona-Krise geführt. Das halte ich für einen Fehler. Wir sind alle glücklich, dass eine Katastrophe bisher abgewandt werden konnte. Die Entwicklungen sind sehr positiv. Allerdings ist ein großer wirtschaftlicher und sozialer Schaden entstanden, obwohl einige Maßnahmen und Entscheidungen nach ca. drei bis vier Wochen hätten korrigiert werden können. Viele Auswirkungen werden sich erst in den nächsten Monaten abzeichnen. Wir werden sehen, wie die Wirtschaft damit zurechtkommt. 

Konzentriert wird sich auf aktuelle Zahlen und positive Corona-Fälle. Allerdings gibt es auch viele Virulenzfaktoren, die widerspiegelen, wie sich u.a. ein Krankheitserreger in einer bestimmten Region vermehrt. Dieser ist bei der Bewertung durch Wissenschaftler und die Politik zu kurz gekommen. Seit über zwei Wochen schwächt die Virulenz sich ab, was zu den jetzigen Zahlen führt. Es gibt weniger Neuinfektionen und Stand gestern (05.05.2020) befinden sich in allen osthessischen Krankenhäusern nur drei Corona-Patienten in Behandlung. 

Was kommt auf die Patienten des NSC zu?

Die Münsterfeldhalle

AL-HAMI: "Viele Patienten sind klinisch stumm. Das bedeutet sie haben keine Symptome, können den Virus allerdings trotzdem verbreiten. Aus diesem Grund müssten wir unsere ambulanten von den stationären Strukturen räumlich trennen. Bereits im letzten Jahr haben wir einen Bauantrag gestellt und gestern mit den Umbaumaßnahmen der Münsterfeldhalle begonnen. Diese werden wir im Juli abschließen und unsere MVZ-Praxis dort integrieren. Wir gehen davon aus, dass das Virus uns auf abgeschwächtem Niveau in den nächsten Monaten und Jahren weiter begleiten wird.

Nach wie vor sind wir eine Non-Covid-Klinik geblieben. Das wollen wir auch bleiben. Aus diesem Grund statten wir u.a. alle Patienten mit einem Mund-Nasen-Schutz sowie Handschuhen aus. Um Menschenansammlungen in Klinikräumen zu verhindern, wird der Patient ohne Umweg von unserem Personal zum Doktor gebracht. Gewartet wird vor dem NSC. Und auch weiterhin gilt ein striktes Besucherverbot. Um den in der Regel zweitägigen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, versuchen wir unsere Patienten in Suiten unterzubringen und stellen u.a. unser 10 GB-WLAN kostenfrei zur Verfügung.

Zusätzlich wurden alle Mitarbeiter untersucht. Aktuell ist niemand mit dem Covid 19-Virus infiziert. Ein Mitarbeiter hat Antikörper aufgezeigt. Das heißt, von unserem Personal geht keine Gefahr aus. Das betrifft auch die Patienten: Bereits seit zehn Jahren werden diese vor geplanten Operationen auf den Krankenhauserreger MRSA via Screening untersucht. Ab sofort folgt auch eine Testung auf Sars-CoV-2 sowie Antikörper. Die Kosten werden von der Klinik getragen. Zum Schutz aller muss trotzdem ein Mundschutz getragen werden."

Wie stehen Sie zu dem geplanten Corona-Bonus für Klinikpersonal?

AL-HAMI: "Ich halte davon gar nichts. Es handelt sich dabei lediglich um einen Bonus, der das schlechte Gewissen überdecken soll. Wenn man es mit diesen Berufen wirklich ernst meint, dann muss sich die Situation grundsätzlich verbessern. Auch die Bedeutung und Anerkennung dieser Berufe in der Gesellschaft muss besser werden. Egal ob das Pflegepersonal, die Arzthelferin oder der Arzt: Sie alle wissen auch in der Krise, was es bedeutet, ihren Job zu machen. Das kann man nicht mit einer Bonus-Zahlung abgelten. Lieber sollte der Personalschlüssel in Krankenhäusern verbessert, die Belastung reduziert und die Lebensqualität der Mitarbeiter verbessert werden. Im NSC wurde zum Beispiel im letzten Jahr eine 35-Stunden und Vier-Tage-Woche als Wertschätzung der Mitarbeiter eingeführt. Aus diesem Grund halte ich den Bonus für unproduktiv und nicht sinnvoll, da die Misere so nur weitergeht." (jul) +++


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