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Bürgermeister Dieter Kolb: "Wir sind nicht auf der Insel der Glückseligen"
27.05.20 - "Es war eine turbulente, aber auch schöne Zeit - und ich habe meinen Job gerne gemacht." So fasst Bürgermeister Dieter Kolb (parteilos) die vergangenen zwölf Jahre als Rathauschef der wichtigen Vorstadt-Kommune Eichenzell (Kreis Fulda) zusammen. Er sagt: "Ich habe mich der Herausforderung gestellt und bin an ihr von Jahr zu Jahr stärker gewachsen." Am Donnerstag wird der 64-Jährige in der Gemeindevertreter-Sitzung offiziell verabschiedet, am Sonntag, den 31. Mai 2020 endet seine Amtszeit. Dann übernimmt Johannes Rothmund (CDU) den Chefsessel im Schlösschen - und damit auch eine gut aufgestellte, beliebte und zentral gelegene Gemeinde, in der "alles im Schuss ist "und die Zeichen auf Wachstum stehen. Jetzt ist aber erst einmal Zeit für einen Rückblick.
Im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS betont Kolb immer wieder das "Wir". Damit meint er die politischen Gremien und seine Mitarbeiter aus der Verwaltung. "Wir haben gemeinsam viel bewegt und erreicht, immer zum Wohle von Eichenzell. Klar gibt es auch mal Widerstand von Einzelnen, im Fokus stand aber immer das Gemeinwohl." Kolb hat es verstanden, Kompromisse einzugehen, dennoch hatte er einen Plan, den er zielstrebig verfolgt hat - mit Erfolg. Dafür sprechen, die Zahlen, die ihm ein gutes Zeugnis ausstellen: weit über 100 neue Grundstücke wurden erschlossen, 1.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen (insgesamt verfügt die Gemeinde über 5.200, d. Red.), nahezu alle Satzungen überarbeitet. Jüngste Erfolge: die DRK-Rettungswache in Lütter und die Ansiedlung der Bäckerei Pappert im Industriepark Rhön.
Dieter Kolb, gebürtiger Eichenzeller, ist seit 2008 Bürgermeister der 11.200 Einwohner-Gemeinde. Als Newcomer, ohne kommunalpolitische Erfahrung, trat der Ex-Bundespolizist die Nachfolge von SPD-Urgestein Rudolf Breithecker an und wurde Bürgermeister. Der Quereinstieg ist ihm gelungen. Er hatte das Ohr nah am Volk, seine Tür für die Bürger stand immer offen. 2014 erfolgte die Wiederwahl. Im August 2019 hat er sich dann entschieden: Keine dritte Amtszeit.
"Kein Kelch ist an uns vorübergegangen"
Gasleitung, Südlink-Stromtrasse, die Neubaustrecke Fulda-Frankfurt, die Straßenbeiträge, die Asyl-Unterkunft in Rönshausen, der polarisierende Schredder und der damit verbundene Umzug der Firma Weider Erdarbeiten von Welkers ins Oberfeld, das Interkommunale Gewerbegebiet und Sommerlad - "kein Kelch ist an uns vorübergegangen", blickt Kolb zurück. In die Zukunft schaut er, im Hinblick auf die Corona-Folgen und die drohenden Gewerbesteuer-Verluste, mit Skepsis: "Unsere Finanzlage ist solide. Wir sind aber nicht auf der Insel der Glückseligen." Eine Prognose für dieses Jahr wollte er nicht abgeben, sagt aber: "Wir werden Ausfälle haben."
Der scheidende Kommunalpolitiker bleibt der Region erhalten, seine politische Karriere hängt er aber an den Nagel. "Mehr Privatleben steht jetzt im Fokus. Ganz zur Ruhe setze ich mich aber auch nicht: Ich suche mir noch eine kleine Beschäftigung, ein paar Stunden pro Woche. Was genau, wird sich ergeben." Kolb ist gesellig, spielt gerne Akkordeon. "Musik ist ein Thema, aber auch Fahrradfahren und Nordic Walking." Die geplante Wohnmobil-Reise nach Skandinavien fällt wegen Corona ins Wasser. "Aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben", schmunzelt er.
Eine große Abschiedsparty wird es aufgrund der Krise übrigens auch nicht geben. Weder die Familie noch Ehrengäste sind zur Verabschiedung Kolbs und Einführung Rothmunds eingeladen. "Das habe ich mir auch etwas anders vorgestellt, denn meine geplante Abschiedstour durch die Gemeinde ist aufgrund der Corona-Beschränkungen auch schon ausgefallen. Aber gut: Da kann man nichts machen. Wir haben als Politiker schließlich eine Vorbildfunktion." (Christian P. Stadtfeld) +++