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Carsten Hentrich als Inspektor Marconi (vorn) und Dirk Hoener als Günther Meyer hielten die Zuschauer in Atem. - Fotos: Carina Jirsch

BAD HERSFELD Ein anderer Sommer in der Festspielstadt

Premiere: Marrakesch, Madrid oder das böse Herz - ein Krimi mit Sogwirkung

20.07.20 - "Marrakesch, Madrid" oder "Das böse Herz", das noch wenig bekannte Stück von Christoph Braendle, Weltenbummler und Wahlwiener Schweizer Herkunft mit zweitem Wohnsitz in Marokko, feierte in diesem "anderen Sommer" am Samstag in Anwesenheit des Autors in der ausverkauften Stiftsruine Premiere. Die Dramaturgin der Festspiele, Bettina Wilts hat dieses szenische Psychoduell zwischen einem Deutschen und einem Marokkaner inszeniert, grandios verkörpert von Dirk Hoener als Günther Meyer und Carsten Hentrich als Inspektor Marconi.

Die Bühne wurde gegenüber der üblichen Festspielbühne aufgebaut. 250 Sitzplätze ...

Günther Meyer will eigentlich in Marrakesch ein Flugzeug nach Frankreich besteigen und zur Beerdigung seiner Frau reisen, findet sich aber plötzlich in einem Verhörraum wieder. Ihm gegenüber sitzt Inspektor Marconi, dessen Redebedarf wirklich enervierend ist, Meyer wird zunehmend hektischer. "Mein tief empfundenes herzliches Beileid" versichert Marconi seinem Gegenüber, dessen Frau mit französischen Wurzeln in Marrakesch ermordet wurde. Er sichert ihm eine Eskorte bis zum Sitzplatz im Flugzeug zu, aber zunächst müssen die Formalitäten geklärt sein.

Marconi prüft den Pass des Verdächtigen

Marconi lässt ihn nicht gehen, macht unverdrossen weiter: längst wird deutlich, um was es eigentlich geht. Meyer wird verdächtigt, seine Frau ermordet zu haben und muss sich dagegen wehren: "Falls sie das auch vergessen haben sollten: ich war, während der Mord geschah, in Madrid, und dieses Madrid liegt, falls ihnen das auch entgangen sein sollte, ungefähr 1.500 Kilometer von Marrakesch entfernt in Spanien".

Zunächst prasseln auf die Besucher Wortwechsel über harmlose Aneinanderreihungen von Klischees und Vorurteilen von europäisch-christlichem und afrikanisch-muslimischem Denken und Handeln ein. Nicht ahnend, dass der Autor mit den Klischees spielt, sie unterläuft, sie ins Leere laufen lässt. Aus dem anfänglichen Geplänkel wird am Ende ein christlich-muslimischer Krimi mit einer ungeheuren Sogwirkung in dem Wettstreit um die Wahrheit. Inhaltlich höchst brisant und ungemein spannend.

Braendles Stück ein sehr sprachstarker Bühnentext. Hier gibt es keine literarischen Dialoge oder Monologe, die schwer zu sprechen sind, ganz im Gegenteil: Dieser Text ist Sprechtext pur. Mit zielsicher eingesetzten Gesten und ausdrucksstarker Mimik unterstreichen die beiden Protagonisten das gesprochene Wort. Meyers märchenhaftes Leben in Marrakesch als Geschäftsführer der Bar Babylon, die im Besitz seiner vermögenden verstorbenen Frau war, beginnt zu bröckeln. Auf ihn wartet allerdings ein beträchtliches Erbe.

Man erfährt immer mehr über Meyer, die alles andere als glückliche Ehe, Konflikte der beiden, Affären, Kameltreiber, Gauner und Gigolos, die gut gehenden Geschäfte in der nicht wirklich legitimen Bar, potentielle Täter, den Tathergang, Indizien und mögliche Motive wie Ehebruch, Eifersucht, Rache oder Geldgier. Ist Meyer der Täter? Verdächtige Telefonate aus Madrid in der Nacht vor dem Mord und der vermeintliche Hilferuf der gemeinsamen Tochter Inez "Papa macht" sprechen ebenfalls gegen ihn. Marconi konfrontiert den Verdächtigen mit seiner Meinung, dass dieser "ein böses Herz" hat.    

Am Ende bleibt das pausenlose, etwa 100-minütige Bühnenpsychoduell, bei dem es letztlich um Leben und Tod geht, offen. Aber die beiden Alternativen schuldig oder nichtschuldig sind nun auch nicht mehr die vorrangige Frage, denn der Text gibt weder für das eine noch für das andere eindeutige Beweise her. "Ihr Mitgefühl – das ist doch nur Theater", schleudert Meyer dem Inspektor während des Verhörs entgegen. Die Zuschauer wurden Zeugen von großem Theater und damit einer Meisterleistung von Bettina Wilts als Regisseurin und den beiden Protagonisten, die mit lang anhaltenden, teils stehenden Ovationen gewürdigt wurde.

Für die Vorstellungen heute, 19.07. und am Sonntag, 26.07., jeweils um 20.30 Uhr, gibt es noch Restkarten an der Abendkasse oder über den Ticket-Service Am Markt 1 in Bad Hersfeld. Telefon (06621) 640200 oder per Mail [email protected] . Weitere Informationen unter www.bad-hersfelder-festspiele.de  (Gudrun Schmidl) +++

Schuldig? Das bleibt letztendlich offen.


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