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Maaßen: "Platz für Menschen in CDU, die gegen den Strom schwimmen"
15.05.21 - Ex-Verfassungsschutzpräsident Dr. Hans-Georg Maaßen (58, CDU) will in den Bundestag. Er tritt als CDU-Kandidat für den Thüringer Bundestagswahlkreis Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg an. Nun spricht der polarisierende und umstrittene Politiker mit OSTHESSEN|NEWS und KINZIG.NEWS im XL-Interview. O|N-Chefredakteur Christian P. Stadtfeld und Chief of Staff Tobias Bayer trafen den konservativen Mönchengladbacher im Herzen Meiningens.
Im ersten Teil des Gespräches erfahren Sie von Maaßen die Beweggründe seiner Kandidatur, was er in Südthüringen bewegen möchte, wie es der CDU geht und was die Menschen in seinem Wahlkreis auszeichnet.
OSTHESSEN|NEWS: Herr Dr. Maaßen, im Herbst treten Sie in Thüringen als Direktkandidat um ein Mandat für den Deutschen Bundestag an. Welches Signal geht von Ihnen als Kandidat aus?
Maaßen: "Erstens: Es gibt noch Platz für Menschen in der CDU, die gegen den Strom schwimmen und die, die klassischen CDU-Werte vertreten. Das soll auch ein Signal sein in Richtung ehemaliger CDU-Wähler, Nichtwähler und Protestwähler der AfD: Ihr braucht nicht irgendeine radikale, extreme Partei wählen und ihr müsst auch nicht zu Hause bleiben, sondern könnt mit Maaßen wen wählen, der für die traditionelle CDU-Position steht. Zweitens bin ich jemand mit Ecken und Kanten. Ich stehe für bestimmte politische Positionen und die werde ich auch im Bundestag nicht abräumen."
Werden Sie in Ihren Wahlkreis ziehen?
"Ab 1. Juni habe ich eine Wohnung in Suhl und werde dort auch wohnen."
Die Thüringer CDU steckt in der Krise. Gelingt mit Ihnen jetzt der Befreiungsschlag?
"Ich würde weder von Krise noch von Befreiungsschlag sprechen. Ich glaube, die CDU in Thüringen muss sich nach all den Problemen in den letzten Jahren neu erfinden. Es besteht in Thüringen ein sehr großer Bedarf eine regelrechte Sehnsucht nach einer CDU. Wir hatten unter Bernhard Vogel 51 Prozent gehabt, die Menschen haben sich in diesem Land nicht grundlegend geändert. Sie wünschen sich nach wie vor eine CDU, die eine klassische christdemokratische Politik macht. Und die sich nicht an die Grünen ankuschelt."
Maaßen: "Schutz für schutzbedürftige Asylsuchende"
Sie treten auch an, um die AfD zu schwächen. Wo verläuft für Sie die Trennlinie einer wertekonservativen CDU und einer rechtspopulistischen AfD?
"Die AfD ist eine Partei rechts der Union, die ins Radikale immer weiter droht abzugleiten, die auch zumindest in Teilen vom Verfassungsschutz beobachtet wird oder als Verdachtsfall angesehen wird, die weit davon entfernt ist, Politik gestalten zu können. Eine wertekonservative CDU steht auf der Basis des Grundgesetzes. Im Mittelpunkt stehen der Bürger und seine Interessen. Die CDU steht zum Beispiel für eine Europapolitik, die in unserem deutschen Interesse ist. Die CDU steht im Gegensatz zur AfD zur sozialen Marktwirtschaft sowie zu den USA und Israel. Die AfD steht für einen DEXIT, einen Ausstieg Deutschlands aus der EU. Dieser ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel. Auch wenn es in der EU Verbesserungsbedarf gibt, es ist in unserem nationalen Interesse, die EU zu haben. Im Übrigen ist die Rhetorik der AfD in Teilen radikal. Ich bin für eine Politik mit Augenmaß."
Wie sieht dieses Augenmaß aus?
"Zum Beispiel Schutz für die schutzbedürftigen Asylsuchenden, aber Abschiebung der Straffälligen und derjenigen, die unseren Schutz nicht bedürfen. Ich bin gegen jegliche radikalen Lösungen, die ich in Teilen für rechtswidrig oder auch verfassungsrechtlich für problematisch halte."
Sie kommen aus Mönchengladbach, tief im Westen Deutschlands. Wie passt das, dass Sie sich nun im Osten der Republik um ein Bundestagsmandat bewerben?
"Ich habe jahrzehntelang für die Bundesregierung gearbeitet, erstmals 1991. Ich kenne den Berliner Betrieb sehr gut, weiß wie man Gesetze schreibt. Ich wäre im Parlament wohl einer von ganzen wenigen, der selbst schon mal ein Gesetz geschrieben hat. Ich bin gut vernetzt und kenne die maßgebenden Personen. Wenn ich in den Bundestag ginge, bräuchte man mir nichts beizubringen. Worüber ich mehr lernen will, ist Südthüringen."
Großstädter laufen ideologischem Traum hinterher
Was zeichnet Ihren Wahlkreis aus?
"Vieles. Die landschaftliche Schönheit: Ich gehe gerne wandern, das ist hier ideal. Es gibt wunderschöne Wälder und schmucke Städte. Ob das nun Meiningen, Schmalkalden oder Hildburghausen ist. Die sehen alle anders aus und sind auf ihre Weise wirklich wunderschön und herausgeputzt. Ganz anders als viele Orte in Westdeutschland, wo man den Eindruck hat, die gehen schrittweise in Richtung Niedergang. Da hat man hier den Eindruck, die Leute haben in den letzten 30 Jahren wirklich was aufgebaut, was auf die Beine gestellt. Die Leute wollen das auch behalten, sie kämpfen darum, dass das durch die politische Veränderung nicht zerstört wird."
Wie unterscheiden sich die Leute in der thüringischen Provinz von westdeutschen Großstädtern?
"Die Südthüringer sind geerdet und sehr realistisch. Die Generation der über Fünfzigjährigen ist geprägt durch ihre besondere DDR-Erfahrung. Dass sie jedenfalls eine Diktatur hinter sich haben und sich sagen: Wir lassen uns nicht mehr bevormunden. Wir kämpfen für das, was wir 1989/90 erstritten haben. Man ließ sich schon damals ungern etwas von Ostberlin aufs Auge drücken und vorschreiben. Ich glaube bis heute hat man die Mentalität hier: Wir bestimmen selbst unser Schicksal, lassen uns nicht von den Menschen in Berlin oder anderswo vorschreiben, wie wir zu denken und zu handeln haben. In den Großstädten laufen die Menschen ja oft lieber einem idealistischen oder sogar ideologischen Traum hinterher, anstatt mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen."
Sie betonen, die Menschen in Ihrem Wahlkreis zeichnet aus, dass sie teilweise eine Diktatur hinter sich hatten. Sehen Sie etwa Anzeichen dafür, dass wir wieder auf dem Weg in eine solche Herrschaftsform sind?
"Nein, das will ich damit nicht sagen. Aber die Menschen haben ein sehr feines Sensorium für Fehlentwicklungen. Zum Beispiel im Zusammenhang mit der Corona-Diskussion und den Maßnahmen. Wenn einfach einmal gesagt wird: ´Wir wissen nicht, ob wir euch jetzt schon eure Rechte wiedergeben können.´ Ich glaube, die Menschen sind hier einfach wacher als im Westen, was Entwicklungen und Trends in der Politik angeht. "
CDU stark, wenn "deutliche politische Korrekturen stattfinden"
Für welche Themen würden Sie sich im Bundestag besonders stark machen?"Für die Verhinderung der Suedlink-Trasse, für die Mittelstandsförderung, für ein Oberzentrum Südthüringen, die Abschiebung gewaltbereiter Migranten aus der EAE in Suhl und für den Aufbau einer Wasserstoffindustrie in Sonneberg. Auch eine Umgehungsstraße muss gebaut werden. Insgesamt will ich als Botschafter Lobbyarbeit für die Region machen und für die leistungsstarken mittelständischen Industrien in Südthüringen. Die meisten Probleme, die hier in Südthüringen sind, spielen aber auch in anderen Regionen Deutschlands eine Rolle. Daher sehe ich mich als auch als ein Politiker, der für den gesamten ländlichen Raum Interessen vertritt, um eine Politik-Wende für ganz Deutschland hervorzurufen."
Wenn man den Wahltrends Vertrauen schenkt, schaut es nicht so gut aus für die Union. Droht die Bedeutungslosigkeit?
"Man darf diese Wahltrends auch nicht überschätzen. Das kann relativ schnell bergab gehen und genauso schnell wieder bergauf. Gleichwohl erleben wir derzeit eine schwierige Phase der CDU, weil alles viel zu lange gedauert hatte: die Wahl des Parteivorsitzenden, die Festlegung auf einen Kanzlerkandidaten. Auch die Umstände der Bestimmung der Benennung des Kanzlerkandidaten waren sehr, sehr unerfreulich. Man hätte erst in der Partei entscheiden müssen und dann in die Öffentlichkeit gehen sollen. Aber ich kann mir vorstellen, dass die CDU im Wahlkampf durchstartet und die stärkste Partei im Bundestag wird. Sie hat vor allem dann gute Chancen, wenn sie deutlich macht, dass nach der Wahl deutliche politische Korrekturen stattfinden werden." (cps/tby) +++
Morgen lesen Sie bei OSTHESSEN|NEWS im zweiten Teil des Gesprächs mit Hans-Georg Maaßen, was er über Angela Merkel denkt, welche Fähigkeiten er in seinem Job als Verfassungsschutzpräsident erworben hat und warum es im Leben entscheidend ist Maß und Mitte einzuhalten.