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SEK-Frankfurt aufgelöst: Wer sorgt jetzt für unsere Sicherheit?
19.06.21 - Bei der hessischen Polizei reihte sich in den letzten Wochen ein Skandal an den nächsten. Zuletzt sollen 49 aktive Beamte an Chats mit rechtsextremen Inhalten teilgenommen haben. Darunter auch 19 aktive SEK Beamte. Die Folge: Das SEK in Frankfurt wurde aufgelöst. Aber wie geht es jetzt weiter? Wer sorgt jetzt für unsere Sicherheit, wenn ein einmal ernst wird?
Wie das hessische Innenministerium mitteilt, wurde allen 19 beschuldigten Polizisten mit Eröffnung der Ermittlungen auch das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Einer der Beschuldigten wird darüber hinaus suspendiert.
"Bei allen 19 strafrechtlich beschuldigten Polizisten wurde sorgfältig untersucht, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist. Diese Prüfungen ergaben, dass bei sechs der 19 Personen keine Disziplinarverfahren eingeleitet werden können, da das mögliche Fehlverhalten so weit in der Vergangenheit liegt, dass eine disziplinarische Verfolgung rechtlich nicht zulässig ist. Bei den übrigen Beschuldigten wurden Disziplinarverfahren eingeleitet, die bis zum Abschluss des strafrechtlichen Verfahrens – wie üblich – zunächst ausgesetzt sind", heißt es vom Innenministerium.
Neuer Standort Mainz-Kastel?
Über die Zukunft der Spezialeinheit äußerte sich Hessens Innenminister Peter Beuth: "Beim Spezialeinsatzkommando wird ein grundlegender organisatorischer Umbau erfolgen. Zudem muss dort eine gänzlich neue Führungskultur auf den unteren und mittleren Vorgesetztenebenen geschaffen werden. Natürlich sind unsere Spezialkräfte auch in Zukunft unverzichtbar, aber die Rahmenbedingungen werden andere sein."
Nach der Auflösung des SEK Frankfurt wegen rechter Chatgruppen werden die übrigen Beamten nach Mainz-Kastel verlegt. Ob dort auch ein neuer, langfristiger Standort sein wird, ist unklar. Die zweite Einheit des SEK ist in Kassel stationiert.
Für einen Neustart wurde Stefan Müller, der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Westhessen und ehemalige Leiter einer Direktion Spezialeinheiten beauftragt. "Er wird gemeinsam mit erfahrenen Fachleuten einen Expertenstab bilden, der die erfolgten Fehlentwicklungen genauestens analysieren und darauf aufbauend einen Vorschlag zur Neustrukturierung des SEK erarbeiten wird", sagt Beuth.
Fehlentwicklungen auf den Grund gehen
Die betroffenen Chats sollen überwiegend aus den Jahren 2016 und 2017 stammen. "Da neben Mitarbeitern auch Teile der ersten Führungsebene des SEK Frankfurt in den Chatgruppen waren und dort die potenziell strafbewährten Inhalte unkommentiert wahrgenommen haben, wird gegen drei Dienstgruppenleiter wegen Strafvereitelung im Amt strafrechtlich und disziplinarisch vorgegangen", heißt es vom Innenministerium. "Wir werden den Fehlentwicklungen im Frankfurter SEK akribisch auf den Grund gehen, uns die Führungsstrukturen bis ins Detail ansehen und konkrete Vorschläge zur Neustrukturierung ebenso schlagkräftiger wie integrer Spezialisten erarbeiten", sagt Polizeipräsident Stefan Müller.
Statements zum Skandal
Der Landtagsabgeordnete der Grünen und Mitglied im Innenausschuss Markus Hofmann sagt: "Das Ausmaß und die Häufigkeit rechtsextremer Vorfälle innerhalb der hessischen Polizei lassen ein Weiter-So keinesfalls zu. Deshalb ist es richtig, dass in einem ersten Schritt das SEK Frankfurt aufgelöst wurde. Weitere grundlegende Strukturveränderungen müssen folgen. Eine maßgebliche Rolle werden dabei die Vorschläge, der im vergangenen Jahr eingesetzten Expertenkommission unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Angelika Nußberger, die in Kürze ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren wird, spielen."
Und Hofmann weiter: "Die gebetsartigen Rücktrittsrufe von SPD und LINKE in Richtung des Innenministers Beuth tragen allerdings nicht zur konstruktiven Problemlösung bei. Im Zentrum der Aufarbeitung muss stattdessen stehen, dass künftig alle hessischen Polizistinnen und Polizisten eine integre Grundhaltung vertreten und jederzeit die Werte einer offenen, vielfältigen und freiheitlichen Gesellschaft verteidigen. Um diese Haltung langfristig zu festigen, bedarf es einer fortlaufenden Beobachtung und Begleitung der Polizeibeamtinnen und –beamten, zusammen mit einer verstärkten Herausbildung von "soft skills", auch in der kritischen Selbstwahrnehmung. Außerdem fordern wir GRÜNE eine bessere psychologische Vor- und Nachsorge und mehr Diversität innerhalb der Polizei im Sinne gemischter Einheiten von Männern und Frauen sowie mehr Beamtinnen und Beamte mit Migrationshintergrund."
Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag ergänzt: "Wie der Innenminister gestern zugeben musste, ist auch ein Ausbilder an der Hessischen Polizeiakademie Teil des rechten Netzwerkes. Dadurch erhält der Skandal noch eine neue Brisanz. Unklar ist weiterhin, ob es konkrete Verbindungen zwischen dem Frankfurter SEK und der Terrorgruppe ‚Nordkreuz‘ gibt. Hier muss der Innenminister schnellstens für Aufklärung sorgen."
"Der Innenminister hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe hart und konsequent durchgegriffen, indem er das SEK Frankfurt aufgelöst hat und es vollkommen neu strukturiert wird. Alle strafrechtlichen und disziplinarischen Verfahren gegen die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind bereits eingeleitet worden und wurden bereits in der vergangenen Woche öffentlich kommuniziert", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Alexander Bauer.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion Günter Rudolph sagte dazu am Mittwoch: "Wir sehen einen echten Polizeiskandal, der deutlich über das SEK Frankfurt hinausreicht. Das Führungsversagen ist erschreckend, die Vorgänge erschüttern das Vertrauen in die hessische Polizei insgesamt." (mp) +++