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Boddenberg (CDU): Fleisch muss "deutlich teurer" werden
06.08.21 - Hessens Finanzminister Michael Boddenberg (62, CDU) sagte in einem F.A.Z.-Interview einmal über sich, er wisse noch, wie man einen Presskopf mache. Man glaubt es dem gelernten Metzgermeister aus Frankfurt am Main. Während des OSTHESSEN|NEWS-Gesprächs in der Fuldaer Zentrale kommt eine Häppchen-Lieferung an. Boddenbergs trocken-spaßiger Kommentar: "Die Qualität der Lebensmittel ist top. Aber die Anrichtung wäre bei mir so nicht durchgegangen: Viel zu voll."
Teil 2 des O|N-Interviews: Boddenbergs Rundumschlag von der Relevanz des Handwerks bis zur Frage, warum tierische Lebensmittel teurer sein sollten.
"Ich habe als Unternehmer sicherlich einen Mentalitätsunterschied zu manchem in der Verwaltung und in dem, wie ich so ticke", ist Michael Boddenberg, der Minister, der mal Fleischer war, offen und ehrlich im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Aus dem Handwerk bringe er die Bereitschaft zu "Flexibilität, Ungeduld und Ärmel hochkrempeln" mit. "Das hilft schon." In der Corona-Krise sei es aber auch in den eher als träge geltenden Ämtern und Ministerien schnell gegangen: "Wir haben innerhalb von 24 bis 48 Stunden Entscheidungen getroffen. Das haben Sie sonst eigentlich nicht in der Politik." Es habe Mitarbeiter gegeben, die jeden Sonntag gearbeitet haben, damit die so wichtigen Soforthilfen ausgezahlt werden konnten. Boddenberg: "Ich habe einen hohen Respekt von dem, was in der Verwaltung geleistet wird."
Handwerk genauso anerkennen wie Abitur und Studium "Mein Anliegen ist es, seitdem ich Politik mache, dass wir aufhören zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu unterscheiden. In meiner Generation hieß es immer: Hier das Abitur und da der Rest. Durch das hessische Hochschulgesetz wird mittlerweile auch Handwerkern nach der Meisterprüfung ermöglicht, dass sie studieren können - selbst wenn sie kein Abitur haben."
Boddenberg ist überzeugt: "Wenn das mehr Menschen leben, ging es uns auch eines Tages besser, indem wir mehr Fachkräfte haben, die auch in der Lage sind, eine Heizung, die heute Hightech ist, zu reparieren oder Fenster einzubauen."
Die Entwicklung des Handwerks ist besorgniserregend: "Mit mal 20.000 Metzgereien und 30.000 Bäckereien in Deutschland war die Welt noch ein bisschen anders als jetzt, wo es etwa die Hälfte ist." Da es in Deutschland immer weniger junge Menschen gebe, beschleunige sich der Vorgang zusätzlich. Durch die Schließung von immer mehr Handwerksbetrieben gehe Vielfalt verloren.
Boddenberg: "Ich esse weniger Fleisch als noch vor zwanzig Jahren."
Eines der Trendthemen bei der Frage der Lebensführung in den vergangenen Jahren: vegetarische oder gar vegane Ernährung. "Ich bemerke bei mir selber auch, dass der Fleischkonsum bewusster wird. Ich esse sicher weniger Fleisch als noch vor zwanzig Jahren", so Boddenberg. Er selbst mache das nicht gezielt nach Protokoll, es sei ihm einfach wichtig.Boddenbergs Haltung zu Fragen des Tierschutzes scheint ungewöhnlich für einen konservativen Metzgermeister a. D. Die Bewusstseinslage sei eine andere geworden, das Leben nicht mehr schwarz-weiß. "Ich bin das beste Beispiel: Ich bin Fleischermeister, komme aus einem Schlacht-Unternehmen und bin über den Tierschutz in die Politik geraten - ich sehe keinen Widerspruch, sondern meine sogar, dass das sehr gut zueinander passt."
Tierschutzfragen sind Boddenberg bis heute wichtig: "Ich glaube, da haben wir viel zu tun - auch gerade in meiner Branche." Bei den Bauernverbänden habe er immer wieder gesagt: "Aus meiner Sicht brauchen die Tiere deutlich mehr Platz." Wie das gehen solle? "Wir brauchen deutlich höhere Preise für Produkte tierischen Ursprungs, weil es unsere Mitgeschöpfe sind. Das meine ich auch im Verständnis eines Christdemokraten." Es gebe schon eine positive Grundentwicklung, "aber sie dürfte auch ein bisschen schneller gehen."
Geist Alfred Dreggers prägt schwarz-grüne Koalition
Schnell dagegen haben CDU und Grüne in Hessen zueinander gefunden. Die schwarz-grüne Koalition ist seit Jahren auffallend ruhig, selten dringt ein Streit nach draußen. Ein schlechtes Wort übereinander in Interviews (wie etwa in Bayern zwischen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seinem Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler)) - Fehlanzeige. "Die Menschen wollen, dass wir Lösungen finden und nicht, dass wir ewig streiten. Daher begrüße ich das geräuschlose Funktionieren der Koalition. Beide Seiten halten sich an Vereinbarungen", so Boddenberg. Der Wahl-Frankfurter glaubt, der Anstand zwischen den Koalitionspartnern ist in der Unterschiedlichkeit der Parteien begründet."Wir haben 2013 eine erste Koalition gebildet zwischen einer stark von Alfred Dregger geprägten - konservativen, modernen, aufgeschlossenen - CDU einerseits. Der andere Teil: die Fischer-Truppe der Grünen, die ihre Wiegen am intensivsten in Hessen hatten. Wenn man zwei solche Parteien in eine Koalition führen will, müssen beide Seiten die Werte des Anderen anerkennen." Mit Fairness, Akzeptanz und Toleranz ließen sich so auch größere Meinungsverschiedenheiten austarieren. (Tobias Bayer und Christian P. Stadtfeld) +++