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Der Angeklagte (r.) sagte am Freitag vor dem Fuldaer Landgericht aus - Foto: Carina Jirsch

FULDA Täter und Opfer äußern sich

Mordprozess nach Tat in Lehnerz: "Die Corona-Pandemie hat mich verändert"

15.01.22 - Sie standen sich so nahe, wie zwei Brüder. Doch diese Freundschaft zweier Männer endete im Juli 2021 auf brutalste Weise. Am Landgericht Fulda stellt sich deswegen seit Donnerstag die Frage, weshalb ein 57-Jähriger aus Fulda-Lehnerz seinen ehemals besten Freund mit einem Fleischklopfer und einem Messer schwer verletzte. Schmerz, Unverständnis und Enttäuschung standen sowohl dem Angeklagten als auch dem Opfer ins Gesicht geschrieben. Aber zurück auf Anfang.

Wie bereits berichtet, soll der 57-jährige Angeklagte in seiner eigenen Wohnung auf seinen Ex-Arbeitskollegen und Freund losgegangen und ihm mittels Fleischklopfer und Klappmesser mehrere Stichverletzungen zugefügt haben. Bereits während des zweiten Verhandlungstags am Freitagvormittag gab der in Polen geborene Mann die Tat zu: "Ich wollte ihn schlagen, aber nicht töten." 

Corona-Pandemie

Bis heute sei es für ihn unerklärlich, weshalb es überhaupt so weit kommen konnte. "Seit der Corona-Pandemie bin ich nicht mehr ich selbst. Aufgrund meiner Vorerkrankung hatte ich große Angst, mich mit dem Virus anzustecken", berichtet der Angeklagte. Bevor der gelernte Bergmann im Jahr 1999 nach Deutschland zog, wurde er in Polen in einen Verkehrsunfall verwickelt. "Ich war nicht richtig krankenversichert, weshalb meine Verletzung nie behandelt wurde." Atembeschwerden würden ihn seither prägen, doch erst, nachdem er nach Deutschland gekommen war, wurde eine ärztliche Untersuchung durchgeführt. "Ich hatte drei Rippen gebrochen, weshalb ich auf einem Lungenflügel nicht richtig atmen kann - bis heute." 

Am 16. Juli 2021 wurde der Tatort in Lehnerz abgesperrt Archivfoto: O|N

Nachdem der Angeklagte 2003 von Heilbronn nach Fulda gezogen war, ging er unterschiedlichen Beschäftigungen nach. Beim Zeitung austragen vor vier, fünf Jahren, lernte er dann seinen späteren besten Freund kennen, der ebenfalls aus Polen stammt. "Ich war nie verheiratet und lebe in Fulda-Lehnerz alleine in einer Wohnung. Außerdem habe ich zwei Söhne in Polen, zu denen ich keinen Kontakt habe." Sein Kollege und er teilten die gleichen Interessen und verstanden sich sehr gut. "Mit Beginn der Corona-Krise, kündigte ich meinen Job und verließ das Haus nicht mehr. Zu groß war die Angst vor einer Ansteckung." Sein Freund und dessen Ehefrau versorgten den 57-Jährigen und gingen für ihn einkaufen. Sie waren seine einzigen Kontaktpersonen.

Während sich der Angeklagte immer weiter abschottete, nahm auch sein Alkohol- und Drogenkonsum stark zu. "Ich rauchte immer mehr Cannabis und Marihuana und nahm mehrfach täglich Tramal zu mir." Am Tattag und zwei Wochen zuvor habe er laut eigener Aussage jedoch keine Joints geraucht. "Das Internet und der Fernseher waren für mich überlebenswichtig." Doch als dies dann nicht mehr richtig funktionierte, nahm das Unglück seinen Lauf.

In Panik geraten

"Ich kam ich mir vor, wie von der Außenwelt abgeschnitten. Es war ein Weltuntergang für mich, dass das Fernsehbild immer wieder stehen blieb und meine Internetverbindung so langsam war." Er rief seinen Kumpel an und bat ihn um Hilfe, der versprach, am nächsten Tag nach dem Rechten zu sehen. Beim Treffen in der Wohnung eskalierte die Situation. Das benötigte Passwort für das Internet war nicht griffbereit, weshalb der Angeklagte in Panik geriet. Voller Verzweiflung ging er in die Küche, griff Fleischklopfer und Messer und attackierte seinen 46 Jahre alten Freund.

Nachdem dieser blutüberströmt aus der Wohnung flüchten konnte, "schlug ich mit dem Fleischklopfer auf den Tisch, TV und Computer. Als ich wieder klar wurde, rief ich bei der Polizei an und stellte mich. Mir war klar, was ich gemacht habe. Mir tut das alles sehr leid, aber Drogen, Alkohol und die Corona-Pandemie haben mich verändert".

Foto: Carina Jirsch

Opfer: "Er hat sich verändert"

Am Freitagmittag sahen sich die ehemaligen Freunde zum ersten Mal nach der Tat in die Augen. Der Angegriffene und seine 39-jährige Ehefrau wurden als Zeugen geladen und bestätigten: "So kannten wir ihn nicht. Wir haben ihn nie aggressiv erlebt. Seit der Pandemie war er nervöser und voller Angst." Aufgrund seiner Verletzungen befindet sich der Mann aus Petersberg bis heute in ärztlicher Behandlung und kann noch immer nicht wieder arbeiten. "Mein Sehvermögen ist beeinträchtigt, weil er mich mit dem Messer am Auge traf", übersetzte die Dolmetscherin vor Gericht. Außerdem leidet er seit der Tat unter Schlaf- und Angststörungen sowie Schulter- und Kopfschmerzen. "Als er auf mich losging, machte ich noch einen Spaß und fragte 'Willst du jetzt das Fleisch für das Mittagessen klopfen?'. Danach lächelte er und schlug auf mich ein", erinnert sich der 46-Jährige abschließend.

Der nächste Gerichtstermin ist für den 21. Januar geplant. (nb) +++

https://osthessen-news.de/n11649491/blutueberstroemter-mann-44-und-viel-polizei-festnahme-was-ist-passiert.html


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