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Aerosolforscher erklärt den Unterschied: "Vorsicht in den Innenräumen"
06.02.22 - "Wir müssen mit dem Virus leben und können es nicht mehr ausrotten. Dazu müssen wir die wirksamen Maßnahmen kommunizieren und die unwirksamen Maßnahmen beenden. In Zukunft braucht es in Deutschland eine bessere Datenlage, dazu schlagen wir die Beobachtung von einer oder mehreren Kohorten vor, ähnlich wie bei der Influenza", sagt der Aerosolforscher Doktor Gerhard Scheuch gegenüber OSTHESSEN|NEWS.
Zusammen mit weiteren Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen, wie unter anderem mit Chefarzt Dr. med. Thomas Voshaar (Lungen- und Thoraxzentrum Moers) und dem Mathematiker und Medizinstatistiker Professor Dr. rer. nat. Gerd Antes (Universität Freiburg) hat Scheuch ein Positionspapier erstellt.
"Mit diesem Positionspapier machen wir Vorschläge, wie in Zukunft ein Leben mit diesen Coronaviren möglich ist", schreibt das Forum Sokrates auf seiner Internetseite. Scheuch ist einer der Gründungsmitglieder. "Oberstes Ziel dieser neuen Strategie sollte sein, vor allem die vulnerablen Gruppen zu schützen, Todesfälle durch das Virus zu verhindern, eine nach transparenten Kriterien nachvollziehbare Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden und die Funktion der Infrastrukturen aufrechtzuerhalten", erklären die Experten weiter.
Unter anderem schlagen sie vor, das Monitoring von Infektions-Inzidenzen zu beenden, das diagnostische Testen bei Symptomen, die bisherigen Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen, repräsentative Gruppen ("Kohorte") aufzubauen sowie die Umstrukturierung des Meldewesens.
Auf gute Lufthygiene achten
Scheuch sieht die virenhaltige Aerosole als Gefahr und Übertragungsweg. Deshalb sei in erster Linie in Innenräumen auf eine gute Lufthygiene zu achten. Im Außenbereich dagegen spricht sich Scheuch für die Aufhebung der Maßnahmen aus. "Im Außenbereich kann man alle Maßnahmen beenden. Natürlich kann man mehr Zuschauer in den Stadien oder auf den Sportanlagen erlauben. In Innenräumen, insbesondere dort, wo sich mehrere Menschen zusammen aufhalten, sollte man vorsichtig sein", erklärt Scheuch auf Anfrage von OSTHESSEN|NEWS zusammenfassend.In Innenräumen dagegen erneuert der Aerosolforscher seine Hinweise, vorsichtig zu sein. Dazu gehören vor allem das regelmäßige Lüften. Auch geeignete Luftfiltergeräte seien sinnvoll. Kleine und schlechte belüftete Räumen sollen gemieden werden. Das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken (FFP2-Masken) sei wichtig, gerade auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
"Die Aerosole, die die Viren enthalten, entstehen beim Atmen und können sehr lange in der Luft bleiben. Sie sind in der Nähe einer infektiösen Person besonders ansteckend, reichern sich in geschlossenen Räumen aber auch stark an. Es gibt einzelne Superemitter, also Personen, die viele Viren ausatmen und dann auch viele andere Menschen anstecken und es gibt Infizierte, die niemanden anstecken. Die Anzahl der Personen, die Superemitter sind, ändert sich bei den verschiedenen Varianten. Wahrscheinlich sind bei Omikron mehr Menschen Superemitter", erklärt Scheuch weiter.
Einzelhandel "relativ unbedenklich"
Im Einzelhandel schätzt Scheuch die Situation wie folgt ein: "Im Einzelhandel würde ich die Situation als relativ unbedenklich einstufen. Denn dort herrscht strenges Maskengebot. Und die Geschäfte haben oft ein großes Raumvolumen, dadurch verdünnen sich die ausgeatmeten Aerosole sehr schnell und die Aufenthaltszeiten in den Geschäften ist meist nicht allzu hoch."Zum Thema Gastronomie empfiehlt der Aerosolforscher: "In der Gastronomie sollte man sich vorsichtig verhalten. Die Betreiber sollten für ausreichende Frischluftzufuhr sorgen und möglicherweise Raumluftfilter einsetzen. Die Besucher sollten lieber auch am Tisch die Maske auflassen, wenn die Inzidenzen in einer Region sehr hoch sind."
Wie beurteilt der Aerosolforscher aus Gemünden (Wohra) im Landkreis Waldeck-Frankenberg die Diskussionen zu einer möglichen Impfpflicht? Wie stehen Sie zur Impfpflicht-Diskussion? "Ich bin kein Politiker und halte mich da aus der Diskussion als Aerosolforscher heraus. Nur soviel: Ich würde mir Impfstoffe wünschen, die man inhalieren, also einatmen kann. Denn so finden ja auch die Infektionen statt, das könnte zu einer besseren Immunantwort auf den Schleimhäuten führen."
Abschließend heißt es in dem Positionspapier: "Oberstes Ziel der Maßnahmen sollte sein, ein möglichst normales Leben zu garantieren. Insbesondere muss wieder mehr die Verhältnismäßigkeit in den Vordergrund rücken. Die pandemiebestimmten Einschränkungen erzeugen an vielen Stellen soziale, gesundheitliche und finanzielle Nachteile, möglicherweise sogar Todesfälle. Diese Nachteile müssen ebenfalls im Sinne einer Güterabwägung ideologiefrei berücksichtigt werden." (Hans-Hubertus Braune) +++