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Arbeitsgericht gibt Amazon-Betriebsrat Recht: Abmahnung ist hinfällig
02.02.22 - Anis Zitoun, den sein Arbeitgeber, der Versandhändler Amazon in Bad Hersfeld wegen angeblicher antisemitischer Äußerungen abgemahnt hatte (O|N berichtete), ist happy: "Ich bin glücklich, dass es in Deutschland möglich ist, Gerechtigkeit zu bekommen", sagt der 45-Jährige erleichtert, der bereits seit 19 Jahren bei Amazon arbeitet und im Betriebsrat und Schwerbehindertenvertreter ist. Denn das Arbeitsgericht Fulda hat mittlerweile entschieden, dass der Arbeitgeber die Abmahnung aus der Personalakte von Zitoun entfernen und die Kosten des Verfahrens tragen muss.
Der schwerwiegende Vorwurf des Arbeitgebers gegen ihn: Angeblich hatte er sich in einer Arbeitspause antisemitisch geäußert und damit gegen einen Ehrenkodex des Versandhändlers verstoßen. "An diesem Vorwurf stimmt überhaupt nichts", hatte Zitoun erklärt und deshalb gegen die Abmahnung beim Arbeitsgericht geklagt - und schließlich Recht bekommen.
Er hatte geschildert, was sich in einer Raucherpause zugetragen hatte. "Ich saß dort mit mehreren Kolleg:innen zusammen und habe erzählt, dass ich mich gerade habe impfen lassen. Ich war bei einem mir bis dahin unbekannten Arzt in dessen Praxis, meine Frau war auch dabei. Der Arzt fragte, wo wir denn herkämen und ich sagte, aus Tunesien. Ich fragte ihn wiederum nach seiner Herkunft und er sagte, er komme aus Palästina. Darauf habe ich erwidert, sein Vorname sei aber kein arabischer Name, worauf er sagte, er sei Jude. Wir wurden geimpft, alles gut." Doch Zitoun hatte in diesem Zusammenhang auch erzählt, dass die Praxis unordentlich gewesen sei und hygienische Mängel aufwies. Eine Managerin, die während Zitouns Bericht telefoniert hatte, sprach ihn anschließend auf seine Äußerung an und machte ihm den Vorwurf, er habe sich antisemitisch geäußert. Das bestritt der so Beschuldigte vehement und sagte zu ihr, sie irre sich, sie habe ja telefoniert und gar nicht richtig gehört, was er gesagt habe. "Ich bin nur verantwortlich für das, was ich sage, nicht für das, was Du hörst", habe er ihr empört erwidert.
Doch er bekam die Abmahnung, in der es hieß, mit diesem Verhalten habe er in erheblichem Maß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. "Sie haben sich vorliegend antisemitisch geäußert, da Sie den angeblich unaufgeräumten Zustand der Arztpraxis mit der vermeintlichen Eigenschaft als Jude zusammengebracht und somit eine pauschale negative Konnotation verliehen haben. Die von Ihnen getätigten Aussagen sind inakzeptabel", hatte Amazon ihm vorgeworfen.
"Das ist ja nicht irgendein Vorwurf!"
Doch das Arbeitsgericht urteilte zugunsten des 45-Jährigen, dem diese Rehabilitierung auch sehr wichtig ist. "Antisemitismus ist ja nicht irgendein Vorwurf wie Zuspätkommen oder ähnliche Versäumnisse", sagt er. Er sei natürlich im Betrieb immer wieder auf seine angebliche Verfehlung angesprochen worden und musste sich seinen Kollegen gegenüber rechtfertigen.
"Und für die ist meine Haltung gerade als Betriebsrat natürlich wichtig. Ich bin für sie da und unterstütze sie, wenn sie Probleme haben. Da bin ich wirklich froh, dass diese Abmahnung jetzt vom Tisch ist", sagt Zitoun. Doch der Fall hat für ihn noch nicht abgeschlossen. "Ich werde auf jeden Fall noch eine Privatklage wegen Verleumdung und übler Nachrede gegen die betreffende Managerin anstrengen", sagt Anis Zitoun, der so seine Ehre als integrer Mitarbeiter und Betriebsrat verteidigen will. (ci)+++