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Die Erinnerung ist präsent: Schrecklicher Radarmord auf der A 4 im Januar 2000
05.02.22 - Die schreckliche Tat in der Nacht zum Montag bei Kusel in Rheinland-Pfalz weckt Erinnerungen an den 18. Januar 2000. Damals verlor der 41-jährige Polizeihauptmeister Günter Knöpfel sein Leben. An der A 4 kurz vor dem Kirchheimer Dreieck hat er zusammen mit einem Kollegen eine Radarkontrolle aufgebaut. Das Radargerät blitzte ein Fahrzeug, dessen Fahrer wenig später an die Kontrollstelle zurückkehrt, eine Panne vortäuscht und dann Knöpfel erschoss. Sein Kollege konnte sich damals retten, er sprang einen angrenzenden Abhang in den Wald hinunter.
Das Tatmotiv: Der Täter fürchtete wohl, seinen Job als Busfahrer zu verlieren. Was er nicht wusste: Die Radarmessung war noch gar nicht in Betrieb, die Messung wäre nicht geahndet worden. Der Vorfall sorgte bundesweit für Entsetzen und Trauer. "Das geschilderte Verbrechen zum Nachteil von Günter Knöpfel machte einmal mehr auf dramatische Weise deutlich, welchen Gefahren Polizeibeamte selbst bei Routinemaßnahmen ausgesetzt sein können und sollte daher jederzeit in Erinnerung bleiben", schrieb Martin Angelstein vor zwölf Jahren in seinem Artikel - zehn Jahre nach der Tat.
Seine Worte sind heute aktueller denn je. In Kusel (Landkreis Kusel, Rheinland-Pfalz) starben in der Nacht zu Montag eine 24-jährige Polizeianwärterin und ein 29-jähriger Oberkommissar, als sie ein Fahrzeug auf der Kreisstraße 22 zwischen Mayweilerhof und Ulmet kontrollieren wollten. Die Polizei nahm am Montag zwei Männer fest. Nach ersten Erkenntnissen wollten sie Wilderei verdecken. Das erklärten die Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag während einer Pressekonferenz in Kaiserslautern. Die beiden tatverdächtigen Männer sitzen in Untersuchungshaft. Kolleginnen und Kollegen, die Familien und Angehörigen sowie die Freundinnen und Freunde trauern um zwei junge Menschen, die wie Peter Knöpfel im Dienst starben. Bei Kontrollen wurden sie erschossen. ( Polizisten-Morde sind Morde an unserer Gesellschaft! )
Nachfolgend der Artikel vom 18. Januar 2010 von Martin Angelstein. Als Journalist und Gründer von OSTHESSEN|NEWS sowie Kameramann und Reporter beim Hessischen Rundfunk musste er sich damals intensiv mit dem Vorfall beschäftigen (Hans-Hubertus Braune)
Vor 10 Jahren: PHM KNÖPFEL erschossen - Lebenslänglich für Radar-Mörder
Zum zehnten Mal jährt sich am heutigen 18. Januar 2010 ein grausames Verbrechen, das als "Radarmord" für bundesweite Schlagzeilen sorgte. Der Polizeihauptmeister (PHM) Günter Knöpfel wurde am 18.01.2000 um 17.30 Uhr in Ausübung seines Dienstes während einer stationären Radarmessung auf der BAB A 4 erschossen (Foto rechts). Der ermordete Beamte der Polizeiautobahnstation Bad Hersfeld war zur Tatzeit gerade einmal 41 Jahre alt und hinterließ eine Frau und zwei damals minderjährige Kinder. Es war ein Verbrechen, dem ein tragischer Irrtum zugrunde lag: der zu lebenslanger Haft wegen Mordes - in Tateinheit mit Geiselnahme mit Todesfolge und fahrlässiger Körperverletzung - Verurteilte glaubte, nach der Radarmessung würde er seinen Job als Busfahrer verlieren. Dabei hatte es sich nur um eine "Probe-Messung" gehandelt, die überhaupt nicht ausgewertet worden wäre. Wäre K. damals einfach weitergefahren, es wäre nichts passiert - und ein Familienvater noch am Leben.
Am Tattag, 18.01.2000, versieht der Radartrupp der PASt Bad Hersfeld Spätdienst und führt auf der A4 bei km 364,0 in Fahrtrichtung West (ca. 4 km vor Kirchheim) eine Radarmessung durch. Gegen 17.30 Uhr (jahreszeitbedingt ist es inzwischen dunkel) erscheint auf der Fahrerseite des Radarfahrzeugs eine männliche Person und täuscht zunächst eine Fahrzeugpanne vor. Diese Person reißt plötzlich die Fahrertür auf und schießt ohne jede Ankündigung auf den auf dem Fahrersitz sitzenden PHM Knöpfel, der tödlich ins Herz getroffen wird. Vom Täter wird nur ein Schuss abgefeuert. Das Projektil durchschlägt anschließend noch den Unterarm des auf dem Beifahrersitz sitzenden Polizeibeamten. Dieser lässt sich aus dem Fahrzeug und ein Stück auf die direkt daneben befindliche Böschung fallen.
Der später ermittelte 46-jährige Täter, K., kann zunächst unerkannt entkommen. Das 9 mm Projektil, das PHM Knöpfel tödlich ins Herz getroffen hat, wird gefunden und kann vom BKA zugeordnet werden. Mit der gleichen Waffe war bereits im Milieu in Halle geschossen und eine seinerzeit unaufgeklärte Straftat begangen worden.
Parallele Ermittlungen der Kriminalpolizei Bad Hersfeld in Halle und Sichtung des Messfilms/Testfilms führen zum Täter. Das gesuchte Fahrzeug des K. befindet sich auf dem vor der eigentlichen Messung belichteten Testfilm, der für eine Auswertung / Ahndung in der Regel nicht herangezogen wird. Dementsprechend wäre der vermeintliche Geschwindigkeitsverstoß des Täters grundsätzlich nie zur Auswertung bzw. Ahndung gekommen. Der aus Halle stammende und in Frankfurt/Main als Busfahrer arbeitende Täter fürchtete um seine Fahrerlaubnis, hatte in Flensburg einen hohen Punktestand und bereits eine Fahrverbotszeit hinter sich. Später erklärte er, der Schuss sei "aus Versehen" losgegangen.
K. wird durch ein Sonderkommando der Polizei an seinem Arbeitsplatz festgenommen. Die Tatwaffe, die auf der Toilette versteckt war, wird aufgefunden. Am 19.9.2000 verurteilt ihn die große Strafkammer des Landgerichts Fulda zu zwölf Jahren und sechs Monaten Haft wegen Totschlags in Verbindung mit schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge. Dieses erste Urteil wird nicht rechtskräftig und später durch den BGH in Karlsruhe aufgehoben. Am 26.4.2002 wird K. wegen Mordes rechtskräftig zu 15 Jahren Haft verurteilt. Während der Urteilsverkündung erreicht die anwesenden Reporter die Nachricht von einer AMOK-Lage in einer Erfurter Schule. Diese tragischen Ereignisse lassen die Berichterstattung über die Verurteilung des Polizistenmörders an die zweite Stelle treten.
Das geschilderte Verbrechen zum Nachteil von Günter Knöpfel machte einmal mehr auf dramatische Weise deutlich, welchen Gefahren Polizeibeamte selbst bei Routinemaßnahmen ausgesetzt sein können und sollte daher jederzeit in Erinnerung bleiben. "Das Polizeipräsidium Osthessen wird PHM Günter Knöpfel stets ein ehrendes Andenken bewahren" erklärte Pressesprecher Carsten Sippel. An der Stelle, wo der Mord passierte, wurde ein Gedenkkreuz mit Namen aufgestellt. Später allerdings, als die Autobahn in diesem Bereich ausgebaut und verbreitert wurde, verschwand die Fläche - und auch das Kreuz. (ma) +++
Vor 10 Jahren: PHM KNÖPFEL erschossen - Lebenslänglich für Radar-Mörder