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Michael Hellerforth hielt seinen Vortrag bei der Fuldaer Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) - Fotos: FSP

FULDA Vortrag bei der GPS

"Der große Sprung des Drachen" - Chinesische Entwicklungspolitik in Afrika"

17.03.22 - Chinas Entwicklungspolitik in Afrika als Teil einer expansiven Außenpolitik hatte zwar im Mittelpunkt der Vortragsrunde der Fuldaer Sektion für Sicherheitspolitik (GSP) gestanden. Dennoch überschattete der von Russland gegen die Ukraine geführte Angriffskrieg die Ausführungen des Referenten und sicherheitspolitischen Experten Michael Hellerforth. Vor rund 40 Gästen im Bronnzeller Hotel Jägerhaus betonte Hellerforth, Russland dominiere wegen des Ukrainekrieges gegenwärtig die Berichterstattung der Medien. Aus seiner Sicht jedoch sind die gegenwärtigen Positionen und Entwicklungen beider Länder eng miteinander verknüpft.

Schweigeminute

Mit einer Schweigeminute für die Opfer des Krieges hatte zuvor die GSP-Veranstaltung begonnen. Sektionsleiter Michael Trost machte deutlich, "wie sehr uns der Krieg betroffen macht in Deutschland und der gesamten Welt." China spiele im Zusammenhang mit der Analyse des Einmarschs der russischen Armee in der Ukraine eine besondere Rolle.

Für China sei der Krieg in der Ukraine "ein Albtraum." Wenn 150 Nationen sich gegen eine zusammenschließen, "geht das letztlich auch gegen China", urteilt Hellerforth. Denn wenn Russland über die Ukraine als souveränes Land bestimmen wolle und das Territorium der Halbinsel Krim vereinnahmen könne, habe dieses Vorgehen unweigerlich auch Folgen für die chinesische Politik. Auf Taiwan übertragen könne das bedeuten, China könnte gezwungen werden, auf die Insel zu verzichten. Ein aus Pekinger Sicht unvorstellbarer Gedanke. China hätte deshalb die Ukraine eigentlich unterstützen müssen. Stattdessen "rauchen nun die Köpfe bei der chinesischen Partei", vermutet der Münsteraner Sicherheitsexperte.

Keine Freunde, nur Interessen

"Staaten haben keine Freunde, sondern Interessen….", zitierte Hellerfort zum Einstieg in seinen Vortrag  über "Der große Sprung des Drachen - Chinesische Entwicklungspolitik in Afrika als Teil einer expansiven Außenpolitik" Ex-Bundeskanzler  Helmut Schmidt und präzisierte, "insbesondere die Chinesen denken so." 141 Nationen hätten aktuell den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt. "Da tut sich etwas, was nicht im Interesse der Chinesen ist." Bevor Hellerforth sich Chinas politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten in Afrika zuwandte, skizzierte er zunächst die historische Entwicklungsgeschichte des Landes, das Napoleon bereits als "schlafenden Löwen" beschrieben hatte. Die "chinesische Weltsicht" von heute umfasse neben dem Mutterland einen Großteil der Inseln im chinesischen Meer. Vor 40 Jahren war China noch ein Entwicklungsland. Unter dem Gründer der Kommunistischen Partei (KP), Mao, seien 40 bis 50 Millionen Chinesen elend zugrunde gegangen. Unter Mao habe es kaum Industrie, dafür aber Massen "roter Bücher" gegeben. Wie sehr sich das Land unter seinen Nachfolgern in den letzten 30 Jahren verändert hat, dafür stehe die beispiellose Entwicklung Shanghais. Mao-Nachfolger Deng Xiaoping habe diesen Veränderungsprozess in Gang gesetzt und sei "wohl der weltoffenste und polyglotteste Mann unter den Lenkern des Landes wie Jiaang Zemin, Hu Jintao und derzeit Xi jinping" gewesen. 

Deng habe auf sehr intelligente Weise modernisiert und den Menschen Freiheiten gelassen. Er habe die chinesische Partei auf diese Umgestaltung des Landes eingestimmt. Dazu gehörte beispielsweise auch die Schaffung einer Freihandelszone, die die Chinesen neben der englischen Kronkolonie Hongkong etabliert hatten. Mittlerweile gibt es 200 solcher Orte, "wo es mehr Kapitalismus als andernorts gibt." 1989 habe Deng den aufkeimenden Freiheits- und Demokratisierungswillen der Chinesen niederschlagen lassen. "Wenn er an dieser Stelle einen Kompromiss gefunden hätte", ist sich Hellerforth sicher, "wäre das Land ein ganzes Stück freier und liberaler geworden." Heute sei China zusammen mit den USA die größte Weltwirtschaft, leide gerade aber aufgrund seiner jüngeren Geschichte "unter einer ganzen Reihe von Traumata."  Lange habe sich das Land als "Über- und Vormacht, als "Mittelpunkt der Welt" betrachtet. Mitte des 19. Jahrhunderts sei diese Sicht vollkommen zusammengebrochen. Der von England angezettelte Opiumkrieg hat China in die Knie gezwungen. Der so genannte "Boxer-Aufstand" sowie der Einmarsch der Japaner 1937 hätten das Maß schließlich voll gemacht. "150 Jahre nur Schmach, Tod und Zerstörung", so das bittere Fazit für China, das am Ende als ein gespaltenes Land dagestanden hatte. Chinas Stärken heute: Größe der Volkswirtschaft, Wirtschaftswachstum, Forschung und Entwicklung, moderne Streitkräfte, Atommacht, Mitglied im Weltsicherheitsrat, 1,3 Milliarden Einwohner.

Chinas Schwächen: Die Rolle der Partei und Armee, Korruption, ausufernde Bürokratie, Exportabhängigkeit, Umweltverschmutzung, Wasserknappheit, Energieversorgung, ethnische Spannungen, Grenzstreitigkeiten, sinkende Binnennachfrage, politische Isolation. 

Lokale Wirtschaftskreisläufe

Afrika, so die Einschätzung des Experten, sei ein "unglaublich komplexer Kontinent" mit 54 Ländern, 80.000 verschiedenen Sprachen und Tausenden von Völkern. Warum China an Afrika so interessiert sei? Für Hellerforth gibt es drei wesentliche Gründe. Erstens: Um die Kontrolle des Ostens Afrikas und damit der Exporthandelswege zu erlangen. Zweitens: Rohstoffe. China habe inzwischen Handel so genannter "seltenen Erden" unter Kontrolle. Und drittens: Die Chinesen investieren in afrikanische Arbeitskräfte, "weil das billiger ist. So kapitalistisch ist man inzwischen."

Die chinesische Strategie setze dabei auf politisches Lobbying, staatliche Kredite, Projektvergabe (Projektaufbau und -betrieb) und schließlich Schuldentilgung durch Rohstoffe. 50.000 chinesische Soldaten sind inzwischen in Afrika. Sie bauen als Ingenieure und in den unterschiedlichsten Berufen Straßen und weitere wichtige Infrastruktur für die jeweiligen Staaten auf. Das Vorgehen der Chinesen nennt Hellerforth "clever und postkolonial."  

Denn sie beuten die Länder mit knallharten Verträgen aus". Aktuell werde beispielsweise eine Eisenbahn zwischen Dakar und Bamako gebaut, um an Rohstoffe zu gelangen. Im ostafrikanischen Djibouti gibt es inzwischen neben einer amerikanischen, französischen und japanischen Basis sogar einen chinesischen Militärstützpunkt; übrigens: der erste auf dem Kontinent. Während die Chinesen die Bilateralität förderten, nehme die partnerschaftliche Hilfe in Afrika gerade erst an Fahrt auf, bedauerte der Referent. Hellerforth fordert deshalb: "Wir brauchen eine lokale, nachhaltige Entwicklung!" Einem Chinesen sei es egal, wie es einem Afrikaner geht. Wenn es nicht gelinge, lokale Wirtschaftskreisläufe in den afrikanischen Staaten zu bilden, werden "wir ein Problem haben." (pm)+++


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