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Zur geplanten Legalisierung von Cannabis: "Viel Rauch um nichts!"
22.06.22 - Der langjährige Fuldaer Staatsanwalt Harry Wilke hat sich am Landgericht Fulda jahrzehntelang mit dem illegalen Gebrauch von Betäubungsmitteln beschäftigt. Die Diskussion um die Freigabe von Cannabis hat ihn über 20 Jahre seines Berufslebens begleitet. Lesen Sie seine fachliche Einschätzung zur geplanten Gesetzesänderung des Bundestags, mit der die Abgabe von Cannabis an über 18-Jährige legalisiert werden soll. Harry Wilke legt Wert auf die Feststellung, dass er nie einer Partei angehört hat.
"Die neue Bundesregierung will die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften gesetzlich regeln. Dazu werden folgende Argumente angeführt: Cannabis sei ungefährlicher als Alkohol. Die bisherige Drogenpolitik sei gescheitert, es werde sowieso überall gekifft. Die Allgemeinheit, besonders aber Jugendliche, sollen durch die Freigabe vor der Drogenmafia geschützt und entkriminalisiert werden. Die Polizei und Justiz werde durch die Legalisierung entlastet und dadurch Ressourcen eingespart. Außerdem könnten auf dieses Weise Steuereinnahmen generiert werden.
Nicht erwähnt wird allerdings, dass der bloße Konsum von Cannabis schon nach der jetzigen Gesetzeslage nicht strafbar ist und der Erwerb von sogenannten geringen Mengen (in den meisten Bundesländern bis zu 6 Gramm brutto) von der Justiz nicht mehr verfolgt wird. Wen also betrifft die geplante Gesetzesänderung?
Zunächst einmal Personen über 18 Jahren, die Cannabis zum Eigenkonsum legal erwerben wollen und nicht beim Dealer um die Ecke. Das könnte der Gelegenheitskiffer sein, der Cannabis mal probieren möchte, aber auch der Dauerkiffer, der statt eines Bierchens oder Weinchens eben Cannabis konsumiert.
Nicht betroffen sind Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren, die ja eigentlich geschützt werden sollen. Diese haben einen Großteil meiner Fälle im Drogendezernat ausgemacht. Da Cannabis teuer ist (ab 10 Euro pro Gramm - je nach Qualität) haben viele ihren Konsum von teilweise mehreren Gramm am Tag, durch Diebstahl, Beschaffungskriminalität oder Dealen finanziert. Dabei wird eine größere Menge günstig eingekauft, die Hälfte gewinnbringend verkauft und mit dem Gewinn der eigene Konsum finanziert. Das ist natürlich strafbar und führt in der Regel zur Anklage. Daran ändert auch die geplante Gesetzesänderung nichts.
Kiffen oder Führerschein?
Bleiben also noch die über 18-Jährigen, die gelegentlich oder regelmäßig Cannabis konsumieren möchten - diese müssen sich aber entscheiden: Kiffen oder Führerschein, denn selbstverständlich ist auch das Fahren unter Drogeneinfluss verboten. Wird jemand beim Fahren unter Drogeneinfluss erwischt und eine Blutprobe entnommen, kann anhand des THC-Gehalts der Konsum von Cannabis nachgewiesen werden, was ab einem gewissen Wert zur Verhängung eines vierwöchigen Fahrverbots, 500 Euro Bußgeld und zwei Punkten in Flensburg beim Ersttäter führt. Dazu reicht schon der Konsum von ein bis zwei Joints. Hinzu kommt, dass das Abbauprodukt von THC, die THC-Carbonsäure, sich in den Körperzellen einlagert und für einen längeren Zeitraum im Blut nachgewiesen werden kann.
Die in den Körperzellen gespeicherte Carbonsäure erhöht sich zudem bei jedem weiteren Konsum. Das führt dazu, dass der Wert immer höher wird. Ab einem Wert von 150 Nanogramm pro Liter geht die Verwaltungsbehörde davon aus, dass regelmäßig Cannabis konsumiert wird - mit der Folge, dass die Fahrerlaubnis auf Dauer entzogen wird, weil man als Dauerkiffer nicht geeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs ist. Wer also auf seinen Führerschein angewiesen ist, sollte die Finger von Cannabis lassen. Kiffen und Autofahren schließt sich aus.
Wer ist denn dann eigentlich noch von der Gesetzesänderung betroffen? Eigentlich nur diejenigen, die schon immer mal kiffen wollten, aber bisher den Gang zum illegalen Dealer scheuten - diese können sich aber auch relativ gefahrlos über das Internet mit Drogen versorgen. Dieser Markt nimmt immer mehr zu, die Dunkelziffer dürfte enorm hoch sein. Erschwerend beim Erwerb in lizenzierten Geschäften dürfte auch sein, dass dem Kauf eine ausführliche Beratung durch geschultes Personal vorangehen soll. Außerdem dürfte der Preis wesentlich höher sein als auf dem Schwarzmarkt. Schließlich stellt sich noch die Frage, wie der Staat kontrollieren will, wer sein Cannabis legal erworben hat.
All das dürfte dem zuständigen Ministerium auch bekannt sein. Wenn also jetzt die Legalisierung von Cannabis gesetzlich durchgesetzt werden soll, kann das nur ideologische Gründe haben; schließlich hat man es ja dem geneigten Wähler versprochen.
Mein Fazit:
Die geplante Gesetzesänderung betrifft nur einen kleinen Teil der potenziellen Cannabiskonsumenten. Der illegale Markt bleibt bestehen - die Jugendlichen werden nicht geschützt." (Harry Wilke)+++