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Wenn auf Facebook der Sturm aufzieht: "Ja, wir trauern um jeden!"
22.07.22 - "Ich trauer um das Niveau und den Respekt, den sich Menschen nicht gleichermaßen entgegenbringen" – wie sehr spricht mir dieser Facebook-Kommentar aus der Seele! Wo ist das Mitgefühl in unserer Gesellschaft geblieben, die Vernunft, Menschen nicht innerhalb weniger Sekunden zu verurteilen? Zugetragen hat sich diese 'tolle' Diskussion unter einem Artikel über den Internationalen Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende. Ja Sie lesen richtig, nicht Junkies, sondern Gebrauchende! Denn genau dieses Wort haben sie verdient. Diese Menschen sind krank und sollten so auch behandelt werden. Niemand von uns weiß, welcher schwere Lebensweg, welches Schicksal oder was auch immer hinter der Sucht dieser Menschen steckt.
Den oben genannten Kommentar entgegnete ein Leser auf folgenden: "Jetzt trauern wir schon um Junkies". Ja, das tun wir! Denn auch diese sind Menschen, Freunde, Bekannte, Familie oder die eigenen Kinder. Auch diese Menschen haben Menschlichkeit verdient und keinen Hohn und Spott. "In den seltensten Fällen war es eine Entscheidung für die Drogen. Sondern eine Entscheidung gegen ein anderes unvorstellbares Leid", schreibt eine andere Userin. Und genau so sieht es in der Realität meist aus.
Die Tatsache, wie viele feindliche Kommentare sich teils unter diesem Facebookbeitrag befinden, macht mich einfach nur traurig. Sucht hat viele Gründe und es kann – halten Sie sich fest – jeden treffen. Doch wie in Gottes Namen soll man sich trauen, sich in einer solchen Gesellschaft Hilfe zu suchen, die doch augenscheinlich nur voller herzloser und verurteilender Mitmenschen zu sein scheint. Ich möchte nicht wissen, wie viele unter uns sind, die niemals darüber sprechen würden. Drogenabhängigkeit ist eine Krankheit, genau wie Diabetes und Co. Aber seien wir doch mal ehrlich, psychische Krankheiten sind ja allemal nicht gerne gesehen in unserer ach so 'perfekten' Gesellschaft.
Wir sollten uns gegenseitig unterstützen und nicht innerhalb weniger Augenblicke urteilen, sondern füreinander da sein und jeden so nehmen wie er ist. Ich durfte dieser Veranstaltung gestern beiwohnen, Erfahrungen von ehemals Abhängigen hören und sehen, dass auch Drogensucht jeden treffen kann. Und wissen Sie, was das Traurigste an all dem war? Dass die Menschen, die aktuell betreut werden, sich nicht mal dorthin getraut haben. Aus der Angst heraus von anderen verurteilt zu werden. Ist es das, was wir für unsere Gesellschaft wollen? Ich will es jedenfalls nicht und das sage ich auch gerne laut! (Michelle Kedmenec) +++