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Sascha Gramm entging in Norwegene nur knapp einem Unglück - Fotos: Canal Aventure/shams

HOSENFELD / NORWEGEN Halluzinationen und Unterkühlung

Sascha Gramm kämpft in norwegischer Wildnis ums Überleben

02.08.22 - Es waren dramatische Stunden, die Sascha Gramm durchleiden musste. Der Extremläufer aus Hainzell wollte beim Ultra Norway eigentlich den vorletzten Schritt zur Vervollständigung der Continental Challenge gehen. Doch das sportliche Abschneiden rückte sehr schnell in den Hintergrund. Stattdessen kämpfte Gramm im eisigen und nassen Norden Norwegens um sein Überleben. 

Halluzinationen in der norwegischen Wildnis, Unterkühlung, Rettung mit einem Militärhubschrauber. Was klingt wie die Zutaten eines Hollywood-Films, hat Sascha Gramm am eigenen Leib erfahren. Inzwischen ist Gramm wieder zurück in Deutschland und konnte die Erlebnisse in Norwegen ein erstes Mal Revue passieren lassen. Er sagt: "Es war wirklich eine sehr bedrohliche Situation. Ich habe einfach nur noch funktioniert und zum Glück, instinktiv die richtigen Entscheidungen getroffen. Das Rettungsteam und der Veranstalter sagten mir, dass viele andere panisch geworden wären. Das wäre wohl mein Todesurteil gewesen." 

Und auch beim Veranstalter war die Freude über Gramms unverletzte Rückkehr groß ...

Doch wie konnte es so weit überhaupt kommen? 

Dass der Lauf sehr herausfordernd werden würde, war Gramm schon vor seinem Aufbruch nach Norwegen bewusst. Er sprach im Vorfeld von einem "richtigen Brett". Nicht vergleichbar mit einem normalen 140 Kilometer Lauf. Wobei "Lauf" hier wohl auch das falsche Wort ist. "Kletterei" trifft es wohl eher. Denn die Route führte größtenteils über Berg- und Steinmassive, gepaart mit steilen Auf- und Abstiegen. Darauf konnten sich die Läufer im Vorfeld des Laufs einstellen. Was die Sache aber noch einmal verkomplizierte, waren die schlechten Witterungsbedingungen vor Ort. Regen, Nebel, Kälte. Der Norden Norwegens präsentierte sich von seiner härtesten Seite. 

Die schlechten Witterungsbedingungen setzten den Läufern stark zu

Und diese extremen Bedingungen hinterließen bei den Läufern ihre Spuren. Ein Teilnehmer nach dem anderen stieg aus dem Rennen aus oder wurden aufgrund der Witterungsbedingungen aus dem Rennen genommen. Auch Gramms zwischenzeitliche Begleiter Daniel Almanaza aus Mexiko und der Franzose Steven Villenave beendeten den Lauf vorzeitig. Ab diesem Moment, dem vorletzten Checkpoint, rund 40 Kilometer vor dem Ziel, war Gramm hinter den drei Führenden alleine unterwegs. 

Große Freude beim Wiedersehen

Zitternd in einer Felsspalte

Ohne Begleitung versagte am letzten steilen Anstieg auch noch Gramms GPS-Gerät. Auf der Suche nach dem letzten Checkpoint vor dem Ziel verirrte er sich und lief mehrere Stunden orientierungslos durch den Dauerregen. Auch der Versuch telefonisch um Hilfe zu bitten schlug fehl, weil es schlicht kein Netz gab. Und so fasste er den Entschluss, zurück zum vorherigen Checkpoints zu laufen. Diesen fand er allerdings nicht. Der nächste Gedanke: Ab ins Tal und hoffen, dass dort ein Handynetz verfügbar ist. Doch auch diese Hoffnung zerschlug sich. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits über 36 Stunden unterwegs. Und die Bedingungen setzten ihm weiter zu. "Ich fing an zu halluzinieren, sah Autos, die keine waren. Da beschloss ich erst einmal eine Pause einzulegen." Zwei Stunden ruhte er sich eingewickelt in seine SOS-Decke in einer Felsspalte aus, zitterte am ganzen Körper. "Seit diesem Moment weiß ich, was richtiges Frieren bedeutet", sagt er. Danach machte er sich wieder auf den Weg und wollte ein - laut GPS-Daten -7,5 Kilometer entferntes Dorf ansteuern. Diese Reise endete allerdings an einem Fluss. "Da war kein Durchkommen. Länger als ein paar Minuten hätte man es nicht in diesem Wasser ausgehalten", so Gramm. Und so war Gramm, mitten in der norwegischen Pampa stehen, weiter ganz auf sich alleine gestellt. Erst als er sein Handy aus der Tasche zog, um die Uhrzeit zu checken - seine Smartwatch hatte schon den Geist aufgegeben - bemerkte er, dass er plötzlich einen ganz schwachen Handy-Empfang hatte. "Im ersten Moment dachte ich, dass ich wieder halluziniere. Erst als jemand von der Bergrettung ans Telefon ging, hab ich es geglaubt", so Gramm. Keine 15 Minuten später kreiste ein Militärhubschrauber über ihm und befreite ihn nach 41,5 Stunden aus seiner gefährlichen Lage. "Ich bin extrem glücklich, dass alles so gut ausgegangen ist. Dass ich das Rennen nicht gefinisht habe, spielt überhaupt keine Rolle", so Gramm. 

Besonders bedanken möchte er sich bei den Helfern und seinen Laufkollegen. "Mit welcher Herzlichkeit sie sich um mich gesorgt habe, hat mich zutiefst berührt. Einer meiner Konkurrenten, der bereits alle Rennen der Continental Challenge erfolgreich absolviert hat, hat sogar angeboten, extra für mich noch mal nach Norwegen zu kommen und den Lauf dann gemeinsam mit mir zu absolvieren. Das bedeutet mir enorm viel." Genau wie die vielen Nachrichten von Freunden und Beannten auf den verschiedenen sozialen Netzwerken. 

Wird es denn überhaupt ein zweites Mal Norwegen geben?

Trotz dieser unschönen Erfahrung will Gramm das nicht ausschließen. "Wenn ich alles verarbeitet habe, kann ich mir schon vorstellen, noch einmal zurückzukommen. Vielleicht nicht nächstes Jahr, aber dann möglicherweise in zwei Jahren. Die Continental Challenge zu vervollständigen, bleibt weiter mein Ziel." 

Noch muss er sich aber erst von den Folgen des Dramas erholen. Aktuell sind seine Zehen aufgrund der enormen Nässe und Kälte immer noch taub. Gramm hofft, dass er bald wieder richtig trainieren und den nächsten Lauf in Angriff nehmen kann. Dann hoffentlich ohne eine hollywoodreife Rettungsaktion. (fh) +++


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