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Der verschenkte Pflegebonus: die Wohltat, die leider nicht überall ankam
17.09.22 - Es ist ein veritabler Skandal: Viele Pflegekräfte, die während der Pandemie extrem gefordert waren, haben den staatlich finanzierten Corona-Bonus von 2020 offenbar gar nicht ausgezahlt bekommen. Das geht aus einem Prüfbericht des Bundesrechnungshofes (BRH) hervor, aus dem verschiedene Medien zitieren. Die Prüfer beanstanden, das Verfahren zur Auszahlung der Prämie sei fehlerhaft und missbrauchsanfällig gewesen. Eine ungenannte Zahl an Beschäftigten in Pflegeheimen soll demnach die Sonderzahlung, die als Dankeschön für die stressige Mehrarbeit gedacht war, überhaupt nicht erhalten haben.
Viele Pflegeeinrichtungen hätten offenbar gar keine Auszahlung der Bundesmittel beantragt, heißt es in dem Bericht der Finanzprüfer. Manche Arbeitgeber hätten die staatliche Prämie nicht nur für ihre Beschäftigten, sondern unrechtmäßig auch für sich selbst geltend gemacht. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte schon erhoben, dass nur knapp 60 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege 2020 eine Corona-Prämie erhalten hätten.
Weil das Pflegepersonal in Kliniken und Altenheimen während der Corona-Pandemie extrem gefordert und gefährdet war, hatte die damalige Bundesregierung den Bonus von bis zu 1.500 Euro pro Person finanziert, der über allseitige Beifallsbekunden hinaus ein monetäres Dankeschön sein sollte. Das Gesundheitsministerium hatte die Arbeitnehmer in der Pflege vorab informiert: "Um den vom Bund finanzierten Teil des Bonus zu erhalten, müssen Sie als Beschäftigter nichts tun. Sie erhalten den Bonus automatisch von Ihrem Arbeitgeber. Dieser muss Sie auch über den Bonus informieren."
Um jetzt keinen Generalverdacht gegen die gesamte Branche aufkommen zu lassen, hat O|N hat bei den Pflegeeinrichtungen in unserer Region nachgefragt, ob hier die Prämie für die Mitarbeiter beantragt und auch ausbezahlt wurde. Hier die Antworten:
Michael Sammet, Geschäftsführer des Herz-Jesu-Krankenhauses Fulda:
DRK-Geschäftsführer Christoph Schwab und Markus Otto, Geschäftsbereichsleiter Senioren, Fulda:
"Im Juli 2020 haben wir Boni beantragt und insgesamt 540.000 Euro an unsere Pflegekräfte ausbezahlt. Auch für die nächste Tranche in diesem Jahr haben wir noch einmal 160.000 Euro beantragt. Für die Beantragung gab es klar und eindeutig formulierte Vorgaben, die wir mit unserer Personalabteilung EDV-technisch exakt umgesetzt haben, was schon mit einem Zeitaufwand verbunden war. Natürlich gab es auch eine Nachweispflicht, jeder Bonusempfänger musste mit seiner Identifizierungsnummer ausgewiesen werden.
Ein Punkt bei der Boni-Regelung stieß allerdings beim DRK KV Fulda auf völliges Unverständnis: den Rettungsdienst, dessen Beschäftige auf dem Höhepunkt der Pandemie oftmals mit dem Transport von Infizierten befasst waren, hat man bei der Bundes- und Landes-Vergütung einfach komplett vergessen. Weil wir diese Ungerechtigkeit unseren Mitarbeitern nicht plausibel hätten erklären können, haben wir eine Bonus-Auszahlung an sie ohne Re-Finanzierung vollständig aus Eigenmitteln ausbezahlt. Alles andere wäre unseren Mitarbeitern gegenüber nicht vertretbar gewesen."
Barbara Froese, Sprecherin Klinikum Fulda:
"Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klinikums Fulda und der Tochtergesellschaften haben alle vereinbarten Corona-Bonuszahlungen und zusätzlich freiwillige Zahlungen des Arbeitgebers in voller Höhe erhalten. Insgesamt wurden etwa 2,5 Mio. Euro an die Beschäftigten ausgeschüttet."
Sven Haustein, Geschäftsführer St. Vinzenz Soziale Werke gGmbH Fulda:
"Für uns ist es nicht nachvollziehbar, dass wohl einige Träger der Altenhilfe, so wie es der Presse zu entnehmen ist, den Pflegebonus in 2020 nicht ausgezahlt oder beantragt haben. Der Pflegebonus wurde vom Bund und den Ländern für Pflege- und Betreuungskräfte an die Träger ausgezahlt, die ihn dann eins zu eins an die Beschäftigten weitergegeben haben. Der Pflege- oder Corona-Bonus war an Bedingungen geknüpft, wie beispielsweise die Anwesenheit in den Einrichtungen. Langzeitkranke wurden ebenso nicht berücksichtigt, wie auch Beschäftige in Elternzeit. Deshalb wurde der Bonus in einer weiteren 2. Runde noch einmal ausgezahlt, mit der Chance, dass die Beschäftigten, die die Kriterien der ersten Runde nicht erfüllt haben, nun auch zum Zuge kamen.
Die St. Vinzenz Soziale Werke gGmbH hatte den Corona-Bonus im Jahr 2020 erfolgreich beantragt und an die Beschäftigten ausgezahlt, die in Pflege und Betreuung eingesetzt werden.
Einrichtungen, die wie die St. Vinzenz Soziale Werke dem Caritasverband angeschlossen sind, haben dann im Juni 2021 eine weitere Corona-Prämie ausgezahlt, die zu Lasten des Trägers ging. Diese Prämie wurde von den Tarifparteien der Caritas verhandelt und selbstverständlich an die Mitarbeiter vollumfänglich ausbezahlt.
Beide Prämien waren an Kriterien geknüpft, die von den Trägern sorgfältig geprüft werden mussten. Das war natürlich ein nicht unerheblicher Aufwand für die Personalabteilung. Für uns war es dennoch wichtig alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die enorme Mehrbelastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenigstens zu einem kleinen Teil zu honorieren. Die aufgerufenen Summen von Bund und Ländern haben längst nicht den Aufwand abgedeckt, der in den Einrichtungen der Altenhilfe geleistet wurde.
Aktuell wird von staatlicher Seite eine weitere Corona-Prämie an Beschäftigte in der Altenhilfe gezahlt, die im Sozialgesetzbuch 11 im Paragraf 150a geregelt ist. Hier werden neben Pflege- und Betreuungskräften auch die übrigen Berufsgruppen berücksichtigt, wenn auch nicht vollumfänglich."
Werner Hampe, Pressesprecher Klinikum Bad Hersfeld:
"Das Klinikum Bad Hersfeld hat diese Zulage (§26 d KHG) aufgrund der Überschreitung der vorgegebenen Schwellenwerte in 2021 erhalten, dies hatte der Gesetzgeber für die Verteilung festgelegt. Im HKZ, als weiterer Versorger von Covid-Patienten in unserem Verbund, wurden die notwendigen Schwellenwerte, die das INEK geprüft hat, nicht erreicht, so dass uns für das HKZ leider keine Bundesmittel zur Verfügung gestellt wurden.
Die Zulage wurden im Klinikum mit der Entgeltabrechnung Juni 2021 fristgerecht für den fest durch den Gesetzgeber definierten Mitarbeiterkreis in Abstimmung mit unserem Wirtschaftsprüfer, der die sachgemäße Verwendung testieren musste, zur Auszahlung gebracht. Aufgrund von zahlreichen Rückfragen und unterschiedlicher Stellungnahmen innerhalb der Presse möchten wir nochmals darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber verbindliche Festlegungen für die Bezugsberechtigten definiert hat. Bezugsberechtigt waren bei dieser Prämie ausschließlich Pflege- und Reinigungskräfte, die im zweiten Halbjahr 2020 regelmäßig und überwiegend auf einer definierten Coronastation, bzw. der zentralen Notaufnahme gearbeitet haben."
Natalia Lewin für die Mediana-Gruppe:
"Wir haben im Jahr 2020 und nachfolgend für unsere Mitarbeiter stets von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine steuerfreie Corona-Prämie zu zahlen. Dabei wurde der jeweilige Betrag je nach individueller coronabedingten Belastung gewählt, so dass etwa Teilzeitkräfte gegebenenfalls nicht den vollen Betrag erhalten haben.
Selbstverständlich werden wir auch den jetzt für das Jahr 2022 vorgesehene Corona-Pflegebonus an unsere Mitarbeiter zur Auszahlung bringen. Hierüber haben wir unsere Mitarbeiter bereits mit der Lohnabrechnung August umfänglich informiert. Die Auszahlung selbst erfolgt mit der Oktoberabrechnung."
Berthold Remiger, Bereichsleiter Eichhofkrankenhaus Lauterbach:
"Wir haben im Juni 2021 an alle unsere Pflegekräfte im Pflegedienst 1.735 Euro pro Vollzeitkraft, Teilzeitkräfte entsprechend ihrem Beschäftigungsumfang und unseren Reinigungskräften bis zu 1.444 Euro pro Vollzeitkraft, Teilzeitkräfte entsprechen ihrem Beschäftigungsumfang, die direkt in den Coronabereichen eingesetzt waren, bezahlt."
Wer keinen Bonus bekommen hat, soll sich melden
Sollten bezugsberechtigte Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen unser Region bei der Bonuszahlung 2020 tatsächlich leer ausgegangen sein, können sie sich gerne unter [email protected] an uns wenden. (ci)+++