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Der Vorstand des Gehörlosen Sportclubs Bad Hersfeld - von links: Hans-Joachim Goller, Heiko Krüger, Nicole Siel Cornelia Krebs, Thomas Flach, Ralf Krebs, Dirk Dippel - Fotos: Verein

BAD HERSFELD Kampf um mehr Anerkennung

Deutsche Meisterschaften im Dart - nach dem Motto: "Hallo, wir sind gehörlos"

08.10.22 - Am Wochenende finden in der Solztalhalle in Bad Hersfeld-Kathus die Deutschen Meisterschaften im Dart der Gehörlosen statt. Der veranstaltende Gehörlosen-Sportclub Bad Hersfeld freut sich über seine Rolle als Gastgeber. Gleichzeitig wünscht er sich, wie viele andere Vereine auch, größere Anerkennung sowie größeres Bewusstsein für Verantwortung und Sensibilität - getreu dem Motto der 1. Vorsitzenden Nicole Siel. Das lautet: "Hallo, wir sind gehörlos."

Eines vorweg: Es ist ansprechender und guter Sport zu erwarten. Drei Pfeile, eine Scheibe. Wie im Ally Pally, dem werbewirksamen, prestigeträchtigen und kultartigen Schauplatz der Profis in London. Mit dem Unterschied, dass die Leistungen der Spieler aus ganz Deutschland am Wochenende elektronisch erfasst werden. 16 Dart-Automaten werden installiert, es wird im "301 Master Out" gespielt, von "301 herunter auf 0". "In einer Liga spielen wir momentan noch nicht", sagt Nicole Siel, die 1. Vorsitzende des Gehörlosen-Sportclubs Hersfeld, "wir nehmen derzeit nur an Meisterschaften und Turnieren der Gehörlosen teil".

Schumann, Seke und Wojtyla - keine schlechten Aussichten

Das aber erfolgreich. Etwa in Person von Gabi Schumann, die in Eiterfeld wohnt und aus Fischbach in der Gemeinde Hauneck stammt. Sie ist viermalige Deutsche Meisterin und fünfmalige Hessenmeisterin - die Gemeinde kürte sie 2014 zur "Sportlerin des Jahres". Im Doppel tritt sie mit der dreimaligen Deutschen Meisterin der Seniorinnen und zweimaligen Hessenmeisterin Ulrike Seke aus Hersfeld an. Auch diese Kombination verspricht Erfolg. Und auf den Dartwart Thomas Wojtyla - seit 2020 ist der Hersfelder im Verein - setzt man große Stücke beim Gastgeber. Er gilt als Hoffnungsträger der Herrenspieler. Die Aussichten, bei den "Deutschen etwas zu reißen", sind gar nicht schlecht.

"Gehörlose hören nichts, da hilft auch nicht laut reden oder schreien", erklärt Siel. "Gehörlose haben eine Einschränkung in der Sprache, aber nicht so extrem. Der Wortschatz ist dann nicht so ausgeprägt wie bei Hörenden. Deshalb sprechen und nutzen wir die Gebärdensprache"

Der Heringer Hans-Joachim Goller führte den GSC Bad Hersfeld 39 Jahre als 1. Vorsitzender

Siel, die den Vorsitz des Vereins im November vergangenen Jahres vom Heringer Hans-Joachim Goller übernahm - er hatte den Gehörlosen-Sportclub Bad Hersfeld 39 Jahre lang als 1. Vorsitzender geführt - sieht im Dart für Gehörlose keine "Randsport-Art". Vielmehr entscheidende Vorzüge. "Es ist ein offenes Spiel. Die Gemeinschaft wird gestärkt. Wir wollen Spaß und haben im Laufe der Jahre sehr viele Freundschaften geschlossen." Man merkt während des Gesprächs: Siel, die von 1997 an zweite Vorsitzende war, steckt Energie und Kraft in ihr Amt.

Corona machte es auch den Darts-Spielern des GSC Bad Hersfeld nicht eben leicht. "Es gab keine Meisterschaften. Keine Turniere. Training war kaum möglich", sagt die 1. Vorsitzende, "wir mussten die Motivation erst wieder voranbringen. Inzwischen sind unsere Dartsspieler wieder gut dabei". Samstagnachmittags treffen sie sich zum Training in der Solztalhalle.

Es mangelt an Gebärdesprachendolmetschern in Deutschland

Dennoch: Die Gruppe der Gehörlosen begleitet ein großes Problem im Lande. Sie benötigen viel mehr Gebärdensprachdolmetscher. Die sind rar gesät in Deutschland - und das ist ein Stigma der Gesellschaft. "Sie werden nicht gut genug gefördert", findet nicht nur die 1. Vorsitzende. "Gebärdensprache ist nun mal die Sprache der Gehörlosen", erläutert sie. So, als wolle sie einen Weckruf starten. Auch die LBG (lautsprachbegleitende Gebärdensprache) sei ein Mittel der Kommunikation. Zumindest untereinander. In anderen Ländern, wie den USA oder auch im Iran, funktioniere das besser, besonders in den Medien die Einblendung der Gebärdensprachdolmetschern bei den Nachrichten.

Ob sich die Gehörlosen in die Gesellschaft integriert fühlen? "Im Sport sind wir momentan eher noch unter uns. Aber ich möchte", sinniert Siel, "dass unsere Gruppe künftig mal beim Sport Hörender in den Ligen mitmacht, wie auch unsere ehemalige Kegelabteilung". Gelegenheit gebe in Raßdorf in der Gemeinde Wildeck. "Dass wir uns mit denen mal zusammentun. Eine Erfahrung wäre es wert." Ausgegrenzt fühlt sie sich nicht mit ihrem Verein, möchte ihren Sporttreibenden aber gerne zurufen: "Traut euch. Geht raus."

Nicole Siel: "Man muss sich bemerkbar machen. Als Verein. Oder persönlich"

All das möchte sie voranbringen. "Wir sind Mitglied im Deutschen Gehörlosen-Sportverband. Im Hessischen Gehörlosen-Sportverband. Auch im Landessportbund Hessen. Wir werden eingeladen, um zu Vorträgen und Seminaren zu kommen. Aber es wird vergessen, dass wir Gebärdesprachendolmetscher brauchen. Persönliche Gespräche wäre wünschenswert, der bessere Austausch zwischen den Hörenden und Gehörlosen im Sport. "

Bis Nicole Siel ihrem Ansinnen einen Namen gibt. "Hallo. Wir sind gehörlos", sagt sie. Und berührt Symptome im Alltag. Am Arbeitsplatz. Oder anderswo. "Man muss sich erst bemerkbar machen als Gehörloser. Dass wir gesehen werden. Als Verein. Und persönlich als Gehörloser." Ob sie es auch mit Herbert Grönemeyer hält? Der sang einst: Sie hört nicht, dass der Schnee lautlos auf die Erde fällt. Oder: ihre Hände wissen nicht, mit wem sie reden sollen. Es ist niemand da, der mit ihr spricht. (wk)

Das ist der Verein - das sind seine Köpfe

Der Gehörlosen Sportclub Bad Hersfeld wurde 1951 gegründet. Neben dem Dart sind Bowling/Kegeln und Freizeitsport andere Abteilungen im GSC. Heute kommen die Mitglieder fast von überall her: aus Bad Hersfeld, Rotenburg an der Fulda, Waldkappel, Nentershausen, Helsa, Knüllwald, Neuental, Heringen, Hauneck, Morschen, Ludwigsau, Alheim, Meinhard, Meißner, Eschwege und Cornberg.

Dart-Abteilung: Sie existiert offiziell seit 1997. Zuvor nahmen Sportler des GSC fünf Jahre lang an verschiedenen Turnieren teil. Ein Jahr später folgte die erste Dartmeisterschaft. Viele weitere Turniere und auch Titelkämpfe schlossen sich an. Ideengeber der Dart-Abteilung und damaliger Dartleiter war Rainer Pachhausen aus Ottrau, der so manchen Erfolg für den Gehörlosen-Club einheimste, in 2002 aber verstarb. Von da an führten Dirk Dippel aus Helsa und seit 2017 Ulrike Seke die Dart-Abteilung fort. Seke wird von Gabi Schumann als Kassenwartin und Thomas Woytila (Dartwart) unterstützt.

Hans-Joachim Goller: Der Heringer war insgesamt 47 Jahre im Vorstand tätig, davon 39 Jahre lang 1. Vorsitzender des Gehörlosen Sportcubs Bad Hersfeld. Ihm gebührte eine Ehrung der besonderen Auszeichnung des Gehörlosen Sportbundes, er bekam zu seiner Überraschung in 2018 die Heinrich-Siepman-Plakette überreicht. Im vergangenen Jahr gab er das Amt an Nicole Siel ab, für deren Übernahme er sich sehr einsetzte. Heute ist Goller, der erst im September seinen 70. Geburtstag feierte, Ehrenvorsitzender.

Nicole Siel: Sie übernahm im November 2021 den Job als 1. Vorsitzende, ist auch die Freizeitleitung und hat derzeit kommissarisch auch die Leitung der Abt. Bowling/Kegeln. Seit 1997 war sie zuvor 2. Vorsitzende. "Eigentlich bin ich in den GSC eingetreten, um mitkegeln zu wollen" Zu ihrer Seite gehört nun Cornelia Krebs als 2. Vorsitzende des Vereins.+++


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