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Privatdozent Dr. med. Thomas Menzel und Burkhard Bingel machen sich Sorgen um die deutsche Kliniklandschaft - Fotos: Hendrik Urbin

FULDA "Wir brauchen Unterstützung - jetzt!"

Krankenhäuser schlagen Alarm: Krise gefährdet Gesundheitsversorgung

19.10.22 - "Die Krankenhäuser in Deutschland machen einen guten Job, befinden sich aber unverschuldet in akuter Finanznot - wir brauchen jetzt dringend Unterstützung", bringt es Klinikumsvorstand Dr. Thomas Menzel auf den Punkt. Im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS finden er und Vorstand Administration Burkhard Bingel deutliche Worte, um die sehr angespannte wirtschaftliche Lage der stationären Versorgung in Deutschland zu kennzeichnen. "Eine aktuelle Studie geht realistischerweise davon aus, dass 70 Prozent der Krankenhäuser 2022 rote Zahlen schreiben werden - und die Prognose für nächstes Jahr ist angesichts der explodierenden Energiekosten und steigenden Kosten für Material und Medikamente noch wesentlich düsterer", warnt Dr. Menzel.

Beim Hintergrundgespräch mit O|N im Klinikum

O|N-Chefredakteur Christian P. Stadtfeld

Dem Klinikum Fulda gehe es dank der Unterstützung durch Stadt und Landkreis Fulda noch vergleichsweise gut, aber die meisten Krankenhäuser stünden laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) mit dem Rücken zur Wand. Der Grund: In den letzten beiden Jahren ist die Bettenbelegung pandemiebedingt zurückgegangen, denn es mussten obligatorisch Plätze für Intensivpatienten freigehalten werden. Dafür gab es vom Staat zwar einen finanziellen Ausgleich, doch der war bis Ende Juni dieses Jahres befristet, obwohl Corona ja durchaus noch nicht vorbei ist. Dadurch sank zwangsläufig der Umsatz, während sich die Kosten verdoppelt und zum Teil verdreifacht hätten - und ein Ende der Kostenspirale noch gar nicht in Sicht sei. "Der Finanzbedarf, um die existenten Kostensteigerungen der Krankenhäuser auszugleichen, wird von er Deutschen Krankenhausgesellschaft zurzeit auf rund 15 Milliarden Euro geschätzt - der Bund muss jetzt einen Rettungsschirm aufspannen, um die extremen Kostensteigerungen aufzufangen", fordert der Klinikumsvorstand. Gesundheitsminister Karl Lauterbach sei darüber am Dienstag im Gespräch mit Finanzminister Christian Lindner, der sich aber mit finanziellen Forderungen aus vielen anderen Branchen konfrontiert sieht.

"Teuflisches Dreieck"

"So groß ist der Berg ungelöster Probleme!"

Dr. Menzel beschreibt das derzeitige Dilemma in der stationären Krankenversorgung als "teuflisches Dreieck", dessen Eckpunkte durch weniger Umsatz bei steigenden Kosten und spürbarem Fachkräftemangel bestimmt würden. "Den fehlenden Umsatz können wir nicht wie andere Branchen durch höhere Preise kompensieren und an Material und Medikamenten können wir auch so gut wie nichts einsparen." Weder kann man in Patientenzimmern weniger heizen, noch die OP-Beleuchtung dimmen. Um so wenig wie möglich Energie zu verbrauchen, verfolge man im Klinikum schon seit 2016 eine gezielte Strategie, um die Ressourcen optimal auszunutzen. Das Haupthaus wurde energetisch saniert, Strom und Wärme erzeugten eigene Blockheizkraftwerke, viele Prozesse würden überprüft und optimiert, doch der Energiebedarf eines einzelnen Krankenhausbettes belaufe sich in der Summe nun mal auf den eines Einfamilienhauses. 

Eine weitere Herausforderung besteht am Fuldaer Krankenhaus der Maximalversorgung durch den aktuell hohen Krankenstand beim Klinikpersonal - rund neun Prozent der Mitarbeiter sind derzeit zuhause, der höchste Stand seit zehn Jahren, so Dr. Menzel, der außer einer vierten Corona-Impfung auch dringend einen Schutz gegen die drohende Grippewelle empfiehlt. Wünschenswert sei, dass auch diejenigen Mitarbeiter, die wegen einer Covid-Infektion in Isolation begeben müssten, aber keine Symptome aufwiesen, unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt werden könnten. "Das wäre absolut vertretbar, denn die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von Mitarbeiter auf Patient ist im Klinikum vernachlässigenswert." Ansteckungen würden nach den Erfahrungen aus den letzten Monaten überwiegend durch Besucher eingetragen, weshalb wieder eine strikte Testpflicht für sie gelte. 

Coronatests sind für Besucher des Klinikums vorgeschrieben

Die komplette Belegschaft des Klinikums von der Chefärztin bis zum Küchenpersonal sei in den letzten beiden Jahren trotz aller Krisen und Belastungen enger zusammengewachsen, viele Mitarbeiter seien schon seit mehreren Jahrzehnten dabei und ermöglichten erst die gut funktionierende Gesundheitsversorgung in der Region. "Wir leisten damit einen wertvollen und wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft. Deshalb brauchen die Krankenhäuser finanzielle Hilfe - und zwar jetzt", konstatiert der Vorstand. (ci)+++


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