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Unvergessliches Kennenlernen in der kanadischen Hauptstadt Ottawa
14.12.22 - Mit seiner Stammzellspende gab Jonathan Kehl, ein junger Student aus Bad Hersfeld in Hessen, einem Fremden eine zweite Lebenschance (O|N berichtete). Was er zum Zeitpunkt der Spende nicht wusste: Sein Empfänger lebt nicht nur viele Tausend Kilometer weit entfernt in Kanada – er ist dort auch nicht unbekannt.
Der 23-Jährige rettete das Leben des kanadischen Politikers Dominic LeBlanc. Und weil Dominic Minister im Kabinett des kanadischen Premierministers Justin Trudeau ist, durfte Jonathan kürzlich dem Regierungschef höchstpersönlich die Hand schütteln. Die Geschichte einer ganz besonderen deutsch-kanadischen Freundschaft.
Mit gerade einmal 17 Jahren hatte sich Jonathan Kehl 2017 als potenzieller Spender in die DKMS aufnehmen lassen. Anlass war damals eine Registrierungsaktion, die an seiner Schule, der Modellschule Obersberg, angeboten wurde. Im Sommer 2019 erhielt er dann eine Nachricht, die sein Leben nachhaltig verändern sollte: Er kam als Stammzellspender für einen Patienten oder eine Patientin in Frage. "Ich habe keine Sekunde gezögert, für mich war es selbstverständlich, zu helfen", erinnert sich Jonathan. "Aus meiner Sicht hat jeder diese Chance verdient." Es folgten Voruntersuchungen, ein umfassender medizinischer Check sowie die eigentliche Stammzellentnahme. In 90 Prozent der Fälle werden aktuell die benötigten Stammzellen aus der Blutbahn entnommen. "Ich wurde an eine Maschine angeschlossen und die Stammzellen aus meinem Blut gefiltert", sagte Jonathan. "Die Spende selber hat etwa fünf Stunden gedauert und ich habe mich danach schnell wieder fit gefühlt."
Kurz nach der Spende erfuhr er, dass seine Stammzellen zu einem Mann nach Kanada gebracht worden sind. "Ich habe ihm unbekannterweise die Daumen gedrückt und gehofft, dass ich ihm helfen und ihn irgendwann vielleicht einmal kennenlernen kann." Nach zwei Jahren Anonymitätsfrist ist dies in vielen Ländern möglich, so auch in Kanada.
Was er damals noch nicht wusste: Mit seinem Einsatz hatte er dem heute 54-jährigen Dominic LeBlanc aus Ottawa eine zweite Lebenschance gegeben. Der Politiker hatte im Jahr 2019 die Diagnose Non-Hodgkin-Lymphom erhalten und war auf eine Stammzellspende angewiesen. Er beschreibt den Moment, als er die lebensrettenden Stammzellen erhielt, so: "Der Hämatologe, der auf der Station im Krankenhaus arbeitete, kam ins Zimmer und sagte: "Willkommen zu Ihrem zweiten Geburtstag. Und ich werde den Augenblick nie vergessen, als die Krankenschwester ins Zimmer kam und mir den Beutel mit den Stammzellen zeigte. Sie legte mir die Infusion – den Beutel mit den Stammzellen –, und sagte, es würde zwei Stunden dauern", berichtet er. "Die Ärztin sagte mir, ich solle Musik hören und mich einfach ausruhen, denn in diesen zwei Stunden würde ich 570.000.000 Stammzellen bekommen – das war die Zellzahl, die sie im Krankenhaus vorbereitet hatten – und damit eine zweite Lebenschance erhalten. Ohne diese Chance wäre alles vor drei Jahren zu Ende gewesen."
Emotionaler Dank – erst per Brief und dann persönlich
Einige Zeit später lernten sie sich über Zoom virtuell kennen und stehen seither in engem Austausch. "Er hat von sich erzählt, ich von mir. Ich saß in meinem Zimmer, er in seinem Büro in Ottawa. Und er hat mich nach Kanada eingeladen", sagte Jonathan. Ein knappes Jahr später war es dann endlich soweit: Jonathan reiste nach Kanada und traf dort auf Dominic LeBlanc. "Wir sind uns in die Arme gefallen und es war direkt eine Verbindung zwischen uns. Es fühlt sich an, als ob wir uns schon ewig kennen", beschreibt Jonathan das persönliche Kennenlernen.Ab diesem Moment verbrachten beide viel Zeit miteinander. "Es erfüllt mich mit großem Glück. Und ich bin wahnsinnig froh, dass es ihm gut geht. Ihn endlich auch live gesehen zu sehen haben, ist einfach nur schön", sagt Jonathan. Er lernte Dominics Heimat und natürlich seine Familie, Arbeitskollegen und Freunde kennen. Einer von ihnen ist Justin Trudeau, der kanadische Regierungschef, in dessen Kabinett Dominic LeBlanc als Minister für Intergovernmental Affairs, Infrastructure and Communities Mitglied ist. "Wir haben uns über meine Spende unterhalten und er hat sich sehr herzlich bei mir dafür bedankt."
Auch weitere Mitglieder des Kabinetts lernte er kennen. "Es war einfach spannend, sie zu treffen. Alle waren sehr herzlich und haben sich sehr gefreut, dass es mit dem persönlichen Kennenlernen endlich geklappt hat."
Besonders freute es Jonathan, dass er so herzlich von Dominics Ehefrau und seinem Stiefsohn aufgenommen wurde. "Ich wurde mit offenen Armen empfangen und wir hatten sofort einen Draht zueinander. Sie haben für mich gekocht und wir haben uns gegenseitig von unseren Familien erzählt." Viel zu schnell vergingen die Tage in Kanada. Jonathan und Dominic haben fest vor, sich schon bald wieder zu sehen. Mit Dominic hat Jonathan einen Freund fürs Leben gefunden, da ist er sich ganz sicher und freut sich schon darauf, ihm seine hessische Heimat zu zeigen.
"Das Beste, was ich je gemacht habe"
Ein Anliegen ist es ihm, auf die Arbeit der DKMS aufmerksam zu machen und Menschen zur Registrierung zu motivieren. "Die Stammzellspende ist das Beste, was ich jemals gemacht habe und ich würde es immer wieder tun. Ich kann nur jeden dazu ermutigen, sich registrieren zu lassen und vielleicht schon bald ebenfalls jemandem zu helfen", sagt Kehl."Ich kann nur sagen: Die Tatsache, dass ich heute hier bei Ihnen sitze, beweist, dass Stammzellspenden funktionieren. Es war also dank einer Stammzellentransplantation, dass ich eine Krankheit überstehen konnte, die sonst zu meinem Tod im Alter von 51 Jahren geführt hätte. Und es ist auch dank der Großzügigkeit der Deutschen, die diese Datenbank aufgebaut und Partnerkrankenhäusern auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt haben, dass ich heute am Leben bin", ergänzt Dominic LeBlanc. "Und auf der persönlichen Ebene konnte ich dank dieser großzügigen Geste Jonathan kennenlernen und Zeit mit ihm verbringen. Wir haben eine Verbindung, die für den Rest unseres Lebens Bestand haben wird. Es kann also das Leben von Menschen verändern. Es kann das Leben von Menschen retten. Dass ich diese Erfahrung machen durfte, den Spender kennenzulernen, mich auf den Besuch in Deutschland zu freuen, seine Familie kennenzulernen, die Stadt zu sehen, in der er lebt – all das hat mir eine ganz neue Perspektive und eine Verbindung zu Ihrem wunderbaren Land und den wunderbaren Menschen gegeben, die dort leben und sich so großzügig für die ganze Welt einsetzen. Ich bin einfach unendlich dankbar." (pm) +++
Stammzellenspender Jonathan Kehl: "Ich würde es sofort wieder machen"