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"Eine sehr bewegte Stimmung" - weit über die Kaligemeinde hinaus
01.04.23 - Seit Wochen schon bestimmt die Diskussion, wie die Halde des Kaliwerks Neuhof-Ellers abgedeckt werden soll, die Schlagzeilen in der Gemeinde beziehungsweise im südlichen Teil des Kreises Fulda. Unter anderem hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die mit verschiedenen Aktionen auf ihre Anliegen aufmerksam macht. Dickschichtabdeckung, Dünnschichtabdeckung oder eine andere Methode?: Diese Begriffe haben inzwischen Eingang gefunden in das Leben der Betroffenen (O|N berichtete mehrfach). Am Freitagabend veranstaltete die Fuldaer Zeitung eine Podiumsdiskussion rund um die Problematik, zu der gut 500 Zuhörer ins Gemeindezentrum gekommen waren.
Die Besucher waren von Beginn an engagiert bei der Sache, quittierten die eine oder andere Äußerung mit Beifall beziehungsweise Gelächter und brachten sich auch selbst in die Veranstaltung ein. Diese wurde moderiert von Dr. Volker Nies, der nach der Begrüßung durch FZ-Chefredakteur Michael Tillmann das Podium vorstellte: Christina Kordes, Vize-Leiterin der Umweltabteilung von K+S, Werkleiter Roland Keidel, Susanne Linnenweber von der Regionalplanung, Landrat Bernd Woide, Bürgermeister Heiko Stolz sowie Hubert Enders und Sven Hartmann von der Bürgerinitiative "Umwelt Neuhof".
"Den Zeitdruck rausnehmen"
Unter den Anwesenden sah man auch Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker wie Michael Brand, Sebastian Müller und Thomas Hering (alle CDU), Sabine Waschke und Birgit Kömpel (SPD) sowie Markus Hofmann (Grüne).
Sie alle hörten nach gut einer Stunde, wie Bürgermeister Stolz die Quintessenz des Abends (vor)formulierte: "Lasst uns alle Verfahren auf den Tisch legen, alle Alternativen und Ideen gleichwertig betrachten. Lasst uns das bitte gemeinsam angehen. Ich glaube, wir kriegen das hin. Und, wir müssen den Zeitdruck rausnehmen!"
Der gleichen Ansicht war Landrat Bernd Woide, der an alle Beteiligten eindringlich appellierte, "Fragen zu stellen und offen zu diskutieren, um eine gemeinsame Lösung zu finden". Kurz vorher hatte sich der Chef der Kreisverwaltung bereits für ein Raumverträglichkeitsverfahren ausgesprochen und betont: "Alle Alternativen gehören auf den Tisch und müssen gleichwertig geprüft werden. Das muss das Ziel sein!"
Werkleiter Keidel hatte zu Beginn gesagt, dass das Unternehmen K+S seit nunmehr 117 Jahren "Partner und Teil der Region" und sich seiner Verantwortung stets bewusst gewesen sei. Die veränderte Stimmung im Ort und der Region habe man seit Bekanntwerden der Pläne wahrgenommen, und dies sei den Verantwortlichen nicht egal.
BI mit 1.150 Mitgliedern
Die beiden BI-Vertreter Enders und Hartmann zeigten sich stolz darüber, dass inzwischen 1.150 Mitglieder der BI "Umwelt Neuhof" angehörten und verwiesen darauf, dass vor genau einem Jahr - am 31. März 2022 - erstmals Pläne bekannt geworden seien, dass die Halde abgedeckt werden solle. Seitdem gebe es große Unruhe in der Bevölkerung, die ihre Ursache in dem "Mengengerüst" der Abdeckung in deren zeitlichen und räumlichen Dimensionen habe. Es herrsche Fassungslosigkeit und Angst aufgrund der befürchteten Lärm-, Staub- und Lichtemissionen - was auch der Bürgermeister bestätigte: Stolz sprach von einer "sehr bewegten Stimmung", doch gehöre es selbst zu einem heftigen Streit, "dass man sich zusammensetzt und einen Kompromiss findet".
Gegenwärtig würden mit allen Beteiligten Gespräche geführt, so der Rathauschef, der auch auf die einhellige Stellungnahme der Gemeindevertretung verwies. Diese hatte unter anderem von "nicht zu bewältigenden Herausforderungen" gesprochen und beispielsweise eine sofortige Änderung der jetzigen Primärplanung von K+S sowie die umgehende Einleitung eines selbständigen Vorverfahrens (Raumordnungsverfahren) gefordert.
Landrat Woide ist eigener Aussage derzeit mindestens einmal pro Woche vor Ort, um Gespräche zu führen. Das Thema sorge die Menschen "weit über Neuhof hinaus". Es sei unstrittig, dass Haldenwässer reduziert werden müssten, und es sei richtig, über Alternativen zu reden oder über Mischformen. Der Landkreis sei nicht die genehmigende Behörde, da Träger öffentlicher Belange.
"Keine Vorfestlegung auf Dickschicht"
Eine längere Einschätzung kam seitens der Regionalplanung: Hier formulierte Susanne Linnenweber, dass bei diesem Vorhaben berg-, wasser- und forstrechtliche Aspekte zu berücksichtigen seien. Aufgrund der Bedeutung der Schutzgüter, die alle beträfen, seien dem RP die Meinungen der Bürger sowie der Träger öffentlicher Belange - dazu zählen Gemeinde und Landkreis - keineswegs egal. Räumlich gebe es bei der Beseitigung der Halde keine Spielräume. Technische Möglichkeiten seien hingegen zu prüfen.
Energisch widersprach Linnenweber Moderator Nies, der aus einem Maßnahmenprogramm der Flussgebietsgemeinschaft zitierte, wonach die Dickschichtabdeckung für Neuhof vorgesehen und mit geringen Auswirkungen zu rechnen sei. "Es gibt keine Vorfestlegung", so die Vertreterin der Regionalplanung. Die BI-Vertreter forderten vehement, dass der RP ein unabhängiges Büro mit der Prüfung beauftragen solle und forderten, dass die Halde unter die Erde verlegt werde.
Darauf entgegnete Werkleiter Keidel, dass K+S an Verfahren arbeite, mit denen mehr aus dem Gestein gezogen werden könne oder dass Gestein, das nicht verarbeitungsfähig sei, gleich unter der Erde bleibe. Das Abtragen der Halde sei wohl möglich, bedeute aber auch einen hohen Energieaufwand und verursache Emissionen. Eine Aussage, die mit wahrnehmbarer Entrüstung quittiert wurde.
Keidel unterstrich mehrfach, dass sich K+S seit 40 Jahren mit dem Thema Reduzierung und Minimierung von Haldenwässern befasse: "Auch in Neuhof haben wir uns intensiv damit beschäftigt". Die Gesamtmenge mit dem Werk Werra sei in den letzten Jahren mehr als halbiert worden, der Kaliberg habe seine Fläche inzwischen erreicht. Die Menge der Haldenwässer werde in Zukunft nicht signifikant steigen.
"Wir werden heute nicht die Lösung finden. Deshalb wollen wir auch diskutieren, und dann sehen wir, wie es weitergeht", so Keidel, dessen Aussage nach der Haldenabbau bis 2035 genehmigt sei. Die Einreichung der Antragsunterlagen für Sommer 2024 schließe er nicht aus, sagte aber: "Jeder Plan ist änderbar." Bis zur Antragseinreichung würden alle Alternativen unter allen geforderten Parametern geprüft. (Bertram Lenz) +++