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So soll der neue Haupteingang vom Klinikum in Bad Hersfeld nach einem Entwurf der Architekten von Kirschner & Partner gestaltet werden - Fotos (3): Klinikum Hersfeld

BAD HERSFELD Emotionale Brandrede vom Landrat

Zeitdruck zerrt an den Nerven: Klinikum-Neubau und der Frust der Anwohner

27.04.23 - Das Klinikum in Bad Hersfeld soll für rund 180 Millionen Euro erweitert und vor allem auch modernisiert werden. In erster Linie soll durch einen Neubau die akutmedizinische Notfallversorgung auf einen zukunftsfähigen und hochmodernen Stand gebracht werden.

Der Neubau bildet laut Klinikums-Leitung dabei ein großes Notfallzentrum mit zentraler Notaufnahme, eine Stroke-Unit, ein TAVI Zentrum und Chest Pain-Unit, ein großer zentraler OP-Bereich (inkl. Herzchirurgie und Hybrid OP, eine große interdisziplinäre Intensivstation, vier Pflegstationen zuzüglich zwei moderner Wahlleistungsstationen, Notfall-Bildgebung und einen Hubschrauberlandeplatz ab. An diesem Standort stehen dann künftig insgesamt 636 Betten (bisher 560 Betten) zur Verfügung. Der Neubau soll eine Größe von 100 Meter mal 80 Meter haben.

Mit dem Erweiterungsbau Nord soll die akutmedizinische Abteilung des Herz-Kreislaufzentrums in Rotenburg an der Fulda und weitere fachspezifische Versorgungs-Standorte am Klinikum in Bad Hersfeld zentralisiert werden. Aber auch die Abläufe und die umständlichen Versorgungswege im bestehenden Klinikum entsprechen keineswegs den heutigen Anforderungen und müssen laut den Verantwortlichkeiten möglichst zeitnah erneuert werden. Dies geht ausschließlich durch einen Neubau. Später sollen im bestehenden Klinikum ambulante Einrichtungen untergebracht werden.

Gigantischer Neubau mit rund 16.000 Quadratmetern Nutzfläche

Ein Entwurf für den Erweiterungsbau Nord am Klinikum in Bad Hersfeld

Auf dem Areal mit dem Hubschrauberlandeplatz soll gebaut werden

Architekt Jens Buhlmann von Kirschner & Partner

In einer Anliegerveranstaltung wurden die Pläne am Mittwochabend im neuen Kreistags-Sitzungssaal detailliert vorgestellt. Architekt Jens Buhlmann von Kirschner & Partner ging in seinem gut 90-minütigen Vortrag auf den Ist-Zustand, die medizinische Analyse, die Vorgaben und Bauplanungen für den Neubau ein. Dieser umfasse eine Nutzfläche von rund 16.000 Quadratmetern. Der Neubau schließt nördlich an das bestehende Klinikum an. Zum Teil wird in den Hang gebaut. Auf dem Dach wird ein Hubschrauberlandeplatz installiert und auch der Haupteingang wird komplett neu und wesentlich großzügiger konzipiert. Auch die verbesserte Zufahrt mit Parkplätzen, Fahrradstellplätzen, Flächen für Taxis und eine Bushaltestelle direkt am Klinikum sind Teil der Planung. Viel Wert legen die Planer auf die energetische Versorgung des Neubaus mit Hochleitungs-Wärmepumpen, Fotovoltaik und Regenrückhaltebecken. "Wir wollen möglichst komplett auf fossile Brennstoffe verzichten", sagte Buhlmann.

Als die Planer dann den Blick in Richtung Verkehrskonzept lenkten, war es mit der Zustimmung im Sitzungssaal vorbei. Die Zufahrt zum Klinikum in Bad Hersfeld ist bescheiden. Viele Patienten und Besucher sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen die Problematik der Zufahrt über den Seilerweg und die Wehneberger Straße. Die Bürgerinitiative "Verkehrswende rund um das Klinikum Bad Hersfeld" (Petition: openpetition.de/!wplgg ) und viele weitere Anwohner fordern eine zweite Zufahrt zum Klinikum, etwa über den Zellersgrund. Damit soll die Belastung für die Anwohner reduziert werden. Als Verkehrsexperte Felix Bögert vom Büro IB Zacharias aus Hannover seine Verkehrsprognose für das Jahr 2035 vorstellte und zu dem Ergebnis kam, dass die vorhandenen Straßen die Mehrbelastung von rund 850 zusätzlichen Fahrten aushalten könne, schien die Diskussion aus dem Ruder zu laufen. Die Richtlinie werde eingehalten.

Informationsveranstaltung für die Anwohner am Mittwochabend im neuen Kreistags-Sitzungssaal ...

Rund 60 Gäste kamen zur Anwohnerversammlung

Sascha Sandow vom Klinikum Bad Hersfeld

Insgesamt zählt das Büro derzeit eine tägliche Nutzung von rund 3.750 Fahrten pro Werktag mit Bezug zum Klinikum. Für das Jahr 2035 prognostiziert Bögert 4.800 Fahrten. "Es funktioniert." Das sehen die Anwohner komplett anders und warfen den Verantwortlichen "Augenwischerei" vor.  "Wer das glaubt, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten", sagte ein Gast. Die Verkehrsanbindung sei nicht tragbar. "Das Konzept für das Klinikum ist 21. Jahrhundert, das Verkehrskonzept aus dem letzten Jahrhundert", sagte ein weiterer Gast. Zudem empfehle das Regierungspräsidium als Kommunalaufsicht eine zweite Zuwegung. "Warum halten Sie sich nicht an die Empfehlung", wurde aus der Versammlung mehrfach gefragt. "Ich bin zwar blond, aber nicht doof. Ich verstehe es trotzdem nicht", sagte eine Dame. Auch im Zusammenhang mit den weiteren Baumaßnahmen. wie etwa die Hochbrücke und das Wever-Areal, entstehe ein Verkehrschaos in Bad Hersfeld.

Felix Bögert vom IB Zacharias

Bürgermeisterin Anke Hofmann stellte sich den kritischen Fragen

Sichtlich "angefressen": Landrat Torsten Warnecke

Auch Carsten Holstein kritisiert die Pläne und erklärte, dass er aus eigener Berufserfahrung wisse, was möglich sei und was nicht. Der Ingenieur bot im weiteren Verlauf der zunächst hitzigen Diskussionen seine Unterstützung an. Sowohl Martin Bode als auch Johannes van Horrick und Bürgermeisterin Anke Hofmann machten deutlich, dass sie die Einwände und Befürchtungen der Anwohner ernst nehmen und nach Lösungen suchen. Sie machten aber auch klar, dass eine zeitnahe Realisierung der Zufahrt über den Zellersgrund nicht machbar sei. "Eine zweite Zufahrt haben Sie nicht, bis das Klinikum gebaut ist", sagten die Verantwortlichen der Stadt und erklärten zudem, dass sie natürlich mit dem Regierungspräsidium in Kontakt seien.

Gerade auch der Baustellenverkehr belastet die Anwohner. Dieser soll nach den aktuellen Planungen über den Seilerweg und die Wehnebergerstraße führen. Für die Erdarbeiten rechnen die Planer in einem Zeitraum von rund drei Monaten mit rund 65 Fahrten von Vierachsern pro Arbeitstag. In der Rohbauphase mit rund 20 An- und Abfahrten sowie dem Baustellenverkehr.

Nach rund dreistündigem Vortrag und Diskussionen sowie Fragen ergriff Landrat Torsten Warnecke erneut das Wort und redete sich fast in Rage. "Wir haben ein massives Interesse, dass dieses Gebäude gebaut wird", sagte Warnecke. Allein schon aus finanziellen Gründen. Im Jahr 2021 musste der Landkreis 47 Millionen Euro aufwenden, um das Klinikums-Defizit ausgleichen zu können. Es werde dummes Zeug geredet, ohne Ende. Die Verluste seien unverantwortlich und steigen mit jedem Tag. Das Land hat eine Förderung von 60 Millionen Euro zugesagt und empfiehlt dem Bund ebenfalls eine Förderung mit 60 Millionen Euro aus dem Strukturfond II sowie weitere 60 Millionen Euro vom Landkreis. Doch das zuständige Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) hat bislang immer noch keine Förderzusage erteilt. Solange der Scheck aus Bonn nicht da ist, stockt das gesamte Projekt. Die Bauherrn möchten dagegen so schnell wie möglich loslegen. Das Bauleitverfahren wurde inzwischen angeschoben.

Stundentakt im Nahverkehr: "Sie alle kennen Machtlos?"

Johannes van Horrick ist Leiter der Technischen Verwaltung der Stadt Bad Hersfeld ...

Rund 60 Anwohner sowie Vertreter von den Fachbehörden, Rettungsdienst und Feuerwehr ...

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen Sicherheit und einen attraktiven Arbeitsplatz. Mit dem Neubau sollen zum Beispiel die Wege auf den Stationen deutlich verkürzt werden. Der Landrat will zudem den öffentlichen Nahverkehr deutlich verbessern. "Sie alle kennen Machtlos?" Auch aus dem kleinen Dorf bei Breitenbach am Herzberg soll ein Stundentakt nach Bad Hersfeld und zum Klinikum möglich gemacht werden. "Natürlich kann nicht immer ein Bus fahren, aber zum Beispiel ein Anruf-Sammeltaxi bei Bedarf bestellt werden", sagte der Landrat. Durch eine gute Taktung solle der Anreiz geschaffen werden, das eigene Auto zu Hause stehenzulassen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Warnecke möchte den Stundentakt aus jedem Dorf im Landkreis ermöglichen. Warnecke machte zudem deutlich, dass auch eine Zuwegung durch den Zellersgrund an anderer Stelle kritisch gesehen werden kann. Es sei eben nicht so einfach und alle Beteiligten geben sich große Mühe, gute Lösungen zu finden.

"Wir sind uns in vielen Fragen einiger als viele denken"

"Wir sind uns in vielen Fragen einiger als viele denken", sagte Warnecke abschließend. Er möchte verhindern, dass etwa durch Klagen ein möglicher Baubeginn verzögert werde. Der Druck, den Klinikum-Neubau möglichst rasch realisieren zu können, ist deutlich spürbar. Der kaufmännische Direktor Sascha Sandow moderierte die Informationsveranstaltung und appellierte, sich gegenseitig zu vertrauen, und erklärte, dass die Verantwortlichen auf gemeinsame Lösungen setzen. Vorausgesetzt der Bauantrag wird genehmigt und der Bund gibt seine Förderzusage, dann soll in diesem Jahr mit den Bauvorbereitungen begonnen werden. Die Arbeiten am Neubau sollen dann im nächsten Jahr beginnen. (Hans-Hubertus Braune) +++

172,6 Millionen Euro Investitionsvolumen für Klinikum-Neubau in Bad Hersfeld


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