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Jürgen Krawczyk und die Fitness - Fotos: Marius Auth

FULDA Osthessens Trainer im Fokus (2)

Jürgen Krawczyk: Nachts unterschrieben, anderntags gegen die Bayern im Pokal

05.07.23 - Es ist kein Geheimnis. Auch kein Wunder. Auch kein Märchen. Vielleicht ist es ein Phänomen, dass der 70-jährige Jürgen Krawczyk noch immer Fußball-Trainer ist. Soeben hat er mit dem RSV Petersberg den Wiederaufstieg in die Gruppenliga geschafft. OSTHESSEN|NEWS hat Krawczyk in Horas besucht - und versucht, ein Porträt zu zeichnen über den Fußballer, den Kunstliebhaber - und natürlich auch über den Menschen. Heraus kam eine zweiteilige interessante Homestory. Hier der zweite Teil: über Krawczyk als Spieler, der Episoden und Etappen seiner Karriere bereithält. Und den Menschen, der sich ein Stückchen Kunst zu eigen gemacht hat. 

Fußballern in Osthessen - ganz egal, in welcher Liga sie spielen, ob sie als Trainer, Betreuer oder in anderer Funktion tätig sind -, fällt es nicht schwer, Dinge ihrer Laufbahn hervorzukramen. Sie zuzuordnen, Dritten rüberzubringen oder auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sammelt man höherklassig Erfahrungswerte und stehen die in Verbindung mit bekannten Vereinen, Namen oder Persönlichkeiten, lesen die sich leichter. Oder sie prägen sich ein ins Bewusstsein. Ähnlich erging es Jürgen Krawczyk. Auch wenn er lieber den Ball flach hält und das gar nicht so an "die große Glocke hängen mag".

Kraft und Schönheit: Das ist das Gemälde des Künstlers Adam Pete in Krawczyks Augen. ...

Sicher gibt es Dinge, die einem das Leben erleichtern. Nicht, dass sie sich Jürgen Krawczyk an sein Revers heften würde, hinsichtlich der Akzeptanz und dem Umgang eines Trainers mit seinen Spielern öffnen sie eine Tür; manchmal, noch ehe man den Raum betreten hat. Zweitliga-Spieler gewesen zu sein zum Beispiel. Fünf Jahre kickte Krawczyk für den Traditionsverein Göttingen 05 - später für den FC Homburg und den KSV Baunatal. 

1974: Vor 42.000 Zuschauern in Dortmund - Krawczyk war dabei

Der heutige Coach des RSV Petersberg vergisst nicht, als er 1974 für Göttingen 05 vor 42.000Zuschauern spielte. In Dortmund war das. Das Westfalenstadion war wegen der WM in Deutschland gerade eröffnet. Kürzlich wurde er dafür geehrt, die meisten Zweitligaspiele für den Traditionsverein absolviert zu haben. Natürlich freute er sich. Doch es schien ihm fast ein Stückchen peinlich gewesen zu sein. Krawczyk halt. So ist er. So tickt er. Es scheint selbstverständlich zu sein. Ohne große Worte.

Übrigens: Nach dem 2:2 in Dortmund übernahm Göttingen 05, eines der Gründungsmitglieder der damaligen 2. Bundesliga Nord, erstmals die Tabellenführung. Der Verein entwickelte ein "Feierabend-Profimodell" - heute undenkbar. Seitdem der Traditionsverein 2003 Insolvenz anmelden musste, kickt er heute unter leicht modifiziertem Namen in der Oberliga Nord. 

Stolz bahnt sich indessen den Weg, als er von der Studenten-WM 1977 erzählt. Ewald Lienen, in der Bundesliga für Gladbach, Bielefeld oder Bremen aktiv, war einer seiner Mitspieler. Krawczyk war Studenten-Nationalspieler, und als wäre es erst gestern gewesen, schwärmt er noch immer ein bisschen. "Das war eine Auswahl. Und in Uruguay hatten die das so aufgezogen, als wäre das eine richtige WM. Mit Präsidenten-Empfang."

Bis um drei, halb vier verhandelt - am nächsten Tag gegen die Bayern auf der Bank

Krawczyk erinnert sich auch an ein Vorbereitungsspiel gegen Holland in Tübingen. Und es passierte noch mehr. "Da hat mich ein Spielerberater angerufen, dass der FC Homburg Interesse an mir hätte. Es wurde beim Präsidenten bis nachts um drei, halb vier verhandelt. Ich habe unterschrieben. Und am nächsten Tag saß ich beim Pokalspiel gegen Bayern München auf der Bank. Da war alles, was Rang und Namen hatte, dabei." Krawczyk klingt auch heute noch so, als könnte er es kaum fassen. Homburg gewann das Spiel übrigens. Und Krawczyk blieb eine Saison im Saarland. Ehe es ihn zum KSV Baunatal zog. 

Fußball? "Die Freude an der Leistung. Mit weniger Training wirst du nicht besser"

Eine Fußnote fast, als er 1986 die A-Lizenz erwarb. "Ich war damals der Tausendste", schiebt er noch nach. Er kramt in seinem Fußballer-Leben, findet all dies aber nicht so wichtig. "Man muss im Hier und Jetzt bleiben", sagt er voller Überzeugung. "Spielfreude" verbindet er mit dem Fußball. Das macht es für den 70-Jährigen aus. "Und es wäre schön, wenn Erfolge dazu kommen. Und dass man mit mehreren Leuten eine Mannschaft formen kann. Die Freude an der Leistung. Ich bin Leistungsfanatiker. Mit weniger Training wirst du nicht besser." Auch das ist Krawczyk. 

Als er einst Borussia Fulda zum Aufstieg in die Oberliga führte, lautete die Ausrichtung: "Aufstieg. Sonst nichts." Thomas Reith, Jörg Meinhardt, Jürgen Kress oder Arno Schenkel spielten beim SCB, der überdies Harald Kowarz und Wolfgang Zientek geholt hatte. 1990 war das. Ein Schlenk zum aktuellen Fußball in der Barockstadt. "Es können alle froh sein in Osthessen, dass die SG Barockstadt in der Regionalliga spielt. Das ist top. Ein Orientierungspunkt für alle. Ein Fixpunkt." Als Krawczyk übrigens anfing bei Borussia, hieß sein erster Trainer Fritz Rebell. Der war später auch bei Göttingen 05 tätig, und Krawczyk bestätigt: "Der vermittelte mich auch dorthin." Rebells Reise ging bis zum Bundesligisten Werder Bremen. Genug Fußball. Hin zur Kunst.

Kunst? "Daran hab' ich so ein bisschen mein Herz verloren"

Wer Krawczyks Haus betritt, dem stechen die vielen Gemälde und Bilder ins Auge. Skulpturen kommen hinzu. "Mit 18 habe ich angefangen, mich dafür zu interessieren. In Göttingen habe ich während meines Architektur-Studiums in Kassel immer wieder Ausstellungen besucht. Die waren meistens auf dem Marktplatz. Und sie dauerten drei Tage. Daran hab' ich schon so ein bisschen mein Herz verloren. Und seitdem sammele ich halt was." Er bezeichnet die Dinge, die sein Haus schmücken, als "Lieblingsstücke" oder "Sachen, die ich schon ewig habe". Vom Fuldaer Maler Dr. Berthold Ziegler habe er Bilder erworben - den malenden Burghauner Fußballer Marc Kohlmann habe er besucht. 

Auch an Krawczyks Empfinden für Fit-Sein kommt man nicht vorbei. "Da halte ich mich schon seit Jahrzehnten fit, Seitdem ich aufgehört habe, selbst zu spielen", bemerkt er. Besuchen die Söhne Adrian und Roman - einst als Talente in Osthessens Fußball bekannt - das Elternhaus, sind sie an den Fitnessgeräten anzutreffen. Adrian, mit 40 knapp der Ältere, widmet sich der Sinologie und ist heute wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Leipzig - Roman, ein Jahr jünger, ist Studienrat in Gießen. Schnöde, aber treffende Erkenntnis: Fußball ist mehr als ein 1:0. Auch im Hause Krawczyk. (wk)

Zur Person

JÜRGEN KRAWCZYK ist seit 1982 mit Viktoria - einst Jugendleiterin beim FV Horas - verheiratet; sie kennen sich schon seit mehr als 50 Jahren. Jürgen ist gebürtiger Fuldaer. Er besuchte die Dalbergschule. Später studierte er in Kassel Architektur. Danach arbeitete er bei der Druckerei Fuldaer Verlagsanstalt, die zunächst im Besitz seines Schwagers war - und die er später für sieben Jahre übernahm. Seit 2011 ist Jürgen Krawczyk in Rente. OSTHESSEN|NEWS lässt er einen Satz wissen, der vielen in Deutschland zu denken geben sollte: "Die, die in Rente gehen, sind für die meisten Leute nicht mehr sichtbar - obwohl sie durchaus noch leistungsfähig sein können. " +++


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