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Zum 4. Mal wurde am Freitag am Bahnhofsvorplatz in Fulda der Gedenktag für verstorbene Drogenkonsumenten begangen. - Fotos: Julia Mondry

FULDA Aufklärung über Unterstützungsangebote

Jeder hat ein Recht auf Würde - auch wenn man Drogen nimmt

24.07.23 - Es ist eine erschreckende Zahl: 1.990. So viele Menschen starben in Deutschland letztes Jahr im Zusammenhang mit Drogenkonsum. Für all diese Menschen gilt der 21. Juli als Gedenktag. In Fulda wurde er am Freitag am Bahnhofsvorplatz zum vierten Mal begangen, vor Ort waren neben den Organisatoren der Aidshilfe Fulda auch Ehrenamtliche der Selbsthilfegruppe Connections und von Sidewalk, die seit drei Jahren Streetwork in der Stadt betreiben. 
 
Der Gedenktag ist eine Initiative des Vereins JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte), ein nationales Selbsthilfebündnis, welcher seit 1998 jährlich am 21. Juli begangen wird. Am Bahnhofsvorplatz wurden Zelte aufgebaut, an deren Rändern Angehörige und Freunde von verstorbenen Drogenkonsumenten eine Erinnerungskarte anbringen konnten. Im Anschluss wurden diese an schwarze Luftballons gebunden und symbolisch gen Himmel stiegen gelassen.

Gedenktag soll Öffentlichkeit schaffen

Susanne Maul (links) von der Aidshilfe Fulda e.V. und Simone Schafnitzel (rechts), ...

Im Interview mit OSTHESSEN|NEWS beschreibt Susanne Maul, Geschäftsführerin der Aidshilfe Fulda e.V., die Notwendigkeit für diesen Gedenktag auch in Fulda: "Wir wollen einen Ort schaffen für all diejenigen, die ihn brauchen". Denn Tatsache sei, dass viele Drogenkonsumenten weiterhin stark stigmatisiert und von der breiten Gesellschaft verurteilt werden. Mit dem Gedenktag würden sie eine Öffentlichkeit schaffen und den Blick für Unterstützungsangebote erweitern wollen.

"Wir versuchen, die Situation zu verbessern", positioniert sich auch Simone Schafnitzel. Sie ist in diesem Bereich ehrenamtlich sehr aktiv, setzt sich sowohl als Vorstandsmitglied der Aidshilfe Fulda, als auch als Mitarbeiterin der Selbsthilfegruppe Connections und bei Sidewalk zusammen mit Sina Orthofer für die gesellschaftliche Anerkennung der Drogenkosumenten ein. Auch sie sehe weiterhin viel Aufklärungsbedarf in Bezug auf die Wahrnehmung von Drogenabhängigen. Sie bemängelt, dass die Konsumierenden in Fulda noch zu oft im Hintergrund stehen und sich zu selten Hilfe holen, aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und strafrechtlicher Verfolgung. "Jeder hat das Recht auf Menschenwürde und muss es sich nicht erst durch Abstinenz verdienen", ist Schafnitzel überzeugt.

Kommunikation und Verständnis als Schlüssel

Die Engagierten setzen sich ein gegen eine Vorverurteilung und für die Menschenwürde ...

Dabei sehen sowohl Schafnitzel als auch Maul die Politik stark in der Verantwortung. Passend dazu sei an dieser Stelle das Motto des Gedenktages aufgeführt: "Drogentod ist Staatsversagen!". Was fehle, sei eine Entkriminalisierung der Drogenkonsumenten. Bisher würden sie zu schnell ausgegrenzt und bevormundet werden. Dadurch würden viele das Gefühl entwickeln, sich verstecken zu müssen und geraten so in einen Teufelskreis. Angebote wie Connections oder Sidewalk wählen allerdings einen anderen Ansatz: Kommunikation. Dies wünscht sich Schafnitzel auch auf politischer Ebene: "Einfach mal zuhören kann für beide Seiten bereichernd sein", sagt sie. Die Ehrenamtlichen wollen mit den Menschen in Kontakt kommen und Hilfe, auch weiterführende wie bei der Wohnungssuche, anbieten. "Uns ist wichtig, darauf einzugehen, was die Leute wollen", sagt Schafnitzel, "bei uns werden sie wieder ernst genommen". So herrsche mittlerweile ein sehr vertrauensvolles und freundschaftliches Verhältnis mit denen, die das Angebot wahrnehmen.
  
Darüber hinaus setzen sich die Organisationen für einen sicheren Drogenkonsum ein. Dabei werden sie oftmals mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie Drogenkonsum forcieren würden. Doch dies sei nicht der Fall, denn auch wenn die Betroffenen urteilsfrei akzeptiert werden, gehe es bei geplanten Angeboten wie dem Spritzenautomaten darum, Menschenleben durch sicheren Konsum zu retten.

Mehr Unterstützung, auch von der Politik

Die größte Herausforderung bestehe für die Helfenden vor allem darin, einen geeigneten Platz zu finden, um sich mit den Hilfesuchenden auszutauschen, so Maul. Für viele koste der Weg in eine offizielle Beratungsstelle oftmals zu viel Überwindung und Mut, weswegen sie für einen neutralen Ort plädiert, an dem sie auch im Winter unterstützend begleiten können. Bisher geschehe dies aus Mangel an Optionen und durch die Unterschätzung des Problems oftmals auf der Straße. 
Über Suchtprävention würden Maul und Schafnitzel bereits in den Schulen aufklären wollen. "Sucht und Prävention sollte ein Schulfach sein", erklärt Letztere. Doch auch bei der Substitution wünschen sie sich mehr Unterstützung: "Für dieses Thema gibt es keine Öffentlichkeit", beklagen sie. Der Gang zu einer Beratungsstelle sei lange bei der Substitution verpflichtend gewesen, seitdem diese Pflicht nun wegfällt, würde auch die Beratungsstelle in Fulda geschlossen werden. Zudem fehle die Weiterführung des ärztlichen Engagements im Bereich Substitution, auch Therapieplätzen gebe es bisher deutlich zu wenige.

Wer sich engagieren möchte, sei stets herzlich willkommen, sagt Maul. Es gebe viele unterschiedliche Möglichkeiten, ein Ehrenamt in diesem Bereich auszuüben. Der Kern der Angebote in Fulda: "Wir machen akzeptierende Drogenberatung", so Schafnitzel.
  
Für den Gedenktag hat die Stadt Fulda die Schirmherrschaft übernommen.

Susanne Maul von der Aidshilfe Fulda e.V.

Simone Schafnitzel, Vorstandsmitglied der Aidshilfe e.V. und Ehrenamtliche bei ...

Mike Krieger von der Selbsthilfegruppe Connection, teilt seine Erfahrungen. ...

Für Betroffene gibt es in der Region unter anderem folgende Beratungs- oder Unterstützungsangebote:

Aidshilfe Fulda e.V. zusammen mit Connections:
Selbsthilfegruppe
jeden Freitag um 17 Uhr im Selbsthilfebüro Osthessen
Petersbergerstraße 21
36037 Fulda
https://shg-connection.de/gruppentreffen/

Sidewalk, ein Projekt von Connections:
Gespräche auf offener Straße in Fulda
jeden Montag von 8 bis 11 Uhr
https://shg-connection.de/projekte/ 

Kontakt zu Simone Schafnitzel, Vorstandsmitglied Aidshilfe Fulda e.V., Ehrenamtliche bei Connections und Sidewalk:
Telefon: 0157/84599230
https://www.jes-bundesverband.de/ueber-jes/jes-gruppen/suedschiene/jes-fulda/ 

Caritas Fulda:

  • offene Sprechstunde: jeden Montag zwischen 11 und 12 Uhr in der Wilhelmstraße 10, 36037 Fulda, 1. Stock
  • Informations- und Motivationsgruppe: jeden Dienstag von 16 bis 17 Uhr in der Kanalstraße 1a, 36037 Fulda
  • Individuelle Beratung: Telefon: 0661/2428-360
https://www.rcvfulda.caritas.de/hilfeundberatung/sucht/suchtunddrogenberatung/sucht-und-drogenberatung 

Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige:
verschiedene Gruppen: http://www.kreuzbund-fulda.de/selbsthilfeinmeinernaehe/fulda.html (Julia Mondry) +++


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