Archiv

FULDA Der Stadtpfarrer bei O|N

Impulse von Stefan Buß: Das Verdauen des Wortes Gottes

19.08.23 - "Ich bin Stadtpfarrer Stefan Buß aus Fulda!" In jedem Supermarkt gibt es sie, bei den Nudeln. Meist in kleinen Päckchen, kosten auch nicht viel. Essbare Worte – Buchstabensuppe. In der Suppe schwimmen die Nudel-Buchstaben umher und ergeben seltsame Wörter. Man kann sie auch rausfischen und seinen Namen legen, oder ein Spottwort oder irgendwas Lustiges. Und dann isst man die Buchstaben auf. Mit Essen spielt man nicht? Doch, mit Buchstabensuppe muss man spielen, sonst könnte man ja auch ganz normale Suppennudeln essen, wo bleibt denn da der Spaß?

Stadtpfarrer Stefan Buß. Archivfoto: O|N/Hendrik Urbin

Zum Aufessen gern habe ich auch noch eine andere Art Buchstaben: Russisch Brot. Würzig, karamellig und schokoladig, süß und auch ein bisschen bitter, die Oberseite glänzt, als wäre sie lackiert und die Unterseite ist ganz eben vom Backblech. Und die Keks-Buchstaben zum Schulanfang. Die ABC-Schützen – nennt man die Schulanfänger heute noch so? – finden dann das ABC essbar in ihrer Schultüte. Im Judentum wird der Beginn der Ausbildung und damit natürlich auch das Erlernen der Buchstaben schon früh von einer süßen Tradition begleitet: Auf eine Schiefertafel schreibt der Lehrer die ersten und die letzten Buchstaben des Alphabets –die ersten vier Buchstaben vorwärts, die letzten vier Buchstaben rückwärts, er liest sie vor, einen nach dem anderen, der Schulanfänger spricht sie nach und dann bestreicht man die kleine Schreibtafel mit einem Löffelchen Honig. Der junge Schüler darf dann den Honig von den Buchstaben lecken. So hat er das Alphabet vorwärts und rückwärts, in- und auswendig gelernt.

Das Erlernen der Buchstaben ist der verheißungsvolle und süße Weg hin zum Erlernen der Heiligen Schrift und so der Weg hin zu Gott. Von süßer Schrift ist auch beim Prophet Ezechiel die Rede (Ez. 3,1-3). Nach einer mächtigen Vision wird er von Gott angesprochen, er erhält seine Aufgabe. Doch es sind bittere Worte, die er sagen muss – viele sehr bittere Worte. Eine nahezu hoffnungslose Aufgabe hat der Prophet von Gott erhalten: Er soll dem Volk predigen, aber die werden – oder werden nicht zuhören – das ist schon fast egal. Hauptsache sie können hinterher nicht sagen: "Es hat uns keiner was gesagt!" Der Text richtet sich aber nicht nur an das Volk Israel damals, sondern an jeden und jede Leserin. Ja, im Grunde fragt der Text jeden, der diesen Text hört oder liest: Na, gehörst auch du zu diesem widerspenstigen Volk? Kannst Du die Worte schlucken oder würgst Du sie hervor, unverdaut und unverstanden, nur schnell weg damit? Ja, so lesen wir den Text angemessen, er richtet sich an die Menschen! Er hört Gottes Wort, aber es hat keine Konsequenz für das Leben, den Alltag. Auch der arme Prophet mit seiner schier unmöglichen Aufgabe sieht zwar die Schriftrolle, die Gott ihm hinhält, aber er möchte sie nicht schlucken. Erst nach einer zweiten Aufforderung öffnet er erst seinen Mund – wohl zögerlich und mit großem Widerstand. Das soll ich essen? Erst beim dritten Mal nimmt er die Worte dann zu sich. Und die Worte werden in seinem Mund süß wie Honig.

Aber nicht so schnell. Was im Text sehr knapp beschrieben wird, das braucht im echten Leben meist länger. Tage, Wochen, ja Jahre kann es dauern, bis das, was einem so bitter vorgesetzt wird, irgendwann süß und nahrhaft wird. Kann ich das annehmen? Wenn man auf dem Prophetentext eine Weile herumkaut, stellt sich aber noch eine ganz andere Frage: Warum muss der Prophet diese Rolle überhaupt schlucken, warum muss er sie verdauen? Gott sagt ja sehr deutlich: "Menschensohn, deinen Leib, fülle deinen Bauch mit dieser Rolle, die ich dir gebe!" Das Wort muss also erst mal im Leib, ja im Bauch aufgenommen sein. Was mindestens befremdlich klingt, auch ein wenig magisch, das hat einen ganz konkreten und wahren Hintergrund: Das, was wir als Körper mit uns herumtragen, besteht auch aus dem, was wir im Lauf unseres Lebens zu uns genommen oder zugeführt bekommen haben. Ich bin Frühstück und Mittagessen, ich bin Kaffee und Tee, Brot und Kuchen, Wasser und Wein. Und so, wie jeder Körper durch das leibliche Essen aufgebaut werden muss, so ist es auch im geistlichen Bereich. Das Hören auf das Wort Gottes ist die Nahrung des Gläubigen. Mich fragen Jugendliche manchmal: Haben Sie eigentlich die Bibel schon mal ganz durchgelesen? Sie gehen davon aus, dass man die Bibel liest, wie Harry Potter – in einem durch. Aber so wird das nichts. Die Bibel ist eher wie Knäckebrot, das dazu gebacken ist, lange zu halten und gut zu sättigen. Wer eine Packung Knäckebrot auf einmal in sich hineinstopft, bekommt sicher Schwierigkeiten beim Verdauen. Satz für Satz, oft sogar Wort für Wort will die Bibel gekaut werden, meditiert werden, erst dann gibt sie ihre Süßigkeit preis. Und gerade die Worte, die anfangs quer liegen, die Sätze, die einen nicht immer schon bestätigen in dem, was man eh schon denkt und meint zu wissen, die sind besonders wertvoll. Aus bitter wird süß. (Stefan Buß) +++


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Twitter
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön