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Die Feuerwehr Mücke im Einsatz - Fotos: Feuerwehr Alsfeld

ALSFELD Teil (2) "Es geht los"

Unwetter über Alsfeld, ein anderer Blickwinkel

20.08.23 - Der folgende Bericht von Carsten Schmidt aus Alsfeld, Wehrführer und stv. Stadtbrandinspektor, beruht auf Erinnerungen der Beteiligten. Es ist die subjektive Sicht derer, die zum Bericht beigetragen haben und erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit. Im Wortlaut:

"H1-Y Türöffnung für den Rettungsdienst in der Altstadt heißt es elf Minuten vor elf. Der Alarmplan sieht hier die sogenannte Gruppe "Nacht" vor. Diese werden von 19:00 Uhr bis 7:00 Uhr für Kleineinsätze alarmiert. Daniel Schäfer verlässt den IuK Raum. Im ‚Türen öffnen‘ gibt es glaube ich keinen schnelleren in der Feuerwehr Alsfeld. Kevin Planz und ich bleiben sitzen. Bereits kurze Zeit später verlässt der Einsatzleitwagen mit drei Personen den Feuerwehrhof. Ausgestattet mit Material zur Notfalltüröffnung, einem kleinen Spreizer, zwei Computern sowie einem Tablet. Selbst ein AED ist mit dabei im fahrenden Kommandostand.

Vollgelaufene Keller nach einem Unwetter in Alsfeld 0

Tobias Riemann, stellvertretender Wehrführer, auch beruflich begleitet er Führungsfunktion sitzt mit im Fahrzeug, der dritte ist Benjamin Knodt, Bundespolizist. Ich gehe in die Fahrzeughalle. Der kurze Weg über den Hof, etwa fünf Meter durch das Freie, war ein Fehler. Danach war ich nass. In der Halle treffen weitere Feuerwehrmänner und Frauen ein. Sie besetzten gerade das Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug. Normalerweise würde es jetzt automatisch dem Einsatzleitwagen folgen. Das HLF 20, so die Kurzbezeichnung, ist Speerspitze des Brandschutzes und der Hilfeleistung in unserer Stadt. Die ultimative Erstschlagwaffe. Ich sage ihnen, dass Sie nicht ausrücken. Mathis Kruse, beruflich beim Rettungsdienst Mittelhessen, studierter Rettungsingenieur, besetzt das Fahrzeug als Fahrzeugführer. Seine Aufgabe nun, die kommenden Einsatzkräfte sinnvoll auf Fahrzeuge zu verteilen. Die erste Meldung erreicht den Einsatzleitwagen über einen vollgelaufenen Keller in Altenburg. Es wird nachalarmiert. Die Info geht an die Leitstelle, dass das Feuerwehrhaus besetzt ist. Ab jetzt nutzt man den für Alsfeld zugteilten Digitalfunkkanal für die Kommunikation über Funk. Digitalfunk war für diese Lagen ein Segen für die Feuerwehr. Wir disponieren nun unsere Einheiten zu den Einsatzstellen selbstständig. So entlasten wir die Leitstelle, denn der "Normale Einsatzalltag" geht ja weiter im Vogelsbergkreis. Auch andere Gemeinden sind betroffen.


Inzwischen sind alle Kräfte der Kernstadt auf dem Weg ins Feuerwehrhaus.

Kevin Planz ist im engen Austausch mit der Leitstelle, gibt die Einsätze in unser Einsatzleitprogramm ein. Die Aufgaben sind klar getrennt. Kevin hält Verbindung nach Außen, ich disponiere die ersten Kräfte. Das Löschgruppenfahrzeug LF10, welches über eine umfangreiche Beladung zur Unwetterbeseitigung verfügt, geht als erstes in den Einsatz. Mathis mit fünf weiteren Kräften bilden die "Eiserne Reserve" mit dem HLF. Bei einem meiner Führungslehrgänge an der Landesfeuerwehrschule in Kassel wurde diese Einheit bei Großlagen als "Lange Kerls" bezeichnet. Eine Anspielung auf eine Preußische Gardeinfanterie Einheit. Sie stehen bereit für Verkehrsunfälle, Brände, alles was eben auch so noch kommen kann und kritisch ist, wo hohe Sachwerte oder Menschenleben bedroht sind. Sie unterstützen im Feuerwehrhaus.

Die Atemschutzübungsanlage

Naomi und Kevin am Donnerstagmorgen

Donnerstagmittag: Ausrücken!

Nur 25 Minuten nach der ersten Unwettermeldung kommt es zum Blitzeinschlag in Reibertenrod. Der Einsatzleitwagen, der inzwischen im Stadtgebiet unterwegs zur Erkundung dreht, fährt die neue Einsatzstelle an. Kurz zuvor rettete Daniel Schäfer noch ein Kind aus einem Auto vor dem Aldi. Das Fahrzeug schwamm dort in den Fluten.  Das HLF verlässt innerhalb einer Minute nach dem Alarm die Halle. Gefolgt von der Drehleiter. Ebenfalls auf dem Weg sind die Feuerwehreinheiten aus Leusel und Schwabenrod. Zu diesem Zeitpunkt sind viele Stadtteile noch nicht betroffen. Der Reibertenröder Einsatz wird aus dem Einsatzleitwagen geleitet. Für uns geht es normal weiter mit Unwetter. Inzwischen ist Naomi im IUK Raum, unterstützt uns, dann wird sie aber selbst zur Betroffenen. Ihre Melder für Wasser im Keller melden sich bei der Eigenheimbesitzerin. Kevin informiert den Bürgermeister. Er erhält alle Einsätze als Info auf sein Smartphone. Auch er kommt ins Feuerwehrhaus. Für ihn eine Selbstverständlichkeit. Für uns Rückendeckung, und wir wissen das falls nötig wird, Entscheidungen schnell getroffen werden können. Nun kommen Einsätze im Minutentakt, Kevin am Telefon, ich am Funk. Reserven müssen gebildet werden. In unserer Führungssoftware wo man mehrere Einsätze gleichzeitig bearbeiten kann, heißt das was wir machen Ausnahmezustand. Für die Feuerwehr Unwettermodul. Jeder der auf dem Feuerwehrfahrzeug vorne rechts als Führungskraft sitzt, weiß was er zu tun hat. Zeiten und Adressen mitschreiben, doppelte Dokumentation. Sie dokumentieren und wir im IUK Raum. Das hat sich bewährt, nach vielen Unwettern.

Wir fordern die Alarmierung nach "Unwettermodul" mit Sirene an. Fünf vor halb zwölf laufen im Stadtgebiet alle Sirenen. Die Alarmapps auf Smartphones und Pager im ganzen Stadtgebiet lösen innerhalb einer Sekunde aus.  Nun sind alle Feuerwehrmänner und Frauen, denen es möglich ist, auf den Weg zu ihren Feuerwehrhäusern. Von Angenrod bis Schwabenrod, von Liederbach bis Lingelbach. Fünf Minuten später der nächste Primäreinsatz. In Lingelbach wurde ein PKW Brand gemeldet. Die Feuerwehr Lingelbach wird losgeschickt. Aufgrund der Vielzahl an Einsatzstellen, inzwischen über 20 werden Prioritäten festgelegt. Einige Einheiten werden erstmal in Bereitschaft gelassen, andere nach Alsfeld geordert. Wir warten noch auf genauere Rückmeldungen aus Reibertenrod. Der Einsatz läuft erst ein paar Minuten. Daniel meldet sich und sagt das sie die Lage unter Kontrolle haben. Dass was an Material und Personal vor Ort ist, ist ausrechend. So langsam zeichnet sich ein Schadensgebiet ab. Die Kernstadt plus zwei Kilometer ist am stärksten betroffen. Meinen Platz habe ich inzwischen mit Johannes Zinn aus Schwabenrod getauscht. Auch er ist Führungskraft. Zusammen schicken wir Einheiten los. Mir bleibt so Zeit, Feuerwehrleute die noch auf keinem Fahrzeug sitzen, neue Einheiten zusammenzustellen. Da es sich abzeichnet das die Rettungswache, der Ortsverband des DRK und die Atemschutzübungsanlage des Landkreises betroffen sind, mache ich mich selbst auf den Weg an die Au. Mit Martin Zulauf, ebenfalls Führungskraft und Vollblutfeuerwehrmann erkunde ich den Bereich. Das Aldi scheint augenscheinlich verschont, im Keller unter der Atemschutzübungsanlage steht das Wasser mehr als einen Meter hoch.

Der Einsatz in Reibertenrod konnte um kurz nach Mitternacht beendet werden. So ist Daniel jetzt in der Feuerwache und ich bleibe in der Au.  Auch die Rettungswache ist betroffen. Die Fahrzeuge sind von den Besatzungen bereits zu Beginn auf den gegenüberliegenden Parkplatz gerettet worden.

Normalerweise haben die Retter zwischen ihren Einsätzen Ruhezeiten. Nun wird ihr Ruhebereich selbst zur Einsatzstelle. Immer mehr Feuerwehrmänner und Frauen treffen ein. 

Der Rettungsdienst

Kaffee in der Nacht

Waschhalle

In den Kellerräumen, er umfasst rund 1.000 Quadratmeter, steht das Wasser. Es geht um eine Gesamtwassermenge von beiden Gebäuden von etwa 1.500 Kubikmetern. Es wird schnell klar, das wird alleine nichts. Es wird der Gerätewagen Hochwasser aus Mücke angefordert, ebenfalls das THW. Hier gab es aber Probleme bei der Alarmierung. Sie werden nicht mehr zum Einsatz kommen.  Die Feuerwehr Mücke war am Abend bereits im Unwettereinsatz. Als sie vom Alsfelder Schadensausmaß hörten, blieben Sie noch in ihrer Wache. Kurze Zeit später waren sie auf dem Weg nach Alsfeld. Die Feuerwehr aus Liederbach nimmt eine Großpumpe vor. Fast 3.000 Liter fördert diese. Korngrößen bis 80 Millimeter saugt Sie weg, dass heißt ein Putzlappen oder ein Tennisball schießt dann ohne Probleme durch die Schlauchleitung. Hoch motiviert geht die Truppe mit ihrem Fahrzeugführer, dem Unternehmer Mike Momberger ans Werk. Etwa 150 Einsatzkräfte sind nun im Einsatz. Keller werden ausgesaugt, Erinnerungen entstehen. Der Altenburger Matthias Schlitt, erst eine halbe Stunde vor der Alarmierung mit seiner Frau der lokal bekannten Schriftstellerin Traudi aus dem Urlaub zurück, berichtet von einer Aussage, dass die Feuerwehr immer da wäre, wenn es drauf ankommt. Der Einheitsführer des Löschgruppenfahrzeuges Kevin Eilts fand einen Zettel an der Tür das man die Sache bereits selbst in den Griff bekommen hätte. Und das es sicherlich wichtigere Einsatzstellen gäbe wie diese. Kevin Planz hatte einen Bürger am Telefon der dann explizit Nachfragte ob denn auch die Feuerwehr aus seinem Stadtteil käme.


Inzwischen habe ich das Zeitgefühl verloren.

Pumpen summen. Der stellvertretende Kreisbrandinspektor Hubert Helm und Kreisbrandmeister Björn Preuß von Brinken machen sich ein Bild von den Räumen bei der Atemschutzübungsanlage. Wir hatten sie informiert. Für mich ist es das vierte oder fünfte Mal, dass ich den Keller auspumpe. Beim zweiten Mal haben wir damals sogar den Estrich rausgestemmt. Viel mehr als Kopfschütteln habe ich nicht mehr übrig. Vor Ort auch der Ortsvorsteher von Angenrod Axel Möller. Auch er ist schon Jahrzehnte lang bei der Feuerwehr, und bei vielen Einsätzen dabei. Zwischenzeitlich führte mich mein Weg in das alte Verwaltungsgebäude der Feuerwehr. Begleitet werde ich durch Jürgen Spahn. Wir kennen uns schon lange. Erst durch das Calypso, die Burschenschaft, ‚Alheburger‘ eben. Im Keller steht das Wasser  fünf Zentimeter hoch, die fest eingebauten Pumpen laufen. Nicht dramatisch. Eine Meldung an Kevin, der ist tagsüber Abteilungsleiter bei der Stadt Alsfeld. Der Bauhof wird sich morgens darum kümmern.   

Der selbstbetroffene Ortsverband des kocht DRK Kaffee in rauen Mengen und es gibt Würstchen mit frischen Brötchen - für sie eine Ehrensache. Die Versorgung ist wie immer gut. Irgendwann gegen drei haben wir die großen Mengen Wasser weg und es geht im Wassersaugern weiter. Freie Einheiten kommen jetzt nach und nach in das Kats-Zentrum. Mathis Kruse, mitverantwortlich in der Bereichsleitung des Wachenbereich Alsfeld, des Rettungsdienst Mittelhessen macht sich ein Bild vor Ort. Auch Daniel Schäfer kommt nun in die Au. Das Wohnhaus in Reibertenrod konnte durch den schnellen Einsatz gerettet werden. Eine Glanzleistung. Etwas Eigenlob an dieser Stelle für die Feuerwehr. Unter den Mücker Feuerwehrmännern ist auch einer seiner Arbeitskollegen der Berufsfeuerwehr Frankfurt. Man diskutiert nebenbei über Feuerwehr und die aktuelle Rückrufaktion eines namhaften Herstellers für Atemschutztechnik. Hubert, der stellvertretende Kreisbrandinspektor verlässt die Einsatzstelle. Auch er muss am nächsten Morgen wieder an die Arbeit, unaufschiebbare Termine. Er lässt noch den Dank des Landrates da. Macht man ebenso. Ich gebe es weiter.  

Gegen kurz vor fünf mache ich mich mit Mathis zurück auf den Weg zum Feuerwehrhaus. Auch er hat um 8:00 Uhr wieder einen Termin in der Au zusammen mit seinen Kollegen vom Rettungsdienst Mittelhessen. Es wird dazu kommen das nachts der Rettungsdienst in das Hotel Villa Raab zieht. Die Kellerräume sind nass, müssen gereinigt werden und trocknen.  

Um 05:08 Uhr sind alle Kräfte wieder auf dem Heimweg. Daniel ist nochmal unterwegs. Das wird aber ein Fall für die Bereitschaft der Kläranlage.  

Kevin meldet der Leistelle das die örtliche Einsatzleitung nun ihre Tätigkeit einstellt und bedankt sich für die gute Zusammenarbeit. Inzwischen stehen alle Fahrzeuge wieder einsatzbereit in der Halle Zum Abschluss erzählen sich die Anwesenden noch die Highlights der Nacht. Ich melde mich von der Arbeit ab. Mein Arbeitgeber ist da sehr kulant. Ich sage mal, er kennt es nicht anders. Die Ausfallzeit übernimmt die Stadt Alsfeld. Gegen 5:20 Uhr bin ich wieder zuhause. Der Sonnenaufgang ist im Osten schon zu erahnen. Nach sieben Stunden Einsatz. Ich dusche, lege mich neben Frau. Schaue noch einmal auf das Handy, immer noch halb voll. Abends extra geladen, vor dem Einsatz. Daniel hat ein Bild des Schlauchturms mit Sonnenaufgang im Status. Ich sagen noch das in zehn Minuten mein Wecker zur Arbeit klingeln würde…dann bin ich bereits eingeschlafen. Nur zwei Stunden später fährt die Feuerwehr wieder. Kurz vor acht heißt es "Wasser im Keller" für die Gruppe "Tag" und den Stadtteil Berfa... Fortsetzung folgt! (Carsten Schmidt) +++


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