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Umstrittenes Projekt: Stadtverordnete entscheiden über "Am weißen Weg"
21.09.23 - Was die Zukunft des geplanten Industriegebietes "Am weißen Weg" in Alsfeld betrifft, so fällt am heutigen Donnerstagabend die Entscheidung über eine Realisierung. Um 19.30 Uhr treffen sich nämlich die Stadtverordneten zu ihrer nächsten Sitzung. Das Projekt sorgt seit Langem weit über den Vogelsberg hinaus für Diskussionen: So hatte unter anderem die Bürgerinitiative "Alsfeld - Region mit Zukunft" über 2.000 Unterschriften gegen das Vorhaben an Bürgermeister Stephan Paule (CDU) übergeben.
Umweltschützern ist das Großprojekt von Anfang an ein Dorn im Auge. Gründe: Die hohe Verkehrslast von den befürchteten bis zu 400 täglich fahrenden Lkw in den Nachtstunden, die "Verantwortungslosigkeit gegenüber nachfolgenden Generationen" oder auch die geringe Beschäftigungsdichte in der Logistikbranche (OSTHESSEN|NEWS berichtete mehrfach).
Im Vorfeld der heutigen Stadtverordnetensitzung hat der Naturschutzverband BUND seine Kritik erneuert und an die Parlamentarier appelliert, das Vorhaben zu stoppen. CDU, UWA und SPD haben allerdings die Mehrheit inne, sodass einer Zustimmung kaum etwas im Wege stehen dürfte. Entsprechend war auch das Votum des Bauausschusses vor einigen Tagen gewesen.
"Seit Anfang 2020 haben der BUND und mit ihm die Naturschutzverbände NABU, HGON und Schutzgemeinschaft Deutscher Wald immer wieder Kritik an der Planung vorgebracht", heißt es seitens des BUND weiter. In ausführlichen Stellungnahmen hätten die Verbände auf zahlreiche Umweltrisiken hingewiesen. "Und immer wieder begann unsere Stellungnahme mit der grundsätzlichen Kritik am Verbrauch von 40 Hektar Fläche, zumeist guter Ackerboden. Wir erkennen durchaus an, dass die Planung seit Anfang 2020 deutlich umweltfreundlicher geworden ist, viele unserer Forderungen nach Naturschutzflächen, Photovoltaik auf den Dächern wurden erfüllt. Aber immer wieder mussten wir darauf hinweisen, dass all das den Verlust an Boden nicht ausgleichen kann".
Auch erwähnt der BUND, dass es in besagter Sitzung des Bauausschusses Zweifel unter anderem daran gegeben habe, ob ein Beschluss für das Gewerbegebiet in der geplanten Größe rechtssicher sei. Die Planung sollte daher nochmals grundsätzlich überdacht werden, um Schaden für die Umwelt und für die städtischen Finanzen abzuwenden.
Finanziell kommen weitere große Hürden
Auch für die ALA-Fraktion in der Alsfelder Stadtverordnetenversammlung ist das geplante Industriegebiet "zu groß, ökologisch schädlich und wirtschaftlich überflüssig". So schreibt Fraktionsvorsitzender Michael Riese unter anderem, dass nach einem Bodengutachten der Stadt für "Am weißen Weg" Bodenwertpunkte in Millionenhöhe für einen Ausgleich der Bodenbeeinträchtigungen aufgebracht werden. Trotz des Ankaufs von zusätzlichen Ökopunkten in sechsstelligem Euro-Bereich erreiche Alsfeld aber nur etwa 50 Prozent des geforderten Ausgleichs. "Das ist die rechtliche Achillesferse der Stadt für das Bauvorhaben", so Riese, der auch finanziell eventuell noch einiges auf die Stadt zukommen sieht.
Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule (CDU) hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach gegenüber O|N positiv geäußert: "Wer eine Modernisierung und Transformierung der deutschen Wirtschaft, von der unser gesamter Wohlstand abhängt, will, der muss auch zulassen, dass sich die Unternehmen in modernen Gebäuden ansiedeln können." Und genau das passiere in Alsfeld. Zudem würden Hunderte neue Arbeitsplätze für die Region entstehen, die gleichzeitig dafür sorgen, dass weniger Leute an andere Orte pendeln müssten." Die Stadt habe über Gewerbesteuer und gegebenenfalls Einwohnerzuwachs eine breitere wirtschaftliche Basis für zukünftige Aufgaben.
Vogelsberg-Landrat Manfred Görig (SPD) hatte gegenüber O|N die Ansiedlung von Betrieben in der Region befürwortet: Die Planungshoheit liege bei den Städten und Gemeinden. Gewerbeansiedlung bringe oft auch Zuzug mit sich, wie man in Schlitz, im Raum Lauterbach/Wartenberg, in Alsfeld und auch im Bereich Homberg/Mücke sehen könne.
Hintergrund
Die gewerbliche Entwicklung der Stadt Alsfeld weist in den letzten Jahren eine positive Entwicklung auf und bestehende und bereits erschlossene Gewerbeflächen können aufgrund der günstigen Lage unmittelbar an der A 5 gut vermarktet werden, sofern es sich nicht um flächenintensive Ansiedlungen handelt. So heißt es unter anderem in der Beschlussvorlage für heute Abend.Trotz entsprechender Anfragen stehen jedoch im Stadtgebiet von Alsfeld derzeit keine größeren, zusammenhängenden Flächen zur Verfügung, die den Anforderungen an großflächige Logistik- und sonstige Betriebe genügen würden. Zudem fehlen Standortoptionen für die Ansiedlung stärker emittierender Betreibe und für Gewerbe mit 24h-Betrieb. Die Stadtverordnetenversammlung hatte daher in ihrer Sitzung am 5. März 2020 die Aufstellung eines 43. Änderungsplanes zum Flächennutzungsplan sowie die Aufstellung eines Bebauungsplanes "Industriegebiet - Am weißen Weg" beschlossen. (bl) +++