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Traditionsort Kaffeetälchen in Tiefenort - der symbolträchtige Ort im Umkreis für Fußball-Kultur schlechthin - Fotos: privat

REGION Fußball-Tourist Stefan Kontowski (2)

"Für mich ist es mein Leben. Nach der Familie" - eine Premiere im Kinderwagen

18.10.23 - Sie möchten wissen, warum Stefan Kontowski sein Hobby, das eine Leidenschaft ist, so aufwändig, intensiv sowie mit Freude und Herz betreibt? Sie möchten wissen, welche Rolle sein 20-jähriger Sohn Felix dabei spielt? Sie möchten wissen, wie Kontowskis Tochter Néle zu alldem steht - und wie ihre Mutter Maren all das einordnet? Und warum das "Kaffeetälchen" in Tiefenort als Synonym der "Fußball-Kultur der ländlichen Region" gilt? Wenn Sie all das und noch mehr erfahren wollen, dann lesen Sie folgenden Beitrag auf OSTHESSEN|NEWS.

Na klar, manchmal herrscht im Hause Kontowski in Bad Hersfeld-Eichhof ein Kommen und Gehen. Da sind Maren und Stefan Kontowski, deren mehr oder weniger erwachsene Kinder Néle und Felix - und da sind zwei Golden Retriever, die ihre Aufmerksamkeit verlangen. Und da ist Stefans ausgefallenes Hobby - mit dem er für den Fußball sowohl auf dem Lande als auch in ganz Europa mehr tut als so manch anderer. Ob Spieler, Trainer, Betreuer, Klassenleiter oder was auch immer.

Fußball-Romantik? Ist es das, was Groundhopper veranstalten? Ja, aber es trifft es nicht so ganz. Bewahren von und Festhalten an Traditionen? Durchaus ist es das. Und es nicht verboten - in Deutschland werden beide Begriffe leicht negativen Schubladen zugeordnet. Sei's drum: Das Kaffeetälchen, das schicke und gemütliche Stadion von Kali-Werra Tiefenort, ist eine Wohlfühl-Oase für die Groundhopper-Szene. 

Das Kaffeetälchen, Wohlfühl-Oase für die "Hopper-Szene"

Hier, wo einst Mike Lindemann kickte, Ex-Torjäger des TSV Ausbach und Vater von Max, der jetzt sein erstes Tor für die U23 der SG Barockstadt erzielte. Kali Werra spielte seinerzeit in der DDR-Liga, der zweithöchsten Klasse der DDR. Tiefenort und Fußball, das war und ist ein Begriff. Eine Marke. Am 24. und 25. Juni feierte der Verein sein 110-jähriges Bestehen. Die Szenerie im Kaffeetälchen fühlt sich immer noch echt an. Glaubhaft. Glaubwürdig. Hier darf man Fußball spüren. Ihn leben.

Fast 250 "Hopper" zog das Kaffeetälchen an an zwei Tagen. 62 am ersten. 172 am zweiten. "Das ist so ehrlich. Nicht für so eine breite Masse aufgehübscht. Einfach ein vollendetes Gefühl." Felix schwärmt noch heute. Sein Vater ergänzt: Da stimmt einfach alles." 

Was bedeutet es, am Wochenende vier oder noch mehr Fußballspiele zu konsumieren, von Ort zu Ort zu reisen, bisweilen auch zu hetzen, dabei kulturelle Eindrücke aufzusaugen, Bilder ein masse zu knipsen und sie zeitnah auf Facebook, Instagram oder die Homepage zu stellen? Wie fühlt sich das? Können sich Dritte da reinversetzen? "Für mich ist es mein Leben. Hinter der Familie", sagt Stefan Kontowski. Eher lapidar - aber mit Stolz, und kurz hat man den Eindruck, als schäle sich ein anderer Mensch heraus.

Ehefrau Maren war lange dabei - Felix: ein Gefühl von Freiheit

"Ich mach' das seit 20 Jahren mit", bemerkt seine Ehefrau Maren. Früher war sie oft mit ihrem Mann unterwegs, heute muss sie das nicht mehr haben. Um den Eindruck eine nicht alltäglichen und fußball-verrückten Familie zu verfestigen, schiebt Stefan dies nach - und wieder scheint er irgendwie stolz zu sein: Sein Sohn Felix war 2004 erstmals mit - im Kinderwagen. Die Spielpaarung nebenbei bemerkt: Bad Orb gegen die SpVgg Oberrad.

Bleiben wir bei der Familien-An- und -einbindung. Seit Anfang 2020 ist Felix, der bis er zwölf, dreizehn war, in Hohenrodas Nachwuchs kickte, "so richtig dabei", wie er sagt. "Für mich bist du ein Groundhopper, weil du nichts anderes machst, als von Ground zu Ground zu hüpfen", wendet er sich an seinen Vater und versucht sich an einer persönlichen Einordnung. "Für mich ist es eher ein Hobby als mein Leben" - Felix stellt aber klar: "Es ist aber ein Gefühl. Wenn man auf den Sportplatz kommt, ist jeder gleich. Das gefällt mir gut. Das genieße ich. 90 Minuten oder länger, wie man es früher kannte. Ein Gefühl von Freiheit." Felix durchläuft derzeit eine Ausbildung zum Krankenpfleger.

Anfangs habe sich Felix schon gefragt, "worin mein Vater der Reiz findet. Wenn er jedes Kreisliga-Spiel macht. Aber als ich selbst mitgefahren bin, ist mir das klar geworden. Dass ich in unteren Klassen auch Atmosphäre aufsaugen kann. Hier weht auch ein schöner Wind." Mittlerweile spürt sein Sohn "die Begeisterung auch. Fußball von Anfang an. Das spielt eine große Rolle für den Verein".

Flutlicht aus im französischen Amneville - 120-Kilometer-Flucht nach Belgien folgte

Besondere Erlebnisse hat er einige aufgeschnappt. 2016 etwa, bei der Auswärtsfahrt des Kontwoski-Herzensvereins Eintracht Frankfurt im DFB-Pokal nach Magdeburg - oder jenes am 5. November 2022. "Ich war das erste Mal in Frankreich. Wir wollten nach Amneville. Als wir ankamen, haben wir festgestellt, dass sie nicht auf dem Hauptplatz im Stadion vor 5.000 Zuschauern spielten, sondern auf einem Nebenplatz.  Schade: Für Felix wäre es sein erster französischer Ground-Punkt gewesen.

"Im Stadion war das Flutlicht aus und die haben auf so einem dreckigen Kunstrasenplatz gespielt", bestätigt sein Vater, "wir hatten so 'ne Krawatte". Was machten die Kontowski-Männer? Sich auf die Suche nach einem anderen Spielort. "Wir haben in Belgien noch einen gefunden. 120 Kilometer entfernt", erinnert sich Kontowski Senior - beim RESC Houffaloise. "Deswegen hatten wir 440 Kilometer auf dem Tacho stehen. Wären wir von Saarbrücken aus nach Hause gefahren, wären es 300 gewesen."  Schmunzelnd fügt er an: "Da bin ich dann in so einem Tunnel. Wir kamen gerade zum Einlaufen der Mannschaften an. Und auf der Rückfahrt von Belgien haben wir die Aktion gefeiert."

"Bei jeder Fahrt wird versucht, etwas Zählbares mitzunehmen"

Nicht zuletzt kommt Tochter Néle ins Spiel. Die 17-Jährige war auch dabei. Gelegentlich - mal, wenn's früher um Eintracht Frankfurt ging, oder später, wenn die Familie ihre Fußball-Ausflüge mit Urlaub verbinden konnte. "Ich freue mich, dass mein Vater so ein schönes Hobby gefunden hat, in das er alles reinstecken." Ausflüge? Zum Beispiel nach Wild, in die erste luxemburgischen Liga, vor drei Jahren. Oder aber in Grömitz oder Cuxhaven. "Bei jeder Fahrt wird versucht, etwas Zählbares mitzunehmen", stellt Stefan klar - der aber auch sagt: "Ich hätte überhaupt kein Problem damit, wenn wir mal etwas in Kultur machen." 

Wie alles begann? In den frühen und mittleren neunziger Jahren, als Stefan Kontowski die Spiele seines Herzensvereins Eintracht Frankfurt besuchte. "Damit bin ich groß geworden. Auch, weil ich durch meinen Vater Ernst kaum eine andere Wahl hatte." Schon als Drei-, Vier- oder Fünfjähriger wurde er zu SGE-Spielen mit ins Waldstadion genommen. "Erstmal waren es die Heimspiele. Als ich aber ein Auto hatte - einen Polo - bin ich auch auswärts mitgefahren." Als er alle Spiele in einer Saison sah, fühlte sich Stefan Kontowski angekommen.

Angekommen in der Welt der Ultras

Angekommen in der Welt der Ultras. Mitten in deren Gedankengut. Das mag für viele heutzutage grenzwertig klingen, ist aber lediglich die Bekanntschaft mit Fan-Kultur und vielen Anhängern, die ehrlich denken und ihr Herz auf den Platz werfen. Werte wie Freundschaft, Zusammenhalt, Aufopferung für den Verein oder bedingungslose Vereinstreue stehen da ganz oben. "Meinetwegen kann die Eintracht in die Hessenliga absteigen. Ich würde mir nie einen anderen Verein suchen. Nach dem ersten Abstieg der Eintracht sind wir mit ihr durch die Zweite Liga getingelt."

Nicht nur Kontowski fehlt am heutigen Fußball die Seele. "Mit den Namen beschäftige ich mich auch nicht mehr. Wenn da einer steht und das Trikot anhat, gut. Ich bin mit Körbel, Binz und Borchers groß geworden." Apropos Ultra-Szene. Die schwappte in dieser Zeit, den 1990er-Jahren, von Italien nach Deutschland über.  Choreos, Doppelhalter, Schwenkfahnen oder Pyrotechnik wurden hierzulande ein Begriff. "Da waren alle heiß drauf", beobachtete Kontowski.

1. Spiel: 29. Januar 2001 - in 2023 sind es allein 102 - insgesamt 367.524 Kilometer

Wenn Sie nicht mehr wissen, was Sie am 29. Januar 2001 gemacht haben - Kontowski weiß es. Es war sein erstes Spiel im europäischen Ausland. Im belgischen Lommel. Der KFC Lommelse spielte gegen den renommierten RSC Anderlecht - 3:0 vor 10.000 Zuschauern. Von da an startete Stefan durch. Zwei Wochen später begleitete er seine Eintracht zum Spiel in Duisburg - von dort ging die kurze Fahrt weiter ins holländische Nijmwegen.

Seitdem hat der 40-Jährige unzählige Spiele gesehen. Querbeet durch Deutschland. Querbeet durch Europa. 101 sind es alleine in diesem Jahr - mit der Partie der SG Niederaula/Kerspenhausen II gegen die SG Sorga/Kathus in der A-Liga Hersfeld/Rotenburg war es so weit am Sonntag. Auch das 100. sei erwähnt: am Wochenende zuvor war es - die Begegnung: SG Gudegrund/Konnefeld gegen FSG Hohenroda, Kreisoberliga Fulda Nord. Fast 9.000 Kilometer hat er zurückgelegt in 2023 - insgesamt mit Auto, Flugzeug oder Bahn: 367.524. Ground-Punkte hat er jetzt 686 gesammelt. Zahlen, die die Statistik fett machen. Das Herz berühren sie später.

Apropos Ground-Punkte. "Ich freue mich über jeden Ground. Doch in der Szene sind es keine weltbewegenden Sachen." Muss man - mit Verlaub - bekloppt sein, um diesen Stress auf sich zu nehmen? "Für mich ist das eher schon ein Kompliment", entgegnet Kontowski, "weil sich die Leute da nicht reinversetzen können". Sein Sohn pflichtet ihm bei: "Da hört man gar nicht drauf." Felix erinnert an eine oben genannte Begebenheit: "Wenn wir damals von Saarbrücken aus heimgefahren wären, hätte ich diesen Tag schon längst vergessen. So nicht. Mir war schon klar, dass wir an diesem Abend noch was machen." Auch ein Auszug ihrer Leidenschaft. 

Das Planen der Ausflüge beginnt früh - Aufschwung beim Social-Media-Auftitt

Natürlich wollen die Ausflüge gut geplant sein. "Sofort, nachdem das Wochenende beendet ist", platzt es fast aus Stefan heraus. "Für einen Tag wähle ich mir ein Ziel aus. Ein Haupt-Spiel quasi. Und um das bastele ich was drumherum." Als Beispiel diente der 24. September: erst spielte Reulbach/Brand gegen Ulstertal II, dann Elters/E./S. III gegen Dalherda II - und abschließend Nüsttal gegen Ufhausen. Alles um die Ecke.

Und der Social-Media-Auftritt? Auch das hat er sich auf den Leib geschrieben. Stefan Kontowski macht es gerne. "Ich stelle meine Erlebnis-Berichte mit Fotos rein. Auf Instagram ist es ja begrenzt auf zehn, bei Facebook bis zu 80 - und auf meiner Homepage lass' ich es krachen. Da stelle ich alles online." Irgendwann habe er mal damit angefangen, 2016 etwa, "es war eine Riesen-Arbeit. Mittlerweile sind es etwa 15 Besucher pro Tag". (wk)

Lesen Sie im dritten und abschließenden Teil: Stefan Kontowskis Ausflüge über den europäischen Kontinent - zu den Römer Derbys, nach San Siro, in Europas Norden, die Benelux-Staaten oder sonstwo hin. Auch wenn die Reisen nur ein Ausschnitt sind. +++

Familien-Ausflug in jungen Jahren, von links: Felix, Stefan und Néle Kontowski

Das waren noch Zeiten: Maren und Stefan Kontowski vor dem Schiefen Turm in Pisa


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