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Elisabeth Schmitz. - Foto: © Privatbesitz/ Reproduktion Gedenkstätte Deutscher Widerstand

KALBACH "Elisabeth Schmitz warnte früh"

Synagogen-Förderverein erinnert an vergessene Widerstandskämpferin

09.11.23 - Mit einem Portrait der 1893 in Hanau geborene Widerstandskämpferin Elisabeth Schmitz erinnerte der Fördervereins Landsynagoge Heubach in der ehemaligen Synagoge an die Pogromnacht des Jahres 1938 und an die Schrecken des Antisemitismus‘. Gemeinsam stellten die Fuldaer Pfarrerin Anke Heil und Hartmut Zimmermann vom Vorstand des Fördervereins das Wirken der Hessischen Lehrerstochter vor. Der Impuls dazu war von einer Predigtreihe Heils mit dem Titel "Vorbilder im Glauben" ausgegangen, in der sie Schmitz vorgestellt hatte.

Denn Schmitz hatte aufgrund ihrer zu vielen Menschen jüdischer Herkunft sehr früh gesehen, welche dramatischen Folgen der Antisemitismus der Nazis haben würde. Schmitz, die nach ihrem Studium in Berlin als Studienrätin Geschichte und Religion unterrichtete, wandte sich an die prominenten Vertreter der "Bekennenden Kirche", namentlich an Karl Barth und Friedrich von Bodelschwingh. Die Ereignisse um sich herum und die politischen Signale beobachtend und nüchtern deutend, verfasste sie bereits 1935 eine "Denkschrift zur Lage der Nichtarier", mit der sie vor allem die Verantwortlichen im Bereich der "Bekennenden Kirche" dazu bewegen wollte, sich gegen die Entrechtung und Verfolgung der jüdischen Menschen - der Getauften wie der Nichtgetauften - einzusetzen, solange dies noch möglich war. Schmitz beschaffte sich eine Vervielfältigungsmaschine und vor teilte ihre Denkschrift in 200 Exemplaren in Kirchenkreisen. Doch die erhofften Reaktionen blieben aus: Die evangelische Kirche blendete die Verfolgung der jüdischen Menschen weitgehend aus.

Anke Heil und Hartmut Zimmermann würdigten die Widerstandskämpferin Elisabeth ...Foto: Claudia Schäfer/Förderverein

Vor der Sanierung war die frühere Heubacher Synagoge, die zwischenzeitlich als Rathaus ...Foto: Büro Krieg&Warth/Förderverein

Die Gründungs- und jetzige Ehrenvorsitzende Johanna Rau zeigt einer Besucherin ...Foto: Förderverein

Um nicht zur Kollaborateurin des Nazi Regimes zu werden, beantragte sie nach der Pogromnacht von 1938 ihre Entlassung aus dem Schuldienst und arbeitete stattdessen im kirchlichen Umfeld. Sie betreute zahlreiche jüdische Menschen. Einige versteckte sie auch bei sich. Dafür wurde sie - allerdings erst viele Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1977 - von der Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechte unter den Völkern" geehrt. 1943 zog sie zurück ins Elternhausnach Hanau, wo sie ihren betagten Vater betreute. Wenig später wurde ihre Berliner Wohnung bei einem Luftangriff zerstört, sie verlor ihre umfangreiche Bibliothek und viele Unterlagen aus ihrer Arbeit. 1947 ging sie zurück in den Schuldienst. Ihr mutiger Einsatz zugunsten der Verfolgten, ihre Versuche, das Gewissen der Kirchenoberen aufzurütteln blieben unerwähnt: Schmitz starb 1977, gerade einmal sieben oder acht Menschen folgten ihrem Sarg. Die großen Männer der "Bekennenden Kirche", die nach 1945 die Leitfiguren des deutschen Protestantismus‘ wurden, waren nicht auf die Idee gekommen, die Mahnerin aus den Vorkriegsjahren, deren geradezu prophetischen Appelle sie beiseite geschoben hatten, beim Neuanfang zu würdigen oder gar in die Arbeit einzubeziehen.

1999, also 22 Jahre nach Schmitz‘ Tod endlich wurde in der Fachliteratur endlich dokumentiert, dass die fromme Lehrerin die Autorin der Denkschrift von 1935 war, deren Inhalt und Vervielfältigung sie seinerzeit umgehend zumindest in ein Konzentrationslage gebracht hätte. Und 2004 fand sich in einem Hanauer Kirchenkeller eine verstaubte lederne Aktentasche, in der unter anderem der handschriftliche Entwurf von Schmitz‘ Denkschrift lag. Heute sind in Hanau immerhin eine Schule und eine Straße nach Elisabeth Schmitz benannt.

Der Synagogenraum. Foto: Nicolaus Heiss/Förderverein

Die Frauenempore. Foto: Nicolaus Heiss/Förderverein

Die Veranstaltung des Fördervereins markierte auch ein kleines Jubiläum: Der Verein begeht/beging nämlich am 9. November 2023 sein 20-jähriges Bestehen. Im Jahr 2003 war er auf Initiative der damals im Kirchspiel Oberkalbach-Uttrichshausen-Heubach tätigen Pfarrerin Johanna Rau im Gasthof Jäger aus der Taufe gehoben worden. Rau hatte die Geschichte der früheren Heubacher Synagoge – das Gebäude war damals in einem erbärmlichen Zustand – erforscht und es geschafft, letztlich eine ausreichende Zahl von Menschen davon zu überzeugen, nach Wegen für eine umfassende Sanierung und Restaurierung des Hauses zu sorgen. Die Synagoge war, nachdem die jüdische Gemeinde Heubachs sich Anfang der 1930er Jahre aufgelöst hatte, an die politische Gemeinde Heubach verkauft worden und diente bis zur Gebietsreform von 1979 als Rathaus des Dorfes. Der Förderverein beteiligte sich nicht nur finanziell an dem Projekt, seine Mitglieder arbeiteten im Projekt mit. In Abstimmung mit dem damaligen Kalbacher Bürgermeister Karlheinz Kaib übernahm der Förderverein auch eine wichtige Rolle für die Zeit nach der Sanierung des historischen Bauwerks: Er steht seitdem mit seinen Veranstaltungsangeboten und Führungen dafür ein, dass das 1841 erbaute jüdische Gotteshaus und Gemeindezentrum als Kultur- und Begegnungsstätte genutzt wird. (pm) +++


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