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Gemeinsam an das Schreckliche erinnern, das nie wieder geschehen darf
09.11.23 - Die Synagoge in Hersfeld brannte als erste im Nazi-Reich - bereits einen Tag vor den Pogromen im restlichen damaligen Deutschen Reich. Aus diesem Grund wird in der heutigen Kreisstadt bereits am 8. November der schrecklichen Ereignisse gedacht. Mehr als 100 Menschen waren am Mittwochabend auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit an die Gedenkstätte an der Stadtmauer gekommen.
Nicht weit von dieser Stelle in Richtung Bahnhof standen bis zum 8. November 1938 die Synagoge und die jüdische Schule. Bis vor 85 Jahren, als die Judenverfolgung im Nazi-Reich immer schlimmere Formen annahm. "Es geht hier um Menschen", sagte Werner Schnitzlein von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit zur Begrüßung. Die Gedenktafel mit den Namen der Hersfelder Opfer war vor einiger Zeit gewaltsam zerstört worden (O|N berichtete). Rechtzeitig zum Gedenktag hat die neue Tafel ihren angestammten Platz wiedergefunden. "Diese Tafel soll erinnern und mahnen, dass die Welt Wege zum Frieden finden und Menschlichkeit praktizieren soll", so Schnitzlein.
Pfarrer Rainer Bätzing verlas ein Schreiben, das der Bundestagsabgeordnete Michael Roth (SPD) an die Gemeinde richtete. "Heute müssen Juden weltweit wieder um ihr Leben fürchten", so Roth. Er nannte die kriegerischen Auseinandersetzungen in Israel den "größten Völkermord seit dem Holocaust". Bei der terroristischen Hamas sei "der gleiche Hass am Werk wie vor 85 Jahren". "Es ist eine Schande, dass Antisemitismus auch in Bad Hersfeld offen zur Schau getragen wird", so der Politiker. "Ich schäme mich für mein Land."
Gegen alle Formen der Intoleranz stellen Bürgermeisterin Anke Hofmann (parteilos) erinnerte an die Ereignisse im Jahr 1938, die sie als "Angriff auf die Grundprinzipien der Menschlichkeit" bezeichnete. "Die Angriffe fanden in der Öffentlichkeit statt. Aus Nachbarn wurden Täter und Verbrecher", so Hofmann. Die Erinnerung daran müsse helfen, dass sich solche Taten nicht wiederholen. Sie gedachte auch derer, die sich dem Nazi-Regime widersetzten. "Wir müssen uns gegen alle Formen der Intoleranz stellen. Das ist eine Verpflichtung, die uns alle angeht - unabhängig vom Glauben", so die Bürgermeisterin. "In Bad Hersfeld stehen wir als Gemeinschaft zusammen, mit Respekt und Solidarität." Sie bezeichnete die Vielfalt und Unterschiedlichkeit in der Stadt als Stärke. "Lassen Sie uns die Zukunft mit Mut gestalten", rief sie den Zuhörern zu.
Auch Landrat Torsten Warnecke (SPD) sprach über die aktuelle Lage in Israel. "Unsere Solidarität gilt dem Staat Israel", so Warnecke, ehe er mit einem "Shalom" endete. Das geistliche Wort gestaltete Hajo Weitmann von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde aus Bad Hersfeld. Er erinnerte unter anderem an die Zehn Gebote. "Mit Gottes Hilfe können wir allen Menschen offen und tolerant begegnen. Wir müssen dem Ungeist der Judenfeindlichkeit entgegentreten", so Weitmann.
"Für die, die noch leben" Die Fürbitten sprach und sang Kantorin Annette Willing von der Jüdischen Gemeinde im nordhessischen Felsberg. "Mein Fürbitten-Gebet gilt den Menschen, die noch leben", so Willing, die an die Menschen in Israel dachte. Sie sang die Fürbitten auf Hebräisch. Schüler der Obersbergschulen entzündeten Gedenkkerzen, die gemeinsam mit den Kränzen nun die Gedenkstätte an der Stadtmauer zieren. Den Segen erteilte Monsignore Bernhard Schiller von der Lullus-Sturmius-Gemeinde. Der Posaunenchor des CVJM unter Leitung von Gesa Hild spielte einige Kirchenlieder und Schnitzlein schloss mit den Worten "Shalom - Salam" - "Friede" auf Hebräisch und Arabisch. (Christopher Göbel) +++